Den Nährboden für dieses rapide Wachstum bildete eine stark wachsende und sich zunehmend globalisierende Weltwirtschaft. Außerdem durchlief die Private Equity-Branche eine sehr dynamische Evolution, von einer kleinen boutiquengeprägten Spezial-Investmentaktivität zu einer regelrechten Branche der Finanzindustrie. Hierbei standen volkswirtschaftlich begründete Nachfrage-Treiber für Private Equity-Kapital auch entsprechenden Angebots-Treibern gegenüber. Es entwickelte sich ein Markt für Private Equity-Finanzierungen als Lösungsanbieter für unterschiedlichste Problemstellungen der Unternehmenslandschaft, der heute den vollen Bogen von Gründungskapital bis zu Buyout-Kapital und Sanierungsfinanzierungen umspannt.
Private Equity ist heute ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor. So beschäftigten im Jahr 2008 Private Equity-finanzierte Unternehmen in Deutschland rund 1,2 Mio. Mitarbeiter und erwirtschafteten Jahresumsätze in Höhe von rund 212,1 Mrd. Euro, was einem Anteil von etwa 8,5% am Bruttoinlandsprodukt entspricht. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass sich die Private Equity-Aktivität an die Zyklen der Konjunktur und der Kapitalmärkte anlehnt. Entsprechend hat sie auch in der Vergangenheit ihre eigenen Blasen erlebt (z. B. 1989/ 1990 sowie in der Hightech-Blase in den späten 90ern bzw. Anfang dieses Jahrtausends).
Als Finanzierungsbeitrag für eine Welt im Wandel befriedigt Private Equity die Nachfrage nach alternativen Finanzierungsformen. Dieser Bedarf entsteht in Deutschland zum Teil aufgrund von global gültigen Faktoren, ist zum Teil aber auch auf rein spezifisch deutsche Entwicklungen zurückzuführen. Sei es die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen, die sich immer schneller drehenden Investitionszyklen im Wettbewerb um technologischen Vorsprung, der Fokus auf Shareholder Value als Maßstab für erfolgreiche Unternehmensführung oder die Fokussierung auf Kerngeschäfte, die Veräußerung ungeliebter Konzerntöchter, die Schnelllebigkeit von Produktzyklen getrieben durch globalen Wettbewerb: All dies erhöht den Kapitalbedarf.
Die Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen und Regulierungen hatten ebenfalls einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss. So löste die deutsche Wiedervereinigung einen beträchtlichen Finanzierungsbedarf für die neuen Bundesländer aus. Auch der Privatisierungsbedarf der Treuhandanstalt und der Verdrängungseffekt im heimischen Kapitalmarkt waren deutschlandspezifische Phänomene. Die Einführung des Euros und die Festigung der Europäischen Union, globale Handelsabkommen, die Harmonisierung von Bilanzrichtlinien und die Einführung regulatorischer Maßnahmen, wie z. B. Basel II, förderten darüber hinaus die Nachfrage nach neuen Finanzierungsformen. Nicht zuletzt erlebte Deutschland in den letzten 20 Jahren im Mittelstand, aber auch in den Managementetagen der Großindustrie den erwarteten Generationenwechsel. Mittelständler wurden zunehmend zum Verkauf gestellt, und auf Shareholder Value fokussierte Managementteams konzentrierten sich zunehmend auf ihr Kerngeschäft und trennten sich von Unternehmensbereichen.
Die Nachfrage nach Private Equity-Kapital wurde befriedigt durch ein entsprechendes Angebot an Investitionsmitteln. Denn in einer Welt fallender Zinsen suchten Investoren höhere Renditen. Wachsende Volumina an vererbtem Privatvermögen suchten passende Anlagemöglichkeiten. Institutionelle Anleger entwickelten Modelle mit diversifizierten Rendite-Risikoprofilen, in denen alternative Anlagen zu einer festen Größe geworden sind. Die Globalisierung der Finanzmärkte selbst bedeutete vermehrten Zufluss internationalen Kapitals, welches sich nach Investitionen in die viel versprechenden Regionen der Welt sehnte. Vor diesem Hintergrund wurde Private Equity zunehmend als Anlagekategorie akzeptiert.
Es spricht vieles dafür, dass Private Equity weiterhin seinen Beitrag als Finanzierungslösung leisten wird. Denn die Welt verändert sich weiter und vielleicht aufgrund der jüngsten Krise noch dramatischer, als zuvor angedacht. Ein Markt für Private Equity-Finanzierungen wird allein aufgrund der zuvor beschriebenen Dynamik von Angebot und Nachfrage weiter bestehen. Die Unkenrufe derer, die meinen, dass Private Equity durch die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise tödlich verwundet wurde, verstehen nicht, wie dynamisch und innovativ die Branche ist. Viel wird darüber geredet, dass einige Private Equity-Unternehmen die jetzige Krise nicht überleben werden. Diesen Ausleseprozess gab es aber immer schon. Private Equity lebt von dem darwinistischen Prinzip des Überlebens des Stärksten. Und dennoch werden wir sehen, inwiefern und wie schnell sich die Branche den neuen Herausforderungen anpassen kann. Es ist schon heute zu beobachten, wie sich die Rahmenbedingungen kurzfristig wie langfristig ändern werden. Historische Treiber werden durch neue ersetzt werden, aber dies kann sich nicht nur als fördernd, sondern zum Teil auch als wachstumshemmend entpuppen.
Kurzfristig führt die dramatisch gestiegene Risikoaversion der Anleger zu einer erheblichen Minderung des zur Verfügung stehenden Kapitals. Die Statistiken belegen dies in beeindruckender Weise. Doch gut gemanagtes Risikokapital wird gerade jetzt von der Wirtschaft benötigt. Die Branche wird konfrontiert werden mit neuen Arten staatlicher Aufsicht und Regulierung in einem Versuch, Exzesse der jüngsten Vergangenheit für die Zukunft zu verhindern, aber leider auch, um politischen Zwängen Genüge zu tun. Die Branche wird eingehen müssen auf die Forderungen nach mehr Transparenz. Und sie wird sich rechtfertigen müssen in einer Welt, in der sich Wertmaßstäbe verändern, Antworten finden müssen auf die Fragen nach Stakeholder Value, Corporate Social Responsibility und die Werte der Sustainability-Bewegung. Das bedeutet, um Darwin gerecht zu werden, dass Geschäftsmodelle angepasst und weiter verfeinert werden müssen. Echte Wertschaffung wird das Mantra der Zukunft für die nächsten Jahre sein. Finanzakrobatik und Arbitrage sind nicht nur nicht mehr möglich, sondern werden auch geächtet.
Mittel- und langfristig entsprechen die Herausforderungen der Branche jenen der Weltwirtschaft. Die entwickelten Länder schrumpfen aufgrund niedriger Geburtenraten. Schätzungen zufolge wird die arbeitende Bevölkerung in Deutschland in 20 Jahren 30% kleiner sein als heute. Produktionsindustrie wird exportiert, die Dienstleistungsgesellschaft soll wachsen.
Das Wachstum der Weltbevölkerung findet in den sich entwickelnden Ländern statt. Die bevölkerungsmäßig fünf größten Länder werden in 20 Jahren voraussichtlich Indien und China (beide ca. 1,5 Milliarden), die USA (ca. 400 Mio.), Indonesien (ca. 300 Mio.) und Pakistan (ca. 250 Mio.) sein. In 20 Jahren ist China wahrscheinlich die größte Weltwirtschaft, 50% größer als die USA und 10-mal größer als Deutschland. Die am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften werden alle in Asien sein. Um zu überleben, müssen sich Unternehmen noch globaler aufstellen. Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse gilt es weiter zu flexibilisieren und mit neuen Modellen zu revolutionieren. Dieser Wandel muss finanziert werden. Die großen Herausforderungen für die Weltwirtschaft liegen heute schon auf der Hand: im Gesundheitswesen, dem Umweltwesen, im Bildungswesen und der Bewältigung von Armut. Vor diesem Hintergrund werden sich auch gesellschaftliche Grundwerte verändern.
Private Equity hat einen großen Beitrag zu leisten zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Es ist grundsätzlich innovativ, kann schnell agieren, ist lösungsgetrieben und flexibel. Die Weltordnung wird sich in den nächsten 20 Jahren fundamental verändern, und als Konsequenz der größten Finanz- und Wirtschaftskrise dieses Jahrhunderts werden die Rahmenbedingungen neu aufgestellt. Es gibt für die Branche keinen Weg zurück in die alte Welt, aber sehr wohl einen Weg nach vorne in eine neue.
Zum Autor
Thomas Pütter ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Allianz Capital Partners GmbH. Von 2001 bis 2007 war er zudem Mitglied des Vorstands des BVK, von 2005 bis 2007 als dessen Vorsitzender. Allianz Capital Partners zählt zu den führenden Direktinvestoren im europäischen Private Equity-Markt.