Investorenluft schnuppern
Wie oft in Deutschland, ist hier eine Begriffsklärung notwendig, denn der Begriff Entrepreneur in Residence wird von den in Deutschland ansässigen Inkubatoren für Praktikanten zweckentfremdet. In den USA ist es hingegen üblich, dass erfahrene Unternehmer zwischendurch bei einem Frühphaseninvestor anheuern, um danach wieder etwas Neues zu gründen oder zu übernehmen. Meine Wahl fiel auf eVenture Capital Partners (www.evcpartners.com) habe ich ausgewählt, weil hier die Möglichkeit bestand, nicht nur von Hamburg aus zu arbeiten, sondern parallel in das US-Geschäft hineinzuschnuppern. Für mich war das Ganze sehr spannend, vor allem, da ich mich mit vielen Unternehmen außerhalb meines eigenen Kompetenzbereiches umschauen konnte.
Kulturelle Unterschiede
Darüber hinaus sind mir einige Punkte in den USA aufgefallen:
- Die völlig unterschiedliche Qualität der Pitches. Nicht nur in Deutschland, auch in den USA gab es teilweise ernüchternd schlechte Präsentationen. Als Unternehmer breche ich oft irgendwann ab, wenn mir schlecht präsentiert wird. Als Investor höre ich mir den Vortrag dennoch mindestens 45 Minuten lang an.
- In den USA ticken die Uhren anders. Während man für ein Investorenmeeting in Frankreich, England oder Deutschland meist 90 Minuten ansetzen muss, kann man beim ersten Gespräch in den USA fast sicher sein, dass das Gespräch nach 60 Minuten zu Ende ist – selbst wenn es für beide Seiten super läuft.
- Networking unter den Venture Capitalists. Ganz subjektiv glaube ich, dass in den USA viel häufiger „hot leads“ vermittelt werden als in Deutschland. Auch hierzulande kennt natürlich jeder jeden in der Branche. Aber manchmal denke ich, dass die Zirkel, in denen Deals in Deutschland zirkuliert werden, deutlich kleiner sind.
- Die unglaubliche Professionalität in der Branche in den USA. Ich habe mit Menschen gesprochen, die das Frühphasengeschäft schon 20 oder 30 Jahre lang machen und wirklich schon alles gesehen haben. Mit dieser Seniorität geht teilweise eine angenehme Unaufgeregtheit einher.
Vorteile auf beiden Seiten
Natürlich habe ich einiges gelernt: Bewertungsmechaniken, Deal Terms, die ich nicht kannte, die ganze Dynamik der Verhandlungen auf der anderen Seite. Das Feedback von eVenture und BV Capital (www.bvcapital.com) war ebenfalls sehr positiv. Die Sicht des Unternehmers auf Teamkonstellationen, Marketingaufgaben, aber auch „angewandter gesunder Menschenverstand“ wurden, wie ich glaube, sehr geschätzt. Natürlich schafft es für die Venture Capital-Gesellschaft auch eine gewisse Glaubwürdigkeit, wenn ein Unternehmer mit am Tisch sitzt.
Fazit:
Für mich hat sich das Ganze massiv gelohnt. Ich empfand es als unglaublichen Luxus, mich mit vielen Menschen zu beschäftigen und jedes Mal wieder einzuschätzen: „Wird das fliegen?“ Gleichzeitig war ich danach wieder begierig darauf, in mein nächstes Venture zu starten. Schneller als geplant, bereits nach drei Monaten bei eVenture, hatte sich mit 9flats.com mein nächstes Unternehmen herauskristallisiert. Ich denke, die Branche würde deutlich profitieren, wenn wir mehr Unternehmer hätten, die auch die Investorenseite verstehen. Und umgekehrt natürlich auch. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Zum Autor
Stephan Uhrenbacher ist Geschäftsführer der Vermietungsplattform 9flats.com (www.9flats.com). Er zählt zu den bekanntesten Internetunternehmern in Deutschland und leitete u.a. bild.de, DocMorris, Qype und Avocado Store.