Selbstregulierende Märkte

Alle Jahre wieder sorgt die European Venture Capital Association mit ihrer Benchmarkstudie für Aufsehen in der deutschen Private Equity-Industrie. Oder sollte man besser sagen für Ernüchterung? Wie bei den Vorerhebungen der Jahre 2004 und 2003 werden die steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland auch 2006 als verbesserungswürdig bewertet. Mit 2,15 Punkten auf einer Skala von 1,0 bis 3,0 reicht dies gerade einmal für Platz 20 von 25 bewerteten Ländern in Europa. Lediglich in Polen, der Slowakei, Tschechien, Slowenien und Rumänien herrschen für Limited wie General Partner widrigere Voraussetzungen vor.

Dennoch scheint der Hunger der angelsächsischen Buyout-Häuser auf deutsche Unternehmen ungebrochen. Dabei können in Zeiten von Anlagedruck und hohen Kaufpreisen dank zunehmendem Wettbewerb auf der Käuferseite auch Verkäufer und Arbeitnehmer punkten. So geschehen beim Verkauf der Linde-Gabelstaplersparte Kion. Die Private Equity-Investoren mussten ihre Strategie nicht nur dem Management von Linde vorstellen, sondern auch den Betriebsräten. Nur dank erheblicher Zugeständnisse in Form von Arbeitsplatzgarantien und Vereinbarungen zur Standortsicherung bekamen KKR und Goldman Sachs den Zuschlag für die Tochter des Dax-Unternehmens. Das Beispiel könnte Schule machen: Schließlich kann ein späteres Scheitern eines ausgegliederten Unternehmens das Image des Verkäufers in der Öffentlichkeit beschädigen – wie Siemens ein Jahr nach dem Verkauf seiner Mobiltelefonsparte an BenQ zu spüren bekommt. Die Forderungen von Linde erfüllten daher auch keinen karitativen Zweck, sondern dienen dem Schutz der Marke „Linde“ vor einem möglicherweise eintretenden Imageverlust, den Entlassungen bei Kion oder eine Überschuldung der Gesellschaft durch den Käufer zur Folge haben könnten. Die Überlegung: Unternehmen, die durch überzogene Rekapitalisierungen, zu hohe Fremdkapitalquoten oder schlichtes Missmanagement nach einem Eigentümerwechsel beschädigt werden, ziehen nicht nur den Ruf des neuen Eigentümers in Mitleidenschaft, sondern können auch dem Bild des Verkäufers in der Öffentlichkeit schaden. Daher sollte dieser aus rein betriebswirtschaftlichem Kalkül weitere Faktoren als einen möglichst hohen Kaufpreis in seine Ziele beim Verkauf eines Geschäftsbereichs oder Tochterunternehmens mit einbeziehen. Die Zugeständnisse der Käufer im Fall Kion dürften auch Arbeitnehmern und Politikern gefallen – und kamen ganz ohne die Gesetzeskeule, sondern allein aus Marktkräften zustande.

Auch das VentureCapital Magazin stellt in seiner Jahresschlussausgabe neben dem schon traditionellen Jahresausblick ab S. 10 soziale Aspekte etwas stärker in den Vordergrund: im Executive Talk mit Matthias Horx auf S. 26-27, dem Interview mit Christian Angermayer auf S. 30-31, dem Exkurs auf S. 53 sowie dem Investorenportrait „BonVenture“, dem ersten sozial orientierten Private Equity-Fonds im deutschsprachigen Raum auf S. 38-39.

 

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