Warum gibt es Inkubatoren fast nur im Internet?
Mit einigen wenigen Ausnahmen in anderen Bereichen beschränkt sich das Vorkommen von Inkubatoren weitgehend auf das Internet. Einer der Hauptgründe dafür dürfte sein, dass zum Start eines Internetunternehmens weder besonders viel Kapital benötigt wird, noch kostenlos zur Verfügung gestellte Büroflächen einen großen Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben. Viel mehr kann ein guter Inkubator den jungen Erstunternehmern bei der Umsetzung von Kernelementen wie Online-Marketing-Strategie und Geschäftsmodell helfen und damit entscheidenden Beitrag zum Erfolg leisten.
Der im Silicon Valley ansässige Y Combinator (www.ycombinator.com) war der erste große Internet-Inkubator und wurde 2008 gegründet. Zu den mittlerweile mehr als 300 von ihm geförderten Start-ups gehören einige so bekannte und erfolgreiche wie
- Scribd (www.scribd.com),
- reddit (www.de.reddit.com),
- Airbnb (www.airbnb.com),
- Dropbox (www.dropbox.com),
- Disqus (www.disqus.com) und
- Posterous (www.posterous.com).
Dieser Erfolg hat schnell international Nachahmer gefunden wie Seedcamp (www.seedcamp.com) oder Springboard (www.Springboard.com) in Großbritannien.Diese haben allerdings alle gemeinsam, dass sie eher als Geburtshelfer und Seed-Finanzierer für Start-ups auftreten, die es immerhin von allein schon bis an die Startlinie geschafft haben.
Deutschland – Land der Company Builder
In Deutschland sieht die Szene etwas anders aus. Eine Institution wie Y Combinator fehlt. Dafür gibt es einige teilweise sehr erfolgreiche inkubatorähnliche Unternehmen, die sich allerdings in einer noch früheren Phase des Unternehmensaufbaus positionieren. Erfunden haben deren Strategie vermutlich die Samwer-Brüder, die seit 2007 mit der Berliner Rocket Internet (www.rocket-internet.de) den wohl unumstritten erfolgreichsten deutschen Internet-Inkubator betreiben. Aus diesem gingen so erfolgreiche Start-ups wie Zalando (www.Zalando.de), CityDeal (heute Teil von Groupon, www.groupon.de) oder eDarling (www.eDarling.de) hervor. Zu den weiteren erfolgreichen Inkubatoren in Berlin zählt Team Europe Ventures (www.teameurope.net) von Spreadshirt-Gründer Lukasz Gadowski. Anders als die internationalen Pendants konzentrieren sich diese allerdings nicht auf die Finanzierung und das Wachstum bestehender Start-ups, sondern sie sehen sich vielmehr als „Company Builder“, die selbst Geschäftsmodelle entwickeln oder im Ausland entdecken und dann kopieren. Dazu suchen sie dann geeignete Managementteams, mit denen zusammen sie dann die Unternehmen aufbauen und möglichst schnell skalieren.
Geschwindigkeit als Trumpf
Die Company Builder sind insbesondere dadurch erfolgreich, dass sie mittlerweile umfangreiche Strukturen aufgebaut haben, mit denen sie extrem schnell und flexibel neue Unternehmen auf den Weg bringen können. Der Legende nach brauchte Rocket Internet gerade mal vier Wochen von Oliver Samwers Beschluss, das Geschäftsmodell von Groupon zu kopieren, bis zum Launch von CityDeal. Hier zeigt sich auch deutlich, warum Deutschlands Wirtschaft von solchen Inkubatoren profitiert: Sie schaffen ein extrem agiles und schnell wachsendes Ökosystem von Innovationen. In jedem klassischen Medienkonzern hätte man in vier Wochen noch nicht mal den Entwurf der Entscheidungsvorlage für den Vorstand fertiggebracht. Und die Inkubatoren entwickeln sich mehr und mehr zum echten Wirtschaftsfaktor: Die Unternehmensgruppe um Rocket Internet hat in Berlin heute schon mehr als 5.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Viele junge Inkubatoren
Der herausragende Erfolg von Rocket Internet und auch Team Europe hat in Deutschland eine ganze Reihe von Epigonen angezogen, und gefühlt entsteht auch immer noch jede Woche ein neuer. Die meisten von ihnen sind allerdings noch zu jung, um ihren Erfolg zu beurteilen. So müssen und können sich Unternehmen wie
- Hanse Ventures (www.hanse-ventures.de), u.a. von Sarik Weber, Ex-Cellity,
- Venture Stars (www.venture-stars.com) von Stefan Pfannmöller, Ex-Netzathleten,
- FoundersLink (www.founderslink.com), (u.a. Oliver Beste, Ex-myToys.de,
- HackFwd (www.hackfwd.com) von Lars Hinrichs, Ex-Xing, oder
- Digital Pioneers (www.digitalpioneers.de) von Heiko Hubertz, Bigpoint,
erst noch beweisen. Das Problem vieler der kleineren Inkubatoren liegt allerdings in der Skalierung. Solange sie selbst klein, kaum bekannt und relativ schlecht mit Kapital ausgestattet sind, schaffen sie es nicht, die nötigen Strukturen aufzubauen, um ihre Start-ups voranzubringen. Die hinterlassen dann zuweilen frustrierte Gründerteams, die sich fragen, wofür sie denn 50% der Anteile des Unternehmens an den Inkubator abgegeben haben.Flexible TeamstrukturenAuf der anderen Seite ist insbesondere Rocket Internet dafür bekannt, den Managementteams, die man so kaum noch Gründer nennen kann, nur Anteile im kleinen einstelligen Prozentbereich zu geben. Dafür haben sie allerdings auch eine sehr geringe Ausfallquote und eine äußerst schlagkräftige Infrastruktur, die den Start-ups bei Marketing, Vertrieb und Technologie helfen kann. Nur die Venture Capital-Investoren tun sich noch etwas schwer mit den vielen neuen Inkubatoren, denn die Managementteams der Portfoliounternehmen halten oft sehr kleine Anteile an diesen. Letztlich stehen die Company Builder gegenüber den Venture Capital-Gesellschaften für das Versprechen gerade, notfalls Ersatz zu finden für ein Mitglied des Managementteams, wenn dieses ausfällt, weil es zu wenig mit Unternehmensanteilen motiviert wurde. Grundsätzlich ein plausibles Argument, das sich in der Praxis aber erst noch beweisen muss.Für jeden potenziellen Gründer etwas dabeiAus Sicht von potenziellen Gründern ist die Vielzahl der Inkubatoren sicher ein gutes Zeichen. Statt ganz allein zu starten und auf eine Angel- oder VC-Finanzierung zu hoffen, helfen ihnen nun Inkubatoren, den Start ins Unternehmertum etwas weniger holprig zu gestalten. Dafür nehmen sie mehr oder weniger Anteile am Unternehmen – aber der Gründer hat die Wahl und kann sich die verschiedenen Inkubatoren und Company Builder ansehen und herausfinden, welcher zu ihm passt.Ausblick: Wohin geht die Reise?Was man heute schon absehen kann: Die vielen neuen Inkubatoren sorgen für eine neue Gründungswelle unter Internet-Start-ups. Grundsätzlich ist so ein Innovationsschub bestimmt nicht schlecht für die deutsche Wirtschaft. Anderseits werden sicher in den nächsten Jahren auch viele dieser inkubierten Unternehmen wieder verschwinden. Wenn man allerdings bedenkt, dass Internet-Start-ups heute meist doch ganz gut mit ihrem Geld umgehen („Bootstrapping“), stehen dabei sicher keine Milliardenbeträge auf dem Spiel. Was man sich allerdings schon fragen muss in den Zeiten der ernsthaft knapp werdenden Ressource Arbeitskräfte: Vielleicht hätte so manch gescheiterter Gründer als Angestellter doch ein produktiveres Leben geführt. Vielleicht sollte es doch nicht für jedermann allzu einfach werden, Internetunternehmen zu gründen.
Über den Autor
Thomas Promny betreibt in Hamburg verschiedene Internetunternehmen mit einem Schwerpunkt auf B2B-Online-Marketing-Geschäftsmodellen. Seine Holding Velvet Ventures (www.velvetventures.de) betrachtet er als Klasse-statt-Masse-Inkubator.