VC Magazin: Im Portfolio von e.ventures finden sich einige deutsche und speziell Berliner Internet Start-ups. Was sind die Stärken heimischer Unternehmen aus diesem Sektor?
Leybold: Firmen werden in Deutschland sehr stringent aufgebaut, die Stärke liegt sozusagen in der Execution. Das gilt übrigens nicht nur im Vergleich zu US-Start-ups, sondern auch im Vergleich zu Jungunternehmen z.B. aus den Emerging Markets. Unternehmer hierzulande sind sehr gut darin, Dinge stringent zu organisieren und Prozesse aufzusetzen. Auf der anderen Seite fällt häufig der kreative Teil unter den Tisch: Dinge auszuprobieren und Märkte zu testen. Das hängt allerdings auch mit dem Reifegrad und der Größe des Marktes zusammen. In den USA sind die Rahmenbedingungen ganz anders, es gibt viel mehr Venture Capital, da kann man schon einmal ein paar wilde Sachen ausprobieren. Aber in Deutschland ändert sich da auch gerade einiges.
VC Magazin: Inwiefern?
Leybold: Wir sind mittlerweile an einem Punkt, an dem viele ehemalige Mitarbeiter aus Copycat-Firmen ihre eigenen unternehmerischen Schritte gehen. Sie haben bereits Erfahrung gesammelt, trauen sich heute viel mehr zu und gehen dementsprechend mehr Risiko ein. Hinzu kommt, dass auch die Kosten für ein Internetprojekt in den letzten Jahren immer geringer geworden sind. Man kann somit viel leichter etwas Neues ausprobieren. In Berlin hat sich zudem ein gutes Ökosystem entwickelt, in dem man eben auch einfach mal loslegen kann.
VC Magazin: Berlin lockt mittlerweile auch internationale Investoren an. Welche Bedeutung kommt der Internationalität eines Start-ups heute zu?
Leybold: Für Start-ups und für ihre Investoren ist es extrem relevant, internationalen Anschluss zu haben, besonders an die USA. In Deutschland gibt es leider nicht die nötige Kapitaldecke, um größere Folgefinanzierungen stemmen zu können – international aber schon. Der Venture-Markt ist heute viel globaler geworden, und das ist eine hervorragende Nachricht für alle Unternehmer. Die Investoren weltweit wissen heute: Es gibt auch richtig gute Start-ups außerhalb des Silicon Valley. Das Potenzial hierzulande ist da noch groß, bislang haben nur wenige der deutschen Start-ups internationale Finanzierungen eingeworben. Auch für den späteren Exit ist die internationale Vernetzung entscheidend: Es ist heute aus Europa heraus möglich, sich die Märkte weltweit zu erschließen. Nur weil man aus Deutschland kommt, heißt das nicht, dass man zwingend an einen deutschen Käufer veräußern muss.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie aus Ihrer internationalen Perspektive heraus die deutsche Investorenszene im Frühphasenbereich?
Leybold: Sie ist viel zu klein! Wir selbst freuen uns über jeden anderen Fonds, der die Bühne betritt. Nach einer Angels-Finanzierung müssen Start-ups hierzulande fast durch ein Tal des Todes gehen, bis sie eine Venture-Finanzierung bekommen. Es gibt nur sehr wenige Player, mit denen man über eine erste Finanzierungsrunde in Höhe von 1 bis 3 Mio. EUR sprechen kann. Es müssten dreimal so viele sein! Außerdem mangelt es heimischen Investoren teilweise auch an Risikobereitschaft.
VC Magazin: Es fehlt hierzulande nicht nur an Venture Capitalisten, sondern auch an Investoren, die sich an Venture-Fonds herantrauen. Wie könnte dieses Dilemma gelöst werden?
Leybold: Um mehr Limited Partner zu gewinnen, müssen wir als Fonds beweisen, dass wir gute Renditen erwirtschaften und sich ein Investment lohnt. Dann funktioniert auch das Fundraising. Wir bei e.ventures verwalten zurzeit den vierten Fonds und sind nie auf Schwierigkeiten gestoßen. Man braucht aber auch eine schlüssige Strategie, die für LPs attraktiv ist. Ein wenig fehlt uns auch noch die Marktreife: Viele Investoren haben in Europa zum ersten Mal während der Dotcom-Blase in Venture Capital investiert und sich damit die Finger verbrannt. Damit liegt das Thema für viele erst mal auf Eis. Amerikanische Investoren hingegen sind bereits seit 40 Jahren in diesem Bereich aktiv und haben über die Zeit hinweg viele attraktive Investments tätigen können.
VC Magazin: Unter der Marke e.ventures haben Sie und Ihr Team Ihre globalen Tätigkeiten zuletzt unter ein Dach zusammengeführt. Was hat den Ausschlag für diesen Schritt gegeben?
Leybold: Wir sind in Europa, den USA, Russland, Asien und Brasilien mit je einem eigenen Team und einem Investitionsvehikel vertreten. Aus historischen Gründen firmierten die einzelnen Geografien teilweise unter verschiedenen Namen. Wir haben das jetzt vereinheitlicht und drücken so bereits im Namen unser Konzept aus: Wir treffen gemeinsam alle wesentlichen Entscheidungen und können durch unsere enge Zusammenarbeit Entwicklungen in einzelnen Regionen gut beobachten. Wir können schnell einschätzen, welcher Trend z.B. aus Asien auch nach Europa schwappen könnte.
VC Magazin: Was könnte im Internet-Bereich das nächste „große Ding“ werden?
Leybold: Das lässt sich natürlich nur sehr schwer vorhersagen, da gilt: You know it when you see it. Die großen Themen der letzten Jahre waren aber meist keine eigenständigen Innovationen, sondern die Kombination aus mehreren bestehenden Modellen. Zum Beispiel haben die Gründer von Groupon lokale Geschäftsmodelle mit dem Event-Trend verbunden, den man z.B. aus Shoppingclubs kannte. So wird es beim nächsten Thema wahrscheinlich auch wieder sein: Verschiedene Innovationen werden richtig gerührt und geschüttelt einen ganz neuen Mix ergeben.
VC Magazin: Von welchen Bereichen lassen Sie zurzeit die Finger?
Leybold: Da können wir nichts ausschließen! Für uns ist das entscheidende Investitionskriterium das Gründerteam: Wenn das stimmt, ist meist alles möglich. An zweiter Stelle kommt ein großer Markt, und erst an dritter Stelle kommt das Geschäftsmodell. Am leichtesten kann man nämlich hier Änderungen vornehmen. Für uns ist also nicht die Frage: Was machen wir nicht? Sondern sie lautet: Welche Gründer kommen durch die Tür?
VC Magazin: Welchen Rat geben Sie Gründer, die Venture Capital einwerben wollen?
Leybold: Am wichtigsten ist Authentizität. Man sollte die Begeisterung, die man für seine Idee hat, authentisch vermitteln. Man sollte unbedingt vermeiden, den Investoren nach dem Mund zu reden oder irgendwelche vermeintlichen Erwartungen zu erfüllen, von denen man gelesen hat. Die eigene Unternehmerpersönlichkeit muss rüberkommen, nur dann kann langfristig eine Vertrauensbeziehung entstehen. Außerdem sollten Gründer jede Möglichkeit nutzen, um Feedback zu ihrer Geschäftsidee einzuholen. Hierzulande haben viele Angst davor, von ihren Ideen zu erzählen und winken gleich mit Vertraulichkeitserklärungen. Man sollte aber lieber Energie darauf verwenden, das komplette eigene Netzwerk zu aktivieren, um seine Ideen weiterentwickeln zu können – kopiert wird man früher oder später sowieso.
VC Magazin: Danke für das Gespräch!
Zum Gesprächspartner:
Christian Leybold ist General Partner von e.ventures und leitet zusammen mit Andreas Haug aus Berlin und Hamburg heraus das Europageschäft. Die Venture Capital-Gesellschaft legt einen Schwerpunkt auf die Bereiche Consumer Internet und mobile Applikationen und hat derzeit rund 700 Mio. USD under Management.