Die Anfänge: Das VDI/VDE IT
Aufgabe des VDI/VDE Technologiezentrum Informationstechnik war in den 80er-Jahren, bundesweit die interessantesten Hightech-Unternehmen für das Bundesforschungsministerium im Rahmen des TOU-Programms (technologieorientierte Unternehmensgründungen) auszuwählen. Die gekürten Gründungen erhielten damals anteilige Zuschüsse für die Entwicklung neuartiger Produkte und Dienstleistungen. Nach Auslauf dieses Förderprogramms setzte das Forschungsministerium ein neues Programm zur Förderung von Venture Capital unter dem Namen „Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen“ (BJTU) auf. Dieses bot interessante Refinanzierungs- und Haftungsübernahmebedingungen für Beteiligungen an jungen Start-ups über die KfW an. Das VDI/VDE IT bewarb sich außerdem um Mittel aus einem Programm der EU-Kommission zur Förderung von 24 Seed-Kapital-Fonds. Die Bewerbung wurde von der EU als aussichtsreich eingestuft, und so entstand 1990 die SCF Seed Capital Fund GmbH Berlin, einer der ersten deutschen Seed-Kapital-Fonds mit einem Anfangsvolumen von 2 Mio. DM, mit den beiden Geschäftsführern Bernhard Böhm und Roger Bendisch. Die erste Beteiligung wurde 1990 an einem jungen Berliner Software-Unternehmen, die Softwerker GmbH, eingegangen.
IBB startet Zukunftsfonds
Durch die Wiedervereinigung der geteilten Stadt wurde die Förderpolitik des Landes Berlin 1993 mit der Gründung der Investitionsbank Berlin (IBB) neu gestaltet. Die IBB bündelte die diversen Förderangebote des Landes Berlin für die gewerbliche Wirtschaft. Ende 1996 entschied sie sich, zusätzlich den „Zukunftsfonds der IBB“ mit einem Volumen von 100 Mio. DM aufzulegen. Im Mittelpunkt stand zunächst die Unterstützung von jungen Unternehmen mit Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen. Im März 1997 übernahm mein heutiger Geschäftsführerkollege Marco Zeller die Leitung des Projektes mit folgenden Zielen:
– Schaffung eines „echten“ Eigenkapitalangebotes
– Gründung einer Venture Capital-Tochter
– Umsetzung des Gesamtprojektes innerhalb von sechs Monaten
Nach sechs Monaten ging die Gesellschaft planmäßig mit den beiden Geschäftsführern Marco Zeller und Roger Bendisch an den Start.
Gründerfieber durch Neuen Markt
Die Gründung fiel in die Zeit des Neuen Marktes. Nachdem die ersten deutschen Unternehmen wie Intershop, Pixelpark oder Mobilcom durch ihre IPOs schwindelerregende Börsennotierungen erreicht hatten, brach in Berlin das Venture Capital-Fieber aus. Innerhalb weniger Jahre gründeten sich ca. 30 Venture Capital-Unternehmen in der Hauptstadt, wie z.B. die bmp AG oder IMH, oder errichteten eigene Büros, wie z.B. 3i oder die Deutsche VC Gesellschaft. Mit ihrem eingesammelten Fondsvermögen investierten sie auch in Berliner Unternehmen, wie die aap Implantate AG, Beta Systems AG, Eckert Ziegler AG oder die Lipro AG, und profitierten von deren erfolgreichen Börsengängen.
Von alando zu Rocket Internet
Parallel fanden aber auch schon attraktive Trade Sales Ende der 90er-Jahre statt. So kamen drei Kölner Brüder (Mark, Alexander und Oliver Samwer) nach Berlin und gründeten mit Wagniskapital die Internetplattform für gebrauchte Güter alando. Kaum gegründet wurde das Unternehmen innerhalb von 100 Tagen an das amerikanische Vorbild eBay für einen zweistelligen Millionenbetrag veräußert (behaupten Insider). Nach diesem Erfolg bauten sie den Klingeltonanbieter Jamba auf, der 2004 nach vierjähriger Aufbauphase an den amerikanischen Internetkonzern VeriSign für 273 Mio. USD veräußert wurde. Die Gründer wechselten daraufhin die Seiten und wurden mit ihrem Investmentvehikel European Founds Fund zu einem der aktivsten Venture Capital Player. Allerdings waren diese Aktivitäten nicht nur von Erfolg gekrönt, sodass die drei Brüder sich 2007 entschieden, in Berlin das Vehikel Rocket Internet aufzubauen, das sich zum erfolgreichsten Inkubator Deutschlands entwickeln sollte. Hierzu zählen ca. 100 Unternehmen, das bekannteste ist sicher das E-Commerce-Unternehmen Zalando.
Auf Boom folgt Bust
Die Anfänge des neuen Jahrtausends waren jedoch weniger euphorisch. Mit dem Einbruch des Neuen Marktes mussten viele geplante Börsengänge aus den Portfolios der bis dahin aktiven Venture Capital-Gesellschaften abgesagt werden. Rückflüsse für diese Fonds blieben aus, Anschlussfinanzierungen ebenfalls; es begann eine dunkle Zeit für die Venture Capital-Branche in Deutschland, und auch in Berlin wurden Fonds liquidiert oder am Sekundärmarkt verkauft, Berliner Büros wurden geschlossen und die Aktivitäten am Stammsitz konzentriert. Selbst der nationale öffentliche Eigenkapitalanbieter, die tbg Technologiebeteiligungsgesellschaft der Deutschen Ausgleichsbank, schloss ihre Pforten in Berlin.
Geglückter Neuanfang
In dieser Krisenstimmung gelang es der IBB Beteiligungsgesellschaft, den Senat von Berlin zu überzeugen, EU-Mittel (EFRE) in einen neuen Venture Capital-Fonds zu investieren. Gemeinsam mit der IBB wurde 2004 der „VC Fonds Berlin“ mit einem Volumen von 20 Mio. EUR ins Leben gerufen, der für viele weitere Venture-Aktivitäten der regionalen Förderbanken, wie z.B. in Brandenburg, als Blaupause galt. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Mitte des letzten Jahrzehnts kamen auch wieder ertragreiche Exits in Berlin zustande, wie z.B. der Verkauf des Navigationssoftware-Herstellers Gate 5 AG an den finnischen Handyriesen Nokia. 2007 bekannte sich das Berliner Abgeordnetenhaus zur Fortsetzung unserer Venture Capital-Aktivitäten und genehmigte einen klassischen Anschlussfonds, den VC Fonds Technologie mit einem Volumen von 52 Mio. EUR. In Anbetracht der wachsenden Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Stadt beschloss es auch die Auflage des ersten deutschen Venture Capital-Fonds für die Kreativwirtschaft mit einem Volumen von 30 Mio. EUR. Beide Fonds werden von der IBB-Bet. verwaltet; sie wurden mit Unterstützung vom Land Berlin und der IBB initiiert und mit IBB- und EFRE-Mitteln ausgestattet.
Start-up Mekka des neuen Jahrzehnts
Trotz des Wirtschaftseinbruchs 2009, von dem auch Berlin nicht verschont wurde, gab es weiterhin spektakuläre Exits wie studiVZ, Xanox oder nugg.ad, die dann zu einem wahren Boom an Start-up-Aktivitäten in Berlin führten. Angefeuert durch positive nationale und internationale Presse kommen heute sowohl internationale Start-ups wie z.B. das schwedische Unternehmen Soundcloud als auch internationale Investoren wie Ashton Kutcher oder global tätige Venture Capital-Fonds wie Access Industries, die US-Beteiligungsgesellschaft des russischstämmigen Milliardärs Leonard Blavatnik und viele andere in die Hauptstadt. Nach eigenen Recherchen sind in diesem Jahr schon 250 Mio. EUR in Berliner Start-ups geflossen. Wie schnell sich aber auch Trends ändern können, zeigt der Zusammenbruch der deutschen Solarindustrie, die stark in Berlin vertreten ist. So mussten innerhalb weniger Monate die drei großen Hersteller Solon AG, Soltecture GmbH und Inventux AG Insolvenz anmelden.
Ausblick
Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen hat Berlin jedoch den großen Vorteil, nicht auf einen einzigen Technologie- oder Branchenschwerpunkt fokussiert zu sein. Zudem hat die Stadt in den letzten 22 Jahren bewiesen, auch Rückschläge zu verkraften und sich dennoch dynamisch weiter zu entwickeln. Was die Zukunft angeht, bin ich daher optimistisch. Berlin ist für mich „the place to be“.