Entwicklung des Portfolios
Zur Realisierung sämtlicher Investitionen können die Münchner auf ein Kapital in Höhe von rund 60 Mio. Euro zugreifen, das zu 90 % von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellt wurde. 10 % steuerte die Landesbank Baden-Württemberg bei. Über ein Drittel davon ist aktuell noch in der Kasse. „Obwohl wir in der Boomphase begonnen haben, dürfte der Wert unseres Portfolios die Höhe des eingesetzten Kapitals im nächsten Jahr wieder erreicht haben“, zeigt sich Konstantin Urban, Vorstandssprecher der holtzbrinck networXs AG, mit der Performance des Portfolios in gesamtwirtschaftlich schwierigen Jahren äußerst zufrieden. Drei der 16 bislang eingegangen Beteiligungen mußten zwar abgeschrieben werden, doch sieben der zehn verbliebenen Portfolio-Unternehmen haben die Gewinnschwelle inzwischen überschritten, und fünf Companies sieht Urban sogar als potentielle Highflyer. Bei drei Companies wurde ein Exit vollzogen.
Erfolgsstory PARSHIP
Dabei bekommen Wachstumsunternehmen weit mehr als Kapital. Medialeistungen sind zusätzlicher Mehrwert des Beteiligungsprogramms der Münchner. Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, u.a. Herausgeber von Die Zeit, Handelsblatt und WirtschaftsWoche, kann den Portfolio-Unternehmen der VC-Tochter z.B. interessante Werbeplätze und hochwertigen Content für ihre Plattformen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus können die Unternehmen durch die starken Marken der Unternehmen der Verlagsgruppe und die Kundenbasis profitieren. Ein junges Unternehmen, das vom Netzwerk des Verlags profitiert, ist die Online-Partner-Agentur PARSHIP GmbH aus Hamburg. „Eines der interessantesten Unternehmen in unserem Portfolio“, lobt Urban. Immerhin hat sich die Nutzerzahl des Internet-Partnervermittlers im letzten Jahr versechsfacht, und die Umsätze wachsen nach Unternehmensangaben im Schnitt monatlich im zweistelligen Prozentbereich. Laut einer Emnid-Umfrage haben aktuell 8 % der Internet-Nutzer ihren derzeitigen Partner online kennengelernt – Tendenz steigend. Gegründet wurde das Unternehmen u.a. von der holzbrinck networXs AG, die aktuell noch 86 % an PARSHIP hält. Von der Aufbauleistung eigener Unternehmen profitieren nach Meinung von Urban auch die anderen Beteiligungen: „Durch den Aufbau eigener Unternehmen sitzen wir nicht in einem Elfenbeinturm, sondern kennen die operativen Themen der jungen Unternehmer sehr gut.“
Das Team
An der Spitze von holzbrinck networXs steht Konstantin Urban, der heutige Vorstandssprecher. Urban zeichnete schon vor der Gründung der VC-Tochter als Bereichsleiter Neue Medien bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck für den Aufbau der Internet-Beteiligungen verantwortlich. Seit August 2000 verstärkt Martin Weber den Vorstand. Weber kennt das Venture Capital-Geschäft aus mehreren Jahren Beteiligungsmanagement bei der Bayerischen Kapitalbeteiligungs GmbH und sammelte später operative Erfahrung als CFO der Netlife AG, eines börsennotierten Anbieters von Software-Lösungen für Finanzdienstleister. Unterstützt werden die beiden Vorstände von den drei Investment-Managern Sven Achter, Christoph Jung und Dr. Lars Langusch sowie dem Juristen Michael Stephan und einem dreiköpfigen Office-Team.
Investitionskriterien
holtzbrinck networXs investiert größtenteils in erste und zweite Finanzierungsrunden von Start-ups aus den Bereichen e-Commerce mit mediennahen Produkten und Services, sowie Technologie und Marketing Enabler. „Alle neuen Themen entlang der Wertschöpfungskette eines internationalen Medienhauses sind für uns von Relevanz“, so Urban. Die Größenordnung der Investments liegt in der ersten Finanzierungsrunde zwischen 0,5 und 1,5 Mio. Euro. Durch Nachinvestitionen kann sich das Gesamtinvestment auf bis zu 2,5 Mio. Euro belaufen. Reine Seed-Investitionen werden laut Martin Weber nicht getätigt: „Auch wenn die Renditechancen bei Seed-Investments sehr hoch sein mögen, verzichten wir auf Investitionen in Unternehmen, bei denen noch keine Kunden und/oder Umsätze vorhanden sind“, sagt Weber und verweist auf die Möglichkeit, sich bei deutlich geringerem Risiko in einer zweiten Finanzierungsrunde mitbeteiligen zu können; die Unternehmenswerte sind dann in Relation zum Risiko oft günstiger.
Aktuell wenig Investitionsmöglichkeiten im Mediensektor
Die momentane Flaute im Mediensektor verschafft dem Team von holtzbrinck networXs indes genügend Zeit, um die bestehenden Investments bestens zu betreuen. „Wir sind an den Unternehmen schon sehr nahe dran, legen viel Wert auf genaues Controlling“, erläutert Martin Weber. Arbeitsintensiv sind zudem jene Unternehmen, die einst als Eigengründungen mit ins Leben gerufen wurden. Neue, spannende und erfolgversprechende Investments, die innerhalb des relativ engen Focus der Münchner liegen, kennt Weber aktuell nur wenige: „Das Interesse für Neugründungen im Mediensektor ist derzeit äußerst gering. Es treffen zwar eine Menge an Businessplänen ein, aber in die engste Auswahl kommen vielleicht vier bis fünf Unternehmen pro Jahr“, erklärt Weber und fügt an: „Als Corporate Venture Capital-Gesellschaft eines der größten deutschen Medienhäuser investieren wir ausschließlich in junge Unternehmen, die einen Medienbezug haben. Wir sind sehr zufrieden, daß wir uns trotz der Kapitalmarktentwicklung und der Probleme vieler Medienunternehmen in diesem für uns doppelt schwierigen Umfeld so gut gehalten haben. Welcher VC verfügt über eine so hohe Quote profitabler Unternehmen wie wir? Wir haben gut investiert und genießen nach wie vor das Vertrauen der Gesellschafter und sind immer auf der Suche nach vielversprechenden jungen Unternehmen.“
Exkurs: Der Einstieg bei Bol.com
Dank der geringen Anzahl spannender Frühphaseninvestments blieb dem holtzbrinck networXs-Investmentteam zuletzt auch die Zeit, Chancen im Bereich der Finanzierung späterer Unternehmensphasen zu nutzen. Im Mai dieses Jahres übernahm holtzbrinck networXs zusammen mit dem T-Online Venture Fund und der Verlagsgruppe Weltbild den niederländischen e-Commerce-Anbieter Bol.com, eine ehemalige Tochter des Bertelsmann-Konzerns. Die drei Investoren, die bereits Gründungsgesellschafter bei der in Augsburg ansässigen Booxtra KG sind, beteiligten sich zu jeweils gleichen Teilen über eine gemeinsame Firma an dem Internethändler. „Die Übernahme von Bol.com ist ein Beweis für die bisher erfolgreiche Zusammenarbeit der drei Investoren. Bol.com ist wie Booxtra/Buecher.de ein führender nationaler Online-Buchhändler in Europa“, ließ Urban bei Veröffentlichung des Deals verlauten. Zwar handelte es sich bei Bol.com nicht um ein Frühphaseninvestment – der im Raum stehende Preis sowie das Potential des Unternehmens machten die Akquisition jedoch zu einem äußerst interessanten Engagement.
Exit
Trotz des kurzen Bestehens kann holtzbrinck networXs bereits auf drei Exits, die alle als Trade Sale durchgeführt wurden, verweisen. So wurde Jobline, der europäische Online Recruiter, an den amerikanischen Marktführer Monster verkauft. Learn United wurde an das Bildungshaus (Zusammenschluß von Schulbuchverlagen wie Diesterweg und Schroedel) veräußert und die Immobilienbörse Immowelt vor kurzem an die ISA, eine gemeinsame Online-Rubriken-Initiative der Zeitungsverlagsgruppen Georg von Holtzbrinck, Ippen und WAZ.
Johannes Sterzinger