VC Magazin: Frau Dr. Ecker, wie haben sich die Anforderungen an eine Investmentbank in den letzten Jahren verändert?
Ecker: Das lässt sich nur schwer verallgemeinern. Wenn ich auf unsere Erfolgskriterien blicke, würde ich sagen, dass es heute sehr wichtig ist, nach Sektoren aufgestellt zu sein, und zwar mit einem internationalen Team. Wer z.B. an Strategen verkaufen möchte – derzeit sind wir in einem Prozess mit Asiaten, Amerikanern und Europäern –, benötigt unbedingt eine internationale Plattform und entsprechend spezialisierte Experten. Zudem ist es gerade bei größeren Transaktionen hilfreich, eine integrierte Bank zu sein und nicht nur ein M&A-Beratungshaus. Darüber hinaus gilt es, flexibel zu sein und je nach Ablauf einer Transaktion die komplette Palette – vom einfachen Verkauf bis hin zum IPO – durchführen zu können. Gerade hier wird sich künftig die Spreu vom Weizen trennen.
VC Magazin: Und wie haben sich die Anforderungen an ein Private Equity-Haus verändert, Herr Thiery?
Thiery: Private Equity-Häuser müssen zwangsläufig mit weniger Fremdkapital auskommen. Daher müssen sich Ausrichtung und Fokus der Fonds ändern. Es gilt heute mehr denn je, echte Wachstumsunternehmen zu identifizieren. Gerade Limited Partner haben derzeit wenig Interesse, die nächste Welle an Deals mit hohem Leverage zu finanzieren. Daher spielen inzwischen Fähigkeiten der operativen Begleitung von Unternehmen die ausschlaggebende Rolle.
VC Magazin: Man sagt, die besten Investments würden in Krisenzeiten eingegangen. Warum sind Private Equity-Investments dann im letzten Jahr so stark zurückgegangen?
Ecker: Weil 2009 einfach ein sehr schwieriges Jahr war, in dem alle Arten von Transaktionen zurückgegangen sind. Es war phasenweise gar nicht mehr abzuschätzen, welches Geschäftsmodell überhaupt noch funktioniert.
Thiery: In der sehr unsicheren ersten Jahreshälfte wollten wir nicht finanzieren, in der zweiten Jahreshälfte wollte niemand unser Geld. Zu Jahresbeginn stellte die Ertragslage der Unternehmen, die wir uns angesehen haben, keine kalkulierbare Basis dar, weil die Umsätze stark eingebrochen waren. Anschließend waren die Verkäufer zu verunsichert.
VC Magazin: Welche Rolle spielten die Banken?
Ecker: Auch die Banken mussten diesen Anpassungsprozess vollziehen und hatten dabei ebenso das Problem, in einer derart unsicheren Phase die Rentabilität und die Schlüssigkeit von Geschäftsmodellen zu bewerten und darauf basierend Fremdkapital zu geben.
Thiery: Insgesamt haben die Banken das Eigenkapitalproblem der Unternehmen in Grenzen gehalten, indem sie bei Refinanzierungen von Mittelständlern keinen hohen Druck ausgeübt haben. Ich hatte den Eindruck, dass mit Stundungen und Moratorien relativ großzügig verfahren und vieles ausgesessen wurde. Bei einem stärkeren Druck wäre sicher eine wesentlich höhere Zahl von Insolvenzen die Folge gewesen und auch eine höhere Nachfrage nach Eigenkapital.
VC Magazin: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Banken und Private Equity-Häusern verändert?
Ecker: Hier hat sich die Welt in den letzten Jahren einmal komplett gedreht. Vor nicht allzu langer Zeit wurden Fremdkapitalpakete zugesagt, die höher als der Kaufpreis waren. Das hat damals völlig falsche Signale gesandt. Zwischenzeitlich war es dann nahezu unmöglich, Fremdkapital zu bekommen, heute ist dies wieder in begrenztem Maße möglich. Allerdings beobachte ich – selbst bei kleinen Transaktionen – eine Fremdkapitalvergabe fast ausschließlich in Konsortien, weil der Syndizierungsmarkt noch nicht wieder funktioniert.
Thiery: In unserem Bereich, dem kleineren Mittelstand, haben wir bei Transaktionsvolumina von rund 20 Mio. EUR kein Problem, Fremdkapital zu bekommen. In dieser Größenordnung gibt es bei Wachstumsfinanzierungen nach wie vor günstige Möglichkeiten bei den Kreditinstituten, die noch Geld haben, also bei Sparkassen, Volksbanken etc.
Ecker: Meiner Meinung nach wird es ab ca. 30 Mio. EUR schwierig. Ich weiß von einem Prozess, bei dem u.a. mit Finanzinvestoren über einen dreistelligen Verkaufspreis gesprochen wird. Eine Adresse hat beschlossen, „All Equity“ einzusetzen. Ein anderer Bieter hat mit 42 Banken gesprochen und acht Commitment Letter an das Angebot gehängt, um ein Multiple auf EBITDA von 2,5 darzustellen. Ich glaube, das illustriert anschaulich, dass der Markt noch schwierig und die Bandbreite groß ist.
Thiery: Ich denke, dass auch einige Banken ihre eigenen Bilanzen noch in Ordnung bekommen müssen.
Ecker: Auf der anderen Seite habe ich gehört, dass die Citigroup schon wieder Finanzierungsschecks in Milliardenhöhe schreibt und dass bei Siemens Hörgeräte angeblich das 14-fache EBITDA aufgerufen ist. Hierzu sollte man jedoch wissen, dass dieses Multiple ein High Yield-Kapitalmarktprodukt beinhaltet, das nach anderen Regeln funktioniert und keine Sanierung der Bankbilanz beinhaltet. Und das Multiple besagt auch nicht, dass es sich bei Hörgeräten um einen wirklich stark wachsenden Markt handelt.
VC Magazin: Wie würden Sie den Wettbewerb im Midmarket-Segment aktuell einschätzen?
Thiery: Ich habe den Eindruck, dass die Wettbewerbsintensität nach wie vor hoch und dass deutlich zu viel Kapital vorhanden ist. Viele Fonds haben in den letzten Jahren teuer eingekauft und wollen jetzt – vor dem nächsten Fundraising – unbedingt noch ein paar gute Deals machen.
Ecker: Ich kann das nur unterstreichen. Letztes Jahr hat man auf dieser Konferenz gemunkelt, welche Adressen Probleme bekommen und wer aus dem Markt ausscheiden könnte. Das ist bislang nicht eingetreten. Somit sind Wettbewerbsintensität und Bewertungsniveau nach wie vor hoch, und es gibt zu wenige Assets.
Thiery: Man muss hier sicherlich differenzieren zwischen relativer und absoluter Bewertung. Die Multiples sind nicht zurückgegangen. Stark eingebrochen sind jedoch die Erträge und damit die absoluten Bewertungen. Hier liegt auch das Problem für die Unternehmer, die von einer Investmentbank vor zwei Jahren vielleicht gesagt bekommen haben: „Ihr Unternehmen ist 50 Mio. EUR wert“, und die nicht verstehen wollen, weshalb sie jetzt für deutlich weniger verkaufen sollen.
Ecker: Mittelständler denken hier einfach anders. Dass ein absoluter Preis aufgrund von Multiplikatoren heute auch ansatzweise nicht mehr darstellbar ist, können sie nur schwer nachvollziehen.
VC Magazin: Nach welchen Branchen besteht die größte Nachfrage?
Thiery: Nach allem, was stabil ist, wie z.B. Energie oder Lebensmittel. Das ist eigentlich ein klassisches Fehlverhalten, denn Private Equity-Investoren sollten antizyklisch handeln und Branchen kaufen, in denen es nicht läuft. So gilt Automotive aktuell als toxische Branche. Wenn man Investoren erklärt, dass man einen Automotive-Deal plant, schießt man sich beim Fundraising ins Abseits. Folglich traut sich leider kaum ein Investor an Automotive, und das ist schade für die deutsche Volkswirtschaft.
VC Magazin: Sehen Sie Large Buyout-Häuser, die heute eine Liga tiefer investieren?
Thiery: Ich sehe schon, dass einige große Häuser kleinere Transaktionen anschauen. Aber ich denke, dass größere Fonds hier grundsätzliche Probleme bei der Akzeptanz haben, weil sie in anderen Größen denken und den Umgang und die Zusammenarbeit mit Familienunternehmern und kleineren Mittelständlern nicht gewohnt sind.
VC Magazin: Wie würden Sie die Stimmung auf der diesjährigen SuperReturn beschreiben?
Ecker: Zweckoptimismus … und das meine ich nicht zwangsweise negativ. Die Unsicherheit ist nach wie vor vorhanden, auch wenn ich mir eigentlich sicher bin, dass wir die tiefste Talsohle bereits gesehen haben.
Thiery: Das sehe ich ähnlich. Ich finde es zudem schade, dass die Diskussion nach wie vor von den großen Fonds geführt wird.
Das Interview führte Mathias Renz.
Zu den Gesprächspartnern
Dr. Martina Ecker ist Managing Director und Cleantech-Expertin in der Frankfurter Niederlassung der international tätigen Investmentbank Jefferies. Marc Thiery ist Gründungspartner und geschäftsführender Gesellschafter der in München ansässigen DPE Deutsche Private Equity GmbH, die, ausgestattet mit einem Fondsvermögen von 250 Mio. EUR, in kleine und mittelgroße mittelständische Unternehmen investiert.