Liverpool und Silicon Valley
Zerteilt vom Neckar in zwei Hälften, schmiegt sich die Stadt sanft zwischen die Hügel ausgedehnter Weinberglandschaften. Auf den ersten Blick wirkt Heilbronn kaum wie ein großer deutscher Industriestandort – dennoch nennen die Bürger ihr beschauliches Städtchen „schwäbisches Liverpool“. Wahrscheinlich zu Recht, denn vor Ort sitzen beispielsweise der Automobilzulieferer Läpple, das Chemieunternehmen Brüggemann, der Schreibwarenhersteller Baier & Schneider oder der Kranhersteller Wolffkran. Darüber hinaus wird auch das Silicon Valley als Maßstab herangezogen, weil sich viele der lokalen Macher als Business Angels engagieren. „In beiden Gegenden investieren Unternehmer aus der Region in Gründer aus ihrer Nachbarschaft. Angesichts der Struktur kommen die Kapitalgeber aber natürlich aus der Old Economy statt der IT“, erklärt Thomas Villinger. Der studierte Volkswirt und Geograph ist Geschäftsführer des Zukunftsfonds Heilbronn (ZFHN), der die Schlagkraft finanziell gut ausgestatteter Business Angels bündelt.
Vom Start-up zum Mittelstand
Unter dem Ansatz, etwas vor ihrer Haustür bewegen zu wollen, haben sich vier ortsansässige Family Offices im Jahr 2005 im ZFHN zu einem Kapitalpool zusammengeschlossen. „Sie wollten nachhaltig die Region stärken und verhindern, dass forschungsnahes Wissen abwandert. Die Motivation ist aber nicht nur altruistisch, das Engagement soll sich auch auszahlen“, erklärt Villinger. Anders als beispielsweise die SAP-Gründer Dietmar Hopp oder Hasso Plattner, die sich auch mit ihrem Namen sehr aktiv in der frühen Phase engagieren, halten sich die Heilbronner Kapitalgeber als mittelständische Unternehmer typisch schwäbisch zurück. Dieser Hintergrund sorgt aber gleichzeitig für eine sehr untypische Eigenschaft eines Wagniskapitalgebers, wie Villinger darstellt. Der Zukunftsfonds Heilbronn will Gründern im Regelfall über einen langen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren zur Seite stehen. Möglich wird dies durch die Struktur als Evergreenfonds, der damit auch den üblichen Exitdruck eines VC-Investors nimmt: „Wir sind erst bereit zu verkaufen, wenn wir aus dem Start-up ein mittelständisches Unternehmen geformt haben oder es langfristig am Markt überlebt“, sagt Villinger bestimmt. Kapital scheint ausreichend vorhanden zu sein, denn bis 2010 haben seine Investoren 50 Mio. Euro zugesagt, bis 2012 weitere 25 Mio. Euro.
„Auch aus eigener Kraft finanzieren“
Zwischen 300 und 400 Businesspläne gehen pro Jahr über die Heilbronner Schreibtische, im Fokus des ZFHN stehen die Branchen Cleantech, Medizintechnik, Maschinenbau, Elektronik, Optoelektronik und IT. Bei der Standortwahl der Start-ups ist der Fonds rigoros: „Natürlich schauen wir uns auch Pläne von außerhalb an. Aber das Unternehmen muss sich hier ansiedeln“, weist Villinger auf den Knackpunkt hin. Ein Hindernis ist dieser Aspekt selten, von bislang elf finanzierten Start-ups stammen fünf aus Freiburg, Berlin, Leipzig, Dortmund und Hamburg. Zu den weiteren wesentlichen Faktoren, die für ein Investment sprechen, gehören die Plausibilität des Businessplans und ein Prototyp bzw. Proof of Concept. Hinsichtlich der Zahlen zählt weniger das Umsatzwachstum als das Ergebnis. Villinger: „Das Unternehmen soll eines Tages selbstständig sein. Den Gründern muss klar sein, dass sie sich auch aus eigener Kraft finanzieren müssen und VC nur ein Anschub ist.“ Patente seien ebenfalls sehr wichtig, als Basis für die internationale Ausrichtung, wie der Geschäftsführer des ZFHN betont. In manchen Weltregionen wie Asien komme es aber eher auf Geschwindigkeit an. Eine solche legen auch die Heilbronner an den Tag, wenn es um die Prüfung der Businesspläne und eine Entscheidung geht. Der sechsköpfige Investmentausschuss – „alle aus der Wirtschaft, keiner aus der Forschung“, betont Villinger – trifft sich ungefähr alle drei Monate.
Intensive Unterstützung des Managements
In der ersten Runde fließen je nach Phase und Branche zwischen 0,5 und vier Mio. Euro, in Summe maximal zehn Mio. Euro pro Investment. Das Kapital wird anhand von Meilensteinen ausgezahlt, die von den Gründern selbst definiert werden. „Nach ein, zwei Jahren sind viele erstaunt, wie optimistisch sie waren. In turbulenten Zeiten wie aktuell drücken wir aber auch mal ein Auge zu“, so Villinger. Angesichts einer langfristig angelegten Partnerschaft würden die Unternehmen auf keinen Fall in die Liquiditätsfalle laufen, meint er. Aufgrund der mittelständischen Ausrichtung legt der ZFHN großen Wert auf Hands-on-Management, um die Start-ups zu entwickeln. Experten mit Beratungs- und mittelständischer Kompetenz unterstützen die Unternehmer vor Ort, z. B. beim Aufbau des Vertriebs: Wie wird eine Sales-Pipeline aufgebaut, wie geht man mit Distributoren um, wie erreicht man gute Einkaufskonditionen? Diese intensive Vorgehensweise stellt aber keinen Hemmschuh für die Investitionstätigkeit dar, erklärt Villinger: „Personal ist nie der limitierende Faktor, wir stocken bei Bedarf auf.“ Das Kapitalpolster im Hintergrund macht die Start-ups auch weitgehend unabhängig von Banken. Neben Eigenkapitalspritzen kann der Fonds auch Fremdkapital zuführen, beispielsweise als Darlehen oder Mezzanine-Kapital.
Ausnahmen in beide Richtungen möglich
Die Kapitalgeber im Hintergrund halten sich bedeckt, bei der Unterstützung des Managements agiert der ZFHN als Coach, und bei der Beteiligungshöhe wird eine offene Minderheitsbeteiligung zwischen 25,01 und 49% der Anteile angestrebt. Außerdem sollen die Altgesellschafter, „die noch im operativen Geschäft aktiv sind, nicht verwässert werden“, so Villinger. Für Investments mit klassischen VC-Gesellschaften ist seine Gesellschaft dennoch offen, drei von aktuell elf Beteiligungen sind co-finanziert. Obwohl der Zukunftsfonds im Regelfall lange beteiligt bleibt und Übernahmeangebote von VC-Investoren auch schon einmal mit einem abschlägigen „Nein“ beantwortet werden, macht Villinger Ausnahmen. So stieg der ZFHN bereits nach drei Jahren bei Optotools aus: „Das war ein guter Schachzug, weil nLight aus den USA als strategischer Investor dem Unternehmen gut tut. Bei einer drohenden Zerschlagung machen wir hingegen nicht mit.“ Ebenso kann sich Villinger mit einer Beteiligung arrangieren, die länger als 15 Jahre dauert: „Von den zwischenzeitlichen Ausschüttungen kann man als Gesellschafter auch gut existieren.“
Fazit:
Der Zukunftsfonds Heilbronn ist seit vier Jahren aktiv und betreut heute elf Portfoliounternehmen, die allesamt dorthin gezogen sind. Den Schwerpunkt bilden derzeit Cleantech (vier Beteiligungen) und Medizintechnik (zwei Beteiligungen). Durch Diversifizierung – auch Biotech, IT, Maschinenbau und Optik stehen im Fokus – wirkt die Wirtschafts- und Finanzkrise nur bedingt auf den Fonds ein. Im vergangenen Jahr wurden fünf Investments getätigt, und auch für dieses Jahr schaut Geschäftsführer Thomas Villinger positiv in die Zukunft. Druck seitens der Kapitalgeber besteht nicht – die Struktur als Evergreenfonds gibt dem ZFHN die notwendige Ruhe, unternehmerische Ziele zu erreichen.
Torsten Paßmann
Kurzprofil
Firma: ZFHN Zukunftsfonds HeilbronnGmbH & Co. KG
Standort: Heilbronn
Gründungsjahr: 2005
Gesellschafter: Privatpersonen, Family Offices
Anzahl der aktuellen Beteiligungen: 11 (30.04.09)
Derzeit verwaltetes Kapital: 50 Mio. Euro
Internet: www.zf-hn.de
Investitionsschwerpunkte
Phase: Early Stage
Branchen: Automation, Industrie, Optik sowie Life Sciences, Material Sciences und Energie, Maschinenbau
Region: Deutschland