VC Magazin: Wie kam es zu der Idee für Ihr Start-Up?
Kuhr: Wir waren fassungslos, als wir herausgefunden haben, dass die Deutsche Bahn AG seit den 1930er Jahren durch das Personenbeförderungsgesetz vom Fernbus geschützt wird. Dies, sowie die Tatsache, dass wir im Ausland den Fernbus als günstige, komfortable und umweltfreundliche Mobilitätsalternative schätzen gelernt haben, hat uns dazu motiviert, DeinBus.de zu gründen. Wir treten ein für die freie Wahl der Verkehrsmittel und gegen alte Monopole. Nun haben sich endlich auch die Regierung und die Opposition in Berlin einigen können und das Personenbeförderungsgesetz wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres geändert. Unser Kampf hat sich also gelohnt. In zwei Jahren wird der Fernbus bei der Planung einer Reise fest im Alternativensetting auftauchen.
VC Magazin: Wie haben Sie die erste Finanzierung Ihrer Gründungsidee gestemmt und wie verlief die weitere Suche nach Kapital(-gebern)?
Kuhr: Finanziert haben wir uns fast ausschließlich aus eigenen Mitteln: family, friends & fools. Wir haben von Beginn an nach Investoren gesucht. Das war sehr zeitraubend und weitestgehend ergebnislos: Nach unzähligen Gesprächen mit Vertretern der Zunft fällt es mir schwer, diesbezüglich überhaupt noch von Risikokapital zu sprechen. Gesucht wird das neue Google, das neue Facebook, noch ein Copycat – aber bitte nicht ohne ex-BCG‘ler. Visionäre sind mir in diesem Umfeld selten begegnet. Unter Unternehmertum verstehe ich mehr als kreativitätslose Klonerei. Unser Busunternehmen ist ganz klassisch „Old Economy“. Das ist der Teil der Wirtschaft, in dem solide und ernste Geschäfte mit nachhaltigen und realistischen Planungen gemacht werden. Viele Web 2.0-Investoren verstehen das gar nicht.
Aber die Not machte uns, wie sehr oft, kreativ: Im Jahr 2011 hat DeinBus.de das erste Mal Genussrechte emittiert, mit großem Erfolg. Unsere zweite Emission startete am 21. September 2012, das Interesse im Vorfeld sowie an den ersten Zeichnungstagen war enorm. Wir bieten 8% gewinnabhängige Basisverzinsung, Gewinn- und Verlustbeteiligung und für jeden Investor ein kleines „Goodie“, als kleines Symbol unserer Dankbarkeit: So gibt es je nach Investitionssumme DeinBus.de-T-Shirts mit Gründerschweiß, ein Abendessen mit dem Gründer der Wahl oder der Benennung eines Busses nach dem Genussrechtszeichner.
Inzwischen denken wir auch wieder sehr konkret über die Hereinnahme eines Eigenkapitalgebers nach. DeinBus.de befindet sich in einer Phase sehr starken Wachstums, alleine in den vergangenen drei Monaten haben wir unser Geschäft vervierfacht. Ich denke jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um mit externem Kapital unser Unternehmen noch schneller und noch professioneller voranzubringen.
VC Magazin: Was sprach gegen die Karriere als Angestellter und wie hat sich das Gründerteam zusammengefunden?
Kuhr: Spätestens nach meinem Praktikum im M&A-Bereich bei Daimler in Peking 2007 war mir klar, dass ich in Konzernstrukturen zwar funktioniere, mir die Arbeit in einer derart stark entwickelten Arbeitsteilung aber wenig Freude bereitet. Die Arbeit in kleinen Unternehmen reizt mich dagegen sehr. Durch den Aufbau von DeinBus.de habe ich alle Bereiche der Unternehmung kennengelernt, von Angebotsplanung über Finanzierung bis hin zu Personalmanagement. Täglich warten neue Herausforderungen, das ist die beste Schule meines Lebens. Das ist auch der Grund, warum sich unser Team zusammengefunden hat, wie es ist, und warum wir so erfolgreich sind: Wir haben alle die gleiche Herausforderung gesucht, die der Aufbau eines so spannenden Unternehmens mit sich bringt. Keiner von uns ist ein Konzernmensch, wir sind Gründer und verstehen uns als Unternehmer.
VC Magazin: Wenn Sie auf Ihre bisherigen unternehmerischen Erfahrungen zurückblicken: Welche Entscheidungen würden Sie erneut treffen?
Kuhr: Es ist im Nachhinein oft schwer zu beurteilen, ob eine Entscheidung richtig oder falsch war. Eindeutig eine richtige Entscheidung war, sich nicht mit dem Status Quo, dem faktischen Verbot von Busfernverkehr, zufrieden zu geben. Ich kann nicht mehr zählen, wie viele Menschen uns davon abgeraten haben, das zu tun, womit wir heute unser Geld verdienen. Es war richtig, sich gegen alle Widerstände zu stellen, sich mit dem Gesetz, einem Staatskonzern und mit der Politik auseinanderzusetzen und anzulegen. Die Entscheidung, sich diesem Kampf zu stellen, würde ich immer wieder treffen.
VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhaften Erfahrungen konnten Sie besonders viel lernen?
Kuhr: Wir sind drei Gründer und zum Glück hat jeder von uns zehn Finger. Das bietet Spielraum für viele Lernerfahrungen… (lacht) Einer der größten Fehler war der Versuch, unsere noch junge Unternehmung bereits in der Ideenphase durch externe Kapitalgeber zu finanzieren. Das funktionierte nicht, die Zeit und Energie hätten wir besser direkt in die Weiterentwicklung unseres Produkts investieren sollen.
VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht bei den Rahmenbedingungen hierzulande der größte Pluspunkt und das größte Manko für junge Unternehmen?
Kuhr: Ich bin der Meinung, Deutschland ist ein toller Standort um zu gründen. Seit dem gewonnenen Rechtsstreit gegen die Deutsche Bahn AG habe ich eine ganz andere Wertschätzung für Rechtssicherheit und Gleichheit vor dem Gesetz entwickelt. In welchem anderen Land der Welt hätte ein Drei-Mann-Start-Up Chancen, einen gerichtlichen Prozess gegen einen der größten Staatskonzerne der Welt zu bestehen?
VC Magazin: Gibt es (Internet-)Unternehmer, die Sie als Vorbilder oder Idole sehen?
Kuhr: Meine Vorbilder handelten in einer Zeit, in der das Internet noch nicht existierte. Am meisten inspiriert hat mich während meiner Studienzeit Stephan Jansen, Gründungspräsident der Zeppelin Universität. Er hat es geschafft, mit der Universität innerhalb von kurzer Zeit eine einzigartige Arena für ungewöhnliche und nicht linientreue junge Menschen zu schaffen.
VC Magazin: Welche drei bis fünf Apps für Smartphones sind die wichtigsten Helferlein in Ihrem Alltag?
Kuhr: Meine Lieblings-App ist die nicht öffentliche DeinBus.de-App, die unsere Fahrer seit kurzem auf Ihren Tablets nutzen um den gesamten operativen Betrieb zu steuern. Per GPS können wir so sehen, wo sich unsere Busse gerade befinden, welche Fahrgäste bereits zugestiegen sind und wie die Verkehrs- und Wetterlage ist. Da wir für Endnutzer leider noch keine App haben, muss ich gestehen, dass ich die App der Bahn häufig nutze und diese auch gut gemacht finde. Des Weiteren sind Shazam, die Tagesschau-App sowie die Kamera-App ständige Begleiter meines mobilen, digitalen Lebens.
VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für Ihr Start-Up und Ihre unternehmerische Zukunft aus?
Kuhr: Es liegen wahnsinnige Aufgaben und Herausforderungen vor uns – also bleibt es spannend. Bis Ende 2013 werden wir unser Netz, das derzeit alle großen Städte in Süddeutschland vom Bahnmonopol befreit hat, auf Mittel- und Norddeutschland ausgeweitet haben. Mein Team und ich freuen uns riesig auf die vor uns liegenden Aufgaben. Ich werde so lange bei DeinBus.de bleiben, bis eine erfolgreiche Weiterführung des Unternehmens nicht mehr unbedingt von der Präsenz des Gründerteams abhängig ist.
VC Magazin: Danke für das Interview.
Das Interview führte Torsten Paßmann.
Zum Gesprächspartner
Alexander Kuhr ist einer der drei Gründer und Geschäftsführer der DeinBus.de GmbH (www.deinbus.de). Während des Studiums an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen gründete er zusammen mit zwei Kommilitonen 2009 das Unternehmen. Auf die Geschäftsidee kamen sie während ihrer Zeit im Ausland, da der Fernbus in den meisten Ländern der Welt, im Gegensatz zu Deutschland, eine gängige Reisealternative darstellt. Bundesweit bekannt wurde das Unternehmen, als es 2011 als Sieger aus einer Klage der Deutschen Bahn, mit der der Konzern das noch junge Unternehmen vom Markt drängen wollte, hervorging.