VC Magazin: Herr Vinnen, wie entstand die Idee, eine Wareneinkaufsfinanzierung anzubieten?
Vinnen: Obwohl der Grundgedanke von Finetrading auf der Hand liegt, gaben erst unterschiedliche Studien über den Finanzierungssektor den finalen Impuls, eine Wareneinkaufsfinanzierung, unter Nutzung der von Lieferanten gewährten Skonti, anzubieten. Die Erfahrung zeigt, dass gut zwei Drittel der Unternehmer in Deutschland gewährte Skonti nicht ausnutzen und kein aktives Management ihres Umlaufvermögens betreiben. Somit hat uns der Markt den Anstoß für Finetrading gegeben.
VC Magazin: Herr Martetschläger, welche Rolle spielt Finetrading im Finanzierungsmix der Schnell-Gruppe?
Martetschläger: Als mittelständisches Unternehmen nutzen wir neben WCF natürlich auch klassische Banklinien, zudem Schuldscheindarlehen und Mezzanine-Kapital. Finetrading ist sehr flexibel einsetzbar und bietet damit gegenüber einem starren Mezzanine-Produkt einen Vorteil. Finetrading nimmt man in Anspruch, wenn man es braucht, und zahlt, wann man kann.
VC Magazin: Welchen Einfluss hat der Einsatz von Finetrading auf den Kreditrahmen bei Banken?
Martetschläger: In der Bilanz und der Saldenliste taucht WCF als Lieferant auf, in unseren Verhandlungen mit Finanzinstituten war das aber bisher überhaupt kein Thema.
Wagner: In der Regel wird unser Engagement von Kreditgebern positiv gesehen: Wir bekommen derzeit verstärkt Anfragen von Banken, die aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage ihre Linien für bestimmte Unternehmen nicht erhöhen können und uns daher als ergänzenden Finanzierungspartner mit ins Boot nehmen wollen. Somit hat Finetrading eine ergänzende Wirkung.
VC Magazin: Besagte Banken fallen in jüngster Zeit mehr denn je durch eine rigorose Due Diligence vor der Kreditvergabe auf. Wie sieht der Prüfungsprozess bei der WCF Finetrading AG aus?
Martetschläger: Wir haben mit WCF nach der Vorlage verschiedener Unterlagen wie testierter Jahresabschlüsse und BWAs sowie einem Gespräch über die Unternehmensplanung rasch einen Rahmenvertrag geschlossen.
Vinnen: Bei der Prüfung der Unterlagen setzen wir auf unsere eigene Kreditabteilung und damit eine individuelle Betrachtung. Für uns steht dabei im Mittelpunkt, was wir für den Kunden erwerben: Kann er diese Waren innerhalb von maximal 120 Tagen handeln und damit wieder Liquidität generieren?
VC Magazin: Nach welchen Kriterien wird das maximale Volumen festgelegt, für das WCF im Kundenauftrag einkauft?
Wagner: Jeder Finetrading-Kunde wird von uns bei Euler Hermes kreditversichert. Das maximale Risiko, das dieser Kreditversicherer übernimmt, stellt das Limit dar, welches wir dem jeweiligen Kunden einräumen.
VC Magazin: Sind WCF-Kunden verpflichtet, sämtliche Einkäufe über Finetrading abzuwickeln?
Martetschläger: Nein, das bleibt uns überlassen. Wir haben eine relativ heterogene Lieferantenstruktur und nutzen Finetrading vorrangig für unsere größten Lieferanten ScanDiesel und Hoeckle. Natürlich spielt bei dieser Entscheidung auch unsere Liquiditätsplanung eine wichtige Rolle: Im eher umsatzschwachen ersten Halbjahr nutzen wir Finetrading zur Sicherung der Liquidität; im zweiten Halbjahr, um das Working Capital öfter umschlagen zu können.
Wagner: Unsere Kunden entscheiden selbst, ob sie die WCF-Linie nutzen wollen und wenn ja, für welchen Lieferanten und in welcher Höhe.
VC Magazin: Der Finetrading-Anbieter tritt als Besteller beim Lieferanten auf und veräußert die erworbenen Güter an seinen Kunden weiter. Wie reagieren Lieferanten auf den Vorschlag, einen ihnen in den meisten Fällen wahrscheinlich unbekannten Dienstleister wie WCF als Geschäftspartner zu akzeptieren?
Vinnen: In der Tat besteht hier ab und an Überzeugungsarbeit. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass viele Lieferanten nach positiven Erfahrungen der Abwicklung auf uns zukommen und Finetrading sogar anderen ihrer Kunden empfehlen. Gerade in der jetzigen Zeit sind Lieferanten froh, wenn ihre Rechnungen zeitnah beglichen werden.
Martetschläger: Einem unserer Lieferanten war es tatsächlich wichtig, über WCF Informationen einzuholen und das Unternehmen zu prüfen. Innerhalb einer Woche wurde dieser Prozess jedoch abgeschlossen.
VC Magazin: Wie refinanziert sich die WCF Finetrading AG?
Vinnen: Wir sind eine 100%-Tochter einer österreichischen Beteiligungsgesellschaft. Über diese konnten wir anfangs auf verschiedene Refinanzierungsinstrumente zugreifen. Mittlerweile arbeiten wir jedoch völlig eigenständig, vorrangig mit Kreditinstituten, aber auch Factoringgesellschaften, und nutzen den Kapitalmarkt als Quelle.
VC Magazin: Der liquiditätssteigernde Effekt von Finetrading im Wareneinkauf ähnelt der Wirkung von Factoring auf der Absatzseite. Was spricht für das eine, was für das andere?
Wagner: Beide Instrumente haben eine komplementäre Wirkung und schließen sich keineswegs gegenseitig aus. Durch den Einsatz von Finetrading und die damit einhergehende optimierte Wareneinkaufsfinanzierung bringen wir ein Unternehmen möglicherweise erst in die Lage, dass es nach dem Verkauf fertiger Güter Factoring nutzen kann.
Vinnen: Ein wesentlicher Unterschied ist die zuvor bereits angesprochene Flexibilität. Zur Vermeidung von Klumpenrisiken verlangt ein Factorer in der Regel, dass alle Kundenrechnungen in Liquidität gewandelt werden. Diese Auflage gibt es beim Finetrading nicht.
Martetschläger: Wir haben natürlich auch Factoring geprüft. Unserer Kundenstruktur vom industriellen Biogasanlagenbauer bis hin zum Landwirt ist eine Globalzession jedoch schwer vermittelbar. Factorer tun sich zudem schwer mit der Bewertung der Risiken, wenn wir mit Kunden Ratenzahlungen vereinbaren.
VC Magazin: Wie wird sich der Stellenwert alternativer Finanzierungsformen über die nächsten Jahre verändern?
Martetschläger: Unternehmen brauchen in der jetzigen Phase Alternativen zum Bankkredit. Vielen Mittelständlern brechen nach sehr guten Jahren die Märkte weg. Daraus folgen große Lagerbestände, die sich nicht mehr umschlagen lassen, und eine rasant wachsende Bedeutung des Themas Working Capital. Diese Probleme kann Finetrading nicht allein lösen, sondern es werden weitere Konzepte wie eine Lagerfinanzierung gebraucht.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Zu den Gesprächspartnern
Die 1992 gegründete Schnell Zündstrahlmotoren AG & Co. KG mit Sitz im Allgäu beschäftigt rund 160 Mitarbeiter. Peter Martetschläger ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Schnell Motoren AG. Die Unternehmensgruppe ist auf den Bau von Aggregaten für Biogasanlagen spezialisiert und erzielte 2007 einen Umsatz von ca. 42 Mio. Euro. Die WCF Finetrading AG wurde im Jahr 2003 gegründet und hat ihren Sitz in München. Thomas Vinnen ist Vorstand der WCF Finetrading AG, Clemens Wagner Geschäftsführer der WCF Vertriebs GmbH.