Accenture (Ausgabe 10/2001)

Die Hausse macht hungrig
Das hat den Unternehmensberatungen nicht gefallen: Während sie sich mit zwar sicher nicht niedrigen, aber eben erfolgsunabhängig fixierten Beratungsgebühren zufrieden geben mußten, machten die beratenen jungen Unternehmen und deren Gründer und Angestellte in kurzer Zeit durch einen Börsengang ein großes Vermögen, sicher und recht mühelos. So schien es zumindest in den Jahren 1998 bis 2000, als Technologiemärkte, Börsen und Venture Capital-Markt boomten. Die Unternehmensberater wie auch andere Dienstleister, z.B. Rechtsanwälte, wollten dann auch am Goldrausch partizipieren und nahmen Anteile an den beratenen Start-ups als Entlohnung.

Berater als Kapitalgeber
Ist einmal die Idee akzeptiert, daß man sich als Unternehmensberatung auch in Anteilen junger Unternehmen bezahlen lassen kann, so bedarf es nur noch eines kleinen Schritts, um zum tatsächlichen VC-Geber zu werden. Das Konzept ist naheliegend: Eine Unternehmensberatung, die auch Beteiligungskapital zur Verfügung stellt, kann einem jungen Unternehmen viele Sorgen auf einmal abnehmen. Die Berater helfen beim Aufbau einer professionellen Organisation und können die Zeit bis zur Marktreife deutlich verkürzen. Eine weltweit operierende Unternehmensberatung verfügt über nützliche Verbindungen für das junge Unternehmen.

Ermutigt durch gute Ergebnisse in der Vergangenheit…
Diese potentielle win-win-Situation hat auch die Unternehmensberatung Accenture (bis vor kurzem Andersen Consulting) überzeugt, mit Accenture Technology Ventures eine eigene VC-Tochter zu gründen. Zudem hatte man in der zweiten Hälfte der 90er Jahre positive Ergebnisse mit einigen Investments erzielt. Prominentes Beispiel ist der Marktführer für Customer Relationship Management Software, Siebel Systems, an dem sich Accenture bereits lange vor dem Börsengang beteiligte. Die Gründung der neuen Tochter fiel dann im Dezember 1999 in die Hochphase des Booms.

…wird die Idee auch in der Flaute umgesetzt
In den vergangenen knapp zwei Jahren haben sich die Marktverhältnisse grundlegend geändert, leichtes Geld ist kurzfristig weder mit Technologie-Unternehmen noch mit Venture Capital zu verdienen die Börsen sind für Neuemissionen weitgehend geschlossen. Accenture wird aber an der einmal gefaßten Idee festhalten. Die Ziele der neuen Tochtergesellschaft sind ambitioniert: In den kommenden Jahren soll ein umfangreiches Portfolio zukunftsträchtiger Beteiligungen entstehen.

Zielgruppe: Unternehmenssoftware
Accenture Technology Ventures will sich am Aufbau von Unternehmen beteiligen, die neue Märkte schaffen oder den Transformationsprozeß einzelner Branchen gestalten und somit den Investoren überdurchschnittliche Renditen versprechen. Die Gesellschaft operiert als selbständige Einheit innerhalb der Accenture-Gruppe, trifft ihre Investitionsentscheidungen unabhängig und rechnet von der Muttergesellschaft empfangene Beratungsdienstleistungen zu marktüblichen Konditionen ab. Zur Zeit hält sie 80 Beteiligungen mit einem Investitionsvolumen von mehr als 350 Mio. US-$. Die bestehenden Investments konzentrieren sich auf die Unternehmenssoftware im weiteren Sinne (Customer Relationship Management, Supply Chain Management, e-Infrastructure, Mobilfunk und digitale Inhalte).

Globale Ausrichtung
In jede dieser Branchen soll auch in den nächsten Jahren investiert werden. Die Mindestgröße einer Bar-Beteiligung liegt bei 2 Mio. US-$, Beteiligungen erfolgen in Form von Stamm- oder Vorzugsaktien oder Optionsrechten. Es soll ein globales Portfolio aufgebaut werden, das Beteiligungskapital wird hauptsächlich in die Expansionsfinanzierung junger Unternehmen fließen; Seed Capital und Pre-IPO-Finanzierungen werden die Ausnahme sein. Anders als noch in der Boomphase bei Kapitalgebern üblich, als Cash Burn Rates ein Qualitätskriterium waren, steht das möglichst schnelle Erreichen der Gewinnschwelle im Vordergrund.

Die Berater sind Türöffner
Bernd Venohr, Partner bei Accenture und zuständig für Accenture Technology Ventures in Deutschland, der Schweiz und Österreich, sieht den wichtigsten Vorteil der Zusammenarbeit eines jungen Unternehmens mit Accenture darin, daß die große Unternehmensberatung Verbindungen und Allianzen für die Beteiligungsunternehmen herstellen könne. Zwar sei das Beratungsunternehmen kein ausgelagerter Vertrieb für die Beteiligungen des VC-Bereichs, aber man nutze die bestehenden Geschäftsbeziehungen doch, um den jungen Firmen gerade bei Großunternehmen die Tür zu öffnen. Häufig werde man daher auch als Co-Investor mit ins Boot genommen. Für die deutschsprachige Region ist Bernd Venohr positiv gestimmt, sie bleibe ein innovativer Technologiestandort, und die zusammengestauchten Bewertungen eröffneten interessante Investitionsmöglichkeiten.

Beteiligungen in Deutschland
Beispiele für bestehende Beteiligungen in Deutschland sind Definiens und abaXX. Im Falle von Definiens hat man sich gemeinsam mit DaimlerChrysler Ventures und der VC-Gesellschaft TVM an einem jungen Unternehmen beteiligt, das ein Funkmodem entwickelt hat, mit dem die Autofahrer in Zukunft Echtzeit-Verkehrsinformationen für die jeweils von ihnen geplante Route abrufen können. Die Kombination von industriellem Know-how und Venture Capitalisten im Kreis der Kapitalgeber hat hier den Einstieg für Accenture besonders attraktiv gemacht. Das Softwareunternehmen abaXX entwickelt e-Commerce-Software für große Banken, zählt bereits einige deutsche Großbanken zu ihren Kunden, schreibt schwarze Zahlen und plant in absehbarer Zeit den Börsengang. abaXX ist strategischer Partner von Siebel und erfüllt wohl auch dadurch die von Bernd Venohr formulierte Anforderung, zu „den Besten der Besten“ zu gehören: „Ein potentieller Europameister muß eine neue Beteiligung schon sein“.

Beteiligungen in Deutschland/Österreich/Schweiz:
– Seals
– Portum
– Nets
– AbaXX
– Definiens
– Ascertech