Geschwindigkeitsrekord beim Fundraising
„Unter der damaligen Gesellschafterstruktur war der weitere Ausbau des Senders einfach nicht möglich.“ Ohne Bedauern spricht die ehemalige 9Live-Geschäftsführerin Christiane zu Salm über vergebene Chancen bei dem Callin-Kanal. Weder konnte sie 9Live internationalisieren noch Online-Gaming integrieren oder einen Mehrwertdienstleister erwerben. Warum sie stattdessen pure Energie verströmt, wird im nächsten Satz klar: „Statt nur eine Firma zu managen, kann ich jetzt endlich mein eigenes Portfolio aufbauen.“ Dazu hat die erfolgreiche Medienunternehmerin im April den Venture Capital-Fonds About Change Ventures (ACV) aufgelegt. Die damals angekündigten 100 Mio. Euro hat sie bereits eingesammelt und dürfte damit den Geschwindigkeitsrekord für den First-Time-Fund eines Branchennovizen halten. Die Mittel stammen aus ihrer eigenen Schatulle sowie von einem ins titutionellen und verschiedenen privaten Investoren. Das Geld soll weltweit in junge Unternehmen investiert werden, die über außergewöhnlich hohes Innovationspotenzial in Kernbereichen digitaler Medien- und Marktentwicklungen verfügen. Insgesamt drei Schwerpunktbereiche hat zu Salm definiert: TV-Content, Digital Advertising und Mobile Services. Noch stünden alle drei Bereiche relativ isoliert für sich, in naher Zukunft würden sie jedoch miteinander zu tun haben, so die Münchnerin. Wenn Handy-TV und mobiles Internet Alltag sind, will sie den klassischen TV-Content auf den Online- und Mobile-Bereich erweitern. Im Gegenzug werde digitale, zielgerichtete Werbung die Ausrichtung der Fernsehsender in den nächsten Jahren verändern. In allen Feldern ist ACV bereits mit Portfoliofirmen aktiv.
Von Matuschka zu Sequoia
Die Medienkompetenz der Verlegerstochter zu Salm ist unbestritten. Sie leitete zwei Jahre das Kinderprogramm der UFA Fernsehproduktion, bestimmte drei Jahre die Geschicke von MTV Deutschland und baute den Frauensender TM3 zum kommerziell erfolgreichen Call-in-Sender 9Live um. Ungewöhnlich für einen VC-Neuling: Sie schnupperte bereits Branchenluft beim ersten deutschen Private Equity-Haus – während ihres Studiums jobbte zu Salm bei der Matuschka Gruppe. Aus der „Kaderschmiede“ der deutschen Private Equity-Branche gingen auch schon Rolf C. Dienst (Wellington Partners, BVK-Präsident) oder Thomas U. W. Pütter (Allianz Capital Partners) hervor. Frisches Wissen sammelte zu Salm dann bei einem mehrmonatigen „Studienaufenthalt“ in den USA. Sie recherchierte viel, hörte sich zahlreiche Erfahrungsberichte von Unternehmern sowie Investoren an, warf einen kurzen Blick hinter die Kulissen der Silicon Valley-Legende Sequoia Capital und nahm einige Anregungen mit nach Deutschland. „Sequoia hat mich überzeugt, dass die Märkte den Unterschied machen, nicht das Management. Aus den sonstigen Gesprächen habe ich gezogen, dass man als Investor schlank aufgestellt sein sollte.“ Diesen Rat hat sie beherzigt. Mit Robert Maier, der u. a. bei UBS und Merrill Lynch Erfahrungen sammelte, arbeitet nur ein weiterer Investment Professional bei ACV. Alle weiteren Services werden im Bedarfsfall eingekauft.
Die Welt in drei Jahren
In nur sechs Monaten hat ACV einen imposanten Stock von sieben Beteiligungen aufgebaut – eine erstaunliche Leistung für einen Fonds, der erst im April 2007 gegründet wurde. Allerdings brachte zu Salm fünf Firmen aus ihrem privaten Portfolio ein, lediglich die Ticketbörse Viagogo und das Finanzportal Sharewise sind neue Investments. Bei zukünftigen Engagements zählen für zu Salm vor allem zwei Aspekte, damit Geld fließt: „Natürlich muss das Management extrem überzeugen, aber noch wichtiger ist, ob sich für eine sehr gute Idee ein Markt entwickelt. Unsere Investitionen sind klar von unserer Einschätzung getrieben, wie die Welt in drei Jahren ausschaut.“ Wenn nach der Due Diligence eine positive Investitionsentscheidung fällt, will ACV bevorzugt die Rolle des Lead-Investors einnehmen. „Medien sind mein angestammtes Revier. Dann will ich auch in der Lage sein, bestimmte Interessen durchzusetzen“, erklärt zu Salm. In angrenzenden Bereichen außerhalb ihrer Kernkompetenz steigt sie auch als Co-Investor ein. Ein solcher Fall ist die Beteiligung an Viagogo, zu dessen illustrem Investorenkreis neben Index Ventures auch LVMH-Chairman Bernard
Arnault, der deutsche Medienhändler Herbert Kloiber sowie Lord Jacob Rothschild gehören.
Breiter Korridor für Investitionen
Ein eng definierter Korridor für die Größe von Zielunternehmen oder die Höhe der zu investierenden Mittel existiere nicht. Allein der Anlass zähle, erläutert zu Salm ihre Investmentphilosophie: „Wir wollen Minderheitsbeteiligungen bis 25% an bereits profitablen Unternehmen eingehen. Nur im Ausnahmefall investieren wir in Start-ups.“ Als untere Grenze hält sie rund 2 Mio. Euro für realistisch, als obere bis zu 15 Mio. Euro. Offen lässt sie auch die Zahl der geplanten Beteiligungen. Quantität habe keine Bedeutung, es komme allein auf die Qualität an. Bei der Haltedauer formuliert sie präzisere Vorstellungen – drei Jahre sollten es schon sein, um die Unternehmen nachhaltig zu entwickeln. In dieser Zeit können die Portfoliounternehmen intensive Unterstützung erwarten, denn nur eine aktive Rolle erlaube es ihr, signifikant zur Wertsteigerung beizutragen. Sollten sich jedoch schon frühere lukrative Exitmöglichkeiten ergeben, entscheide sie pragmatisch, ebenso bei der Frage nach Trade Sale oder IPO. Einen zu genauen Blick in die Glaskugel, was in den kommenden Monaten zu erwarten ist, will zu Salm nicht gewähren. Zwischen zwei und fünf Firmen habe sie aber schon konkret auf dem Radar.
Fazit:
Die gestandene Medienunternehmerin Christiane zu Salm hat sich mit digitalen Medien- und Marktentwicklungen ein spannendes Betätigungsfeld ausgesucht. Aufgrund ihrer Medienerfahrung und der Beschränkung, vorrangig in bereits profitable Unternehmen zu investieren, sollte sie das Verlustrisiko begrenzen können. In nur sechs Monaten konnte sie außerdem einen ordentlichen Stock von sieben Portfoliounternehmen aufbauen. Ob sie in ihrem zweiten Leben als Finanzinvestorin so große Erfolge wie als Fernsehmacherin einfährt, wird sich jedoch erst in ein paar Jahren zeigen.
Torsten Paßmann
Steckbrief About Change Ventures
- Standort: München
- Gründungsjahr: 2007
- Gesellschafter: Christiane zu Salm, institutionelle und private Investoren
- Anz. Investment Professionals: 2
- Anzahl Beteiligungen: 7
- Derzeit verwaltetes Kapital: 100 Mio. Euro
- Website: www.about-change-ventures.com
Investitionsschwerpunkte
- Phasen: Later Stage, Growth
- Kriterien: Marktchancen, Gründerteam/Management, Alleinstellungsmerkmale
- Branchen: Internet, TV, Advertising
- Region: weltweit