VC Magazin: Der Änderungsvorschlag zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das Jahressteuergesetz 2013 hat in der Branche hohe Wellen geschlagen. Was genau sind Ihre Kritikpunkte?
Kirchhof: Als Verband haben wir eine mehrseitige Stellungnahme an den Finanzausschuss des Bundestages geschickt, in dem wir die Kritikpunkte zusammengefasst haben. Das Wichtigste ist, dass man erkennt, dass bis jetzt die GmbH die einzige Möglichkeit war, in Zuge eines Roll-overs Geld aus Unternehmensgewinnen zu steuerlich günstigen Konditionen in andere Unternehmen zu investieren. Diese Möglichkeit wird durch den Gesetzesvorschlag beschnitten. Ich bin davon überzeugt, dass man beim Entwurf der Regelung nicht an die Business Angels gedacht hat und diese nun der Kollateralschaden eben dieser Änderung sind. Auch der Punkt der Rückwirkung des Gesetzes scheint mir problematisch – wenn nicht sogar rechtswidrig. Wenn man dem Ganzen etwas Positives abgewinnen möchte, dann das, dass die Business Angels und Gründer nun endlich aufgewacht sind und sich wehren.
Maier: Egal um welche Gesetze es geht, sie sollten nicht rückwirkend gelten, denn in einer stabilen Demokratie sollte man mit einer kontinuierlichen Gesetzgebung planen können. Die geplante Regelung würde eine jahrelange Gesetzgebung über den Haufen werfen, die bewusst die Situation gefördert hat, dass das Geld „im Kreislauf“ bleibt. Außerdem betrifft sie eine sehr kleine Gruppe von Leuten, dafür aber massiv – die Steuerbelastung stiege quasi über Nacht um rund 1.900%. Meiner Meinung nach, ist auch die 10%-Grenze willkürlich. Wenn wegen des EUGH-Urteils und der Staatsschuldenkrise kein Weg um eine Anpassung herum führt, hielte ich eine leicht eine höhere Besteuerung der gesamten Beteiligungsbranche für sinnvoller. So könnte man beispielsweise den Steuersatz für Holdings bei Dividenden und Verkaufserlösen von effektiv ca. 1,5% auf effektiv 3% anheben, unabhängig ob Streubesitzanteil oder nicht.
Baier: Ich finde es auch katastrophal, dass das Gesetzt rückwirkend gelten soll, da man als Business Angel keine Zeit hat, sich auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen. Jede Verschlechterung der aktuellen Bedingungen behindert die gesamte Szene. Zumal auch jetzt schon einiges im Argen liegt, da momentan nur die GmbH Vorteile von der Rechtslage hat, nicht aber Personengesellschaften oder Einzelpersonen, die genau dasselbe Tätigkeitsfeld haben.
VC Magazin: Die Organisation von Beteiligungen in einer eigenen Gesellschaft bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand für den Business Angel. Welche anderen Modelle könnten die Prozesse hier vereinfachen?
Baier: Es müsste allgemein am Steuerrecht angesetzt werden, damit ein Business Angel aktiv werden kann, egal in welcher Rechtsform. Ich finde, eine Privatperson oder eine Personengesellschaft sollten rechtlich nicht anderes gestellt werden als beispielsweise eine GmbH.
Maier: Ich denke, wir sind alle Freunde von Steuervereinfachungen und wünschen uns mehr Transparenz. Jedoch befürchte ich, dass es auch in Zukunft unterschiedliche Besteuerungsmodelle für Privatpersonen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften geben wird. Das Dringlichste scheint mir, dass es eine klare Regelung gibt, die dann auch Bestand hat.
Kirchhof: Gleich welche Rechtsform man wählt, hat man immer mit gewissen Problematiken zu kämpfen, da jede ihre eigenen Nachteile hat. Auch ich plädiere für eine gesetzliche Regelung, die auf Jahre hinaus Bestand hat. Immerhin sind Unternehmensbeteiligungen auch meistens langfristig angelegt.
VC Magazin: In welchen anderen Punkten wünschen Sie sich eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Business Angels?
Baier: Man bräuchte eine gesetzliche Regelung, die die Rahmenbedingungen für Business Angels, Start-ups und die Venture- Capital Szene vorgibt und an denen man sich auch langfristig orientieren kann.
Maier: Um den Sozialstaat weiter bezahlen zu können, brauchen wir so viele Gründer und Investoren wie möglich, die einen möglichst hohen Anreiz haben, neue erfolgreiche Firmen aufzubauen. Daher ist es dringend notwendig, dass die Politik erkennt, dass das vorherrschende Marktversagen in der Frühphasen-Finanzierung von Unternehmen aktuell eigentlich nur durch Business Angels aufgefangen werden kann.
Kirchhof: Ich bin auch der Meinung, dass in der Politik das Bewusstsein dafür geschärft werden muss, dass mit den Start-ups unsere Wirtschaft von morgen aufgebaut wird. Denn es ist unbestrittenen so, dass kleine, neue Unternehmen Arbeitsplätze schaffen und dort auch die Innovationen stattfinden. Wenn wir die Chance verpassen, jetzt die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts aufzubauen, werden wir in Zukunft hinter andere Länder zurückfallen.
VC Magazin: Trotz aller Schwierigkeiten: Warum sind Sie gerne als Business Angel aktiv?
Baier: Die Zusammenarbeit mit jungen Leuten, die eine tolle Idee haben und alle bis in die Haarspitzen motiviert sind, ist eine unglaubliche Freude. Auch die Möglichkeit zu haben, an technischen Innovationen, die irgendwann einmal unser Leben erleichtern sollen, mitzuhelfen beziehungsweise sie in den Markt zu tragen, ist jedes Mal aufs Neue eine große Motivation.
Maier: Ich habe ja bereits selbst eine Firma gegründet und es macht mir nach wie vor sehr viel Spaß, neue Geschäftsideen zu sehen, meine Erfahrungen weiterzugeben und auch Innovation zu fördern. Darüber hinaus ist es äußerst anregend, in einer Szene aktiv zu sein, in der alles in Bewegung ist. Natürlich ist es auch spannend, einen finanziellen Anreiz zu haben.
Kirchhof: Mir als Verbandsvertreter liegt die Arbeit der Business Angels am Herzen, da sie die Geburtshelfer der Wirtschaft von morgen sind. Daher müssen wir alles tun, damit sie ihre Arbeit tun können und sich nicht ständig mit neuen gesetzlichen Regelungen beschäftigen müssen.
Über die Gesprächspartner:
Der Business Angel Norbert Baier hat seit 2000 rund zehn IT- und Produktionsunternehmen als Business Angel im netzwerk nordbayern begleitet.
Robert Maier hat 2009 das Internet-Unternehmen Visual Meta (www.visual-meta.com) gegründet. Seine Business Angel-Beteiligungen hält er über die Romm Holding GmbH.
Dr. Roland Kirchhof ist seit 2001 Vorstand des Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) (www.business-angels.de).
Hintergrund:
Der Bundesrat hat kürzlich einen Änderungsvorschlag zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das Jahressteuergesetz 2013 aufgenommen. Dieser sieht vor, Steuervergünstigungen für Holding-Gesellschaften einzuschränken. Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH), wonach es gegen EU-Recht verstößt, wenn ausländische Kapitalgesellschaften nur dann Steuervergünstigung geltend machen können, sollten sie mindestens 10% einer deutschen Kapitalgesellschaft halten. Die aktuelle Regelung, nach der deutsche Holding-Gesellschaften ohne jegliche Mindestbeteiligungsgrenze steuerliche Vergünstigungen erhalten, stellt laut dem EUGH eine Diskriminierung von EU-Ausländern dar.