Die Umstellung auf die Marktwirtschaft unterstützen
Auf Initiative der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) und mit Unterstützung der Regierungen der G7-Staaten wurden Mitte der neunziger Jahre elf Regional Venture Funds (RVFs) in den verschiedenen Regionen Rußlands aufgelegt. Die Fonds sollten russische Unternehmen bei der Umstellung auf die Marktwirtschaft unterstützen und die private Wirtschaft und das Unternehmertum stärken. In Deutschland suchte die Kreditanstalt für Wiederaufbau die Fondsmanager aus. Es gelang der Frankfurter Quadriga Capital, das Mandat gegen namhafte Konkurrenz zu gewinnen. Das Quadriga-Team arbeitet bereits seit Mitte der achtziger Jahre zusammen und betreut zur Zeit ein Fondsvolumen von insgesamt etwa 370 Mio. Euro.
Investments in die Regionen eines großen Landes
Seit 1995 verwaltet Quadriga Capital Russia über das St. Petersburger Büro die Mittel des St. Petersburg Regional Venture Fund (30 Mio. US-$), drei Jahre später wurde in Nizhni Novgorod eine Repräsentanz für den Central Russia Fund (30 Mio. US-$) eröffnet. Insgesamt arbeiten gegenwärtig zehn Professionals in den Büros, davon sind nur zwei Ausländer. Die Fonds sind nahezu vollständig in etwa zwölf kleine und mittlere Unternehmen verschiedener Branchen investiert. „Wir haben uns an Unternehmen beteiligt, die im lokalen Markt über eine führende Marktposition verfügen und durch ein erfolgreiches Management geführt werden“, erläutert Dr. Reinhard Kohleick, Geschäftsführer von Quadriga Capital Russia die Strategie der vergangenen Jahre. Die Schwerpunkte lagen dabei auf Unternehmen, die für den unmittelbaren täglichen Bedarf produzieren. Dabei handelt es sich um lokale Marktführer, die ihre starke Stellung noch der alten kommunistischen Wirtschaftsstruktur verdanken, diese jedoch unter den neuen Rahmenbedingungen aktiv ausbauen, oder um Anbieter von für Rußland neuen Produkten und Dienstleistungen wie z.B. eine führende Apothekenkette.
Die Strategie überdauert den Crash
Mit dieser Strategie haben die von Quadriga Capital Russia betreuten Fonds auch den Zusammenbruch des Finanzsystems im Jahr 1998 gut überstanden. „Für unsere Unternehmen waren die Auswirkungen unter dem Strich positiv“, stellt Dr. Kohleick fest „durch die Abwertungen konnten sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importen wesentlich verbessern.“ Im Mittel zeigte das Gesamtportfolio über nunmehr vier Jahre Umsatz- und Ertragszuwächse von jährlich rund 30 %. Entsprechend konnte Quadriga Capital Russia das investierte Kapital bei zwei Exits innerhalb von drei Jahren verdoppeln. In einigen Branchen hat man aber auch weniger gute Erfahrungen gemacht. So wird man sich in Zukunft im Grundstoffbereich (Holzindustrie) und bei allen Produkten, die staatliche Lizenzierungen und Genehmigungen erfordern, zurückhalten.
Ein neuer Fonds wird aufgelegt
Die erfolgreiche Investmentstrategie von Quadriga Capital Russia führte dazu, daß Ende 2002 zusätzliches Kapital für einen neuen Fonds aufgenommen werden konnte. Investoren sind wiederum die EBRD (45 Mio. US-$) und die Weltbanktochter IFC (20 Mio. US-$). Das vorgesehene Gesamtvolumen des Fonds ist 120 Mio. US-$, für die noch fehlenden 55 Mio. US-$ hat das Fundraising begonnen. Als potentielle Investoren hat Quadriga Capital Russia institutionelle Anleger und Corporate Venture Funds im Auge. „Unternehmen können sich auf diesem Weg auch Zutritt zum russischen Markt verschaffen, Informationen gewinnen und Know-how aufbauen“, sagt Dr. Kohleick. Auch für Quadriga sei es natürlich attraktiv, Anleger mit Industrieerfahrung im Investorenkreis zu haben. Die Größe des Fonds hält er für optimal. „Die typische Unternehmensgröße ist in Rußland noch gering, Fonds mit mehr als 150 Mio. US-$ Volumen sind daher eher überdimensioniert.“
Bekannte Entwicklungen werden nachgeholt
Die Investments des neuen Fonds werden ähnlich wie bei den bestehenden Fonds einen Schwerpunkt bei Konsumgüterproduzenten für den russischen Markt haben. Aber auch lokale Distributionsunternehmen sind attraktive Targets, da die Konsolidierung des Handels in Rußlands gerade erst begonnen hat. Im Aufbau sind auch viele Dienstleistungsbranchen, an die man sich in westlichen Ländern schon längst gewöhnt hat. So gibt es trotz eines erheblichen Bestandes an alten Autos keine Car Services, die diesen Namen verdienen. Und auch unabhängige Finanzdienstleister analog zu MLP und AWD stecken noch in den Kinderschuhen. Weitere attraktive Investitionsmöglichkeiten sieht Dr. Kohleick in der Zulieferindustrie für den Grundstoffsektor. „Die Öl- und Gasunternehmen verfügen über hohe Barmittel und ein stabiles Geschäft. Die benötigten Ersatzteile werden größtenteils lokal gefertigt, darüber hinaus besteht eine hohe Nachfrage nach relevanten Dienstleistungen.“
Corporate Governance und persönliche Beziehungen
Befragt nach den Besonderheiten des Wirtschaftens und Investierens in Rußland, betont Dr. Kohleick eher die Gemeinsamkeiten – zumindest bei Unternehmen, die nach der politischen Wende gegründet wurden oder solchen, die von neuem Management geführt werden: „Bei neuen Unternehmen findet man die gleichen Strukturen wie im schwäbischen Mittelstand.“ Bei Unternehmen sowjetischer Provenienz könne man sich dagegen nicht unbedingt darauf verlassen, daß die Regeln der Corporate Governance eingehalten würden. Allerdings basiere generell noch mehr auf informellen Regeln und Beziehungen. Das Vertrauen in institutionalisierte Verfahren sei noch nicht so groß. Daher sei es sehr wichtig, mit den Managern auch räumlich nah am Investment zu sein.
Die Fortschritte sind unübersehbar
Bezüglich der Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die seit der kürzlichen Verhaftung von Mikhail Khodorkowsky im Ausland wieder mit mehr Sorge betrachtet wird, zeigt sich Dr. Kohleick zufrieden und optimistisch. „Es ist sicherlich ein allmählich voranschreitender Prozeß, der auf dem Erbe der Sowjetunion aufbauen mußte. Es ist aber beachtenswert, was seit der Regierungsübernahme Putins geschaffen wurde.“ Ermutigend sei insbesondere, daß existierende Probleme, etwa mit der unteren Bürokratie, angesprochen würden und zurückgingen. Auch die Rechtssicherheit habe sich deutlich verbessert.
Ralf Thielemann
Investmentkriterien Quadriga Capital Russia
– Alle Branchen (mit Ausnahme der von EBRD und IFC ausgeschlossenen)
– Zur Rationalisierung, Modernisierung oder Expansion der Produktionskapazitäten
– Das Unternehmen muss zu mindestens 75 % in privater Hand sein
– Das Kapital soll der Finanzierung von Investitionen und Working Capital dienen
– Höhe 3 bis 15 Mio. US-$
– Größere Investments mit Co-Investoren möglich