VC Magazin: Wie schätzen Sie Größe und Chancen des Marktes für Taschen ein?
Bree: Der Taschenmarkt ist fast unbegrenzt. Schon die Urvölker haben ihre Taschen und Beutel aus Leder gefertigt. Taschen werden immer gebraucht, vom Portemonnaie bis hin zum Gepäck. Taschen gibt es in allen Segmenten, von Luxus über Premium bis hin zum Preiswertsegment. Bree spielt im Taschenmarkt international zwar eine untergeordnete Rolle, in Deutschland hingegen sind wir die Premiummarke mit den meisten eigenen Shops. Unsere größten Wettbewerber sind Mandarina Duck, Longchamp, Coccinelle und Furla. Allerdings sind Mandarina Duck und Coccinelle angeschlagen, da ihr Eigentümer, die Mariella Burani Gruppe in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Prada, Gucci, Louis Vuitton hingegen sehe ich nicht als direkte Wettbewerber, da diese im Luxussegment agieren und einen anderen Kunden ansprechen.
VC Magazin: Was sind die Herausforderungen des Taschenmarktes?
Bree: Der Markt ist extrem gewachsen, da Sie Taschen heute in fast jedem Laden bekommen, von der Buchhandlung bis zum Strumpfladen, vom Drogeriemarkt bis zum Luxusshop. Auch viele Textilmarken bieten mittlerweile Taschen an. Als reiner Taschenanbieter profilieren wir uns über eigene Shops mit sehr gut geschultem Personal und laden die Marke weiter emotional auf, z.B. durch eine Kooperation mit Germany“s Next Topmodel, Imagekampagnen in Modemagazinen oder die Teilnahme an der Fashion Week in Berlin. Und permanent verbessern wir die Tasche an sich, durch viele gestalterische Ideen, neue Funktionalitäten und Verbesserungen bei Material und Verarbeitung. Wir haben ca. 1.200 Produkte und wechseln alle sechs Monate ca. 300 bis 400 Produkte aus.
VC Magazin: Was ist ein Beispiel für eine Innovation bei Taschen?
Bree: Das geht von der üppigen Ausstattung, z.B. der Schlüsselschlange oder der Beleuchtung in der Tasche, bis hin zu den Materialien, wie z.B. Kautschuk mit langer Lebensdauer, Filz, LKW Planen oder extrem leichtes, robustes Nylon. Dann gestalten wir immer wieder neue Looks, z.B. aus der Bionik die Tetraeder-Form der Jubiläumstasche, die jetzt zum 40-jährigen Firmenjubiläum erscheinen wird.
VC Magazin: Was sind kommende Trends bei Taschen?
Bree: Der Mann wird modischer. Glücklicherweise. Mit Accessoires kann er sich abheben. Männer kaufen mehr Taschen. Man sieht Männer vermehrt im Straßenbild, die DIN-A3-Shopper mit Henkel hochkant tragen.
VC Magazin: Welche Rolle spielen Private Equity-Unternehmen in Ihrer Branche?
Bree: Große Spieler wie EQT sind mehr im Textilbereich tätig. Im Wesentlichen ist es in unserem Bereich in Italien die Mariella Burani Gruppe, die sich Premiummarken zusammengekauft hat, u.a. auch Mandarina Duck und Cocinelle. Die VF Corporation hat bei Allroundgepäck Eastpack und Kipling erworben. Doughty Hanson hat den Reisegepäckhersteller Tumi 2004 gekauft. Dann der Fall Goldpfeil, das seit Ende der 80er als große deutsche Lederwarenmarke mehrfach verkauft wurde, zuletzt an die Egana Goldpfeil Holding. Der Unternehmer, Herr Seeberger, ist dann 2007 gestorben. Goldpfeil spielt in Deutschland im Premiumsegment keine Rolle mehr im Markt. Der Konzentrationsprozess nimmt insgesamt zu.
VC Magazin: Ist Private Equity für Sie keine Finanzierungsoption?
Bree: Wir hatten Private Equity als Finanzierungsquelle geprüft und uns entschieden, mit Darlehen über unsere Hausbanken zu arbeiten. Wir haben in unserer Unternehmensphilosophie Unabhängigkeit als Ziel. Deshalb setzen wir auf eine hohe Eigenkapitalquote, die bei uns über 40% liegt. Auch ein Börsengang ist kein Thema. Wir sind Familienunternehmer und entwickeln das Unternehmen für die nächste Generation. Wir haben bereits eine Nachfolgeregelung in den Gesellschafterverträgen.
VC Magazin: Als Ihr Vater unerwartet starb, haben die Unternehmer aus dem Beirat, Herr Frenzel von TUI, Fritz Hahne von Wilkhahn und der Süßwarenunternehmer Leysieffer, Sie an die Nachfolge herangeführt. Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt in puncto Nachfolge eines Familienunternehmens?
Bree: Mein Vater als typischer Gründerunternehmer hatte das Unternehmen ganz auf sich zugeschnitten, vom Kapital bis zur operativen Führung. Plötzlich waren mein Bruder und ich gefragt. Er war 24 Jahre alt und am Ende seines Studiums und ich 28 Jahre alt und gerade in meinem allerersten Job nach dem Studium. Um uns an die Unternehmensleitung heranzuführen, haben wir deshalb mit dem Beirat ein Programm entwickelt. Dazu haben wir für vier Jahre einen familienfremden Manager geholt. In der Zeit habe ich gelernt, es geht um viel Kommunikation, Teambildung, Klarheit schaffen und deutliche Ziele formulieren. Der neue Geschäftsführer hat das auf meinen Vater zugeschnittene Unternehmen auf eine breitere Basis gestellt und schrittweise die Verantwortungen dorthin geschoben, wo sie operativ hingehören. Nun gab es ein Führungsteam. Wir haben uns darüber hinaus beraten lassen von einer Unternehmerberaterin aus Düsseldorf.
VC Magazin: Um welche Themen ging es da?
Bree: Welche Fallgruben und Probleme kann es geben? Erst mal mit einem übermächtigen Schatten unseres Vater, dem damals viele Kunden, viele Mitarbeiter nachtrauerten und uns mit ihm maßen. Aber ich bin ich und nicht mein Vater. Das war ein wichtiger Erkenntnisprozess für mich nach dem Motto „Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren“. Dann das Thema „Zusammenarbeit und Wettbewerbsdenken mit dem Bruder“. Die Unternehmerberaterin hat mit uns analysiert, was bei uns abläuft. Und sie hat uns auch vorbereitet, dass man uns möglicherweise gegeneinander ausspielt. Im Sinne von klaren Entscheidungen haben wir auch beschlossen, dass es bei Stillstand einen Letztentscheid geben muss. Das Recht wechselt zwischen uns alle drei Jahre. Denn wenn etwas nicht weitergeht, muss einer entscheiden.
VC Magazin: Welchen Nutzen ziehen Sie aus den Mitgliedschaften im Verband der Familienunternehmer und dem Markenverband?
Bree: Wäre ich zum Zeitpunkt des Todes meines Vaters schon Mitglied gewesen, hätte ich viel mehr Informationen gehabt, wie ich mit der Situation hätte umgehen müssen. Man bekommt Tipps zum „Unternehmersein“ und dazu, wie man Spannungsfelder lösen kann. Und der Verband macht uns Familienunternehmen in der Politik bemerkbar, ob bei Steuerpolitik, Bürokratieabbau oder Kündigungsschutz.
VC Magazin: Was fordern Sie beim Kündigungsschutz?
Bree: Wir sollten den Kündigungsschutz in jeglicher Form lockern, um als Unternehmen flexibel zu bleiben. In der Schweiz z.B. sind Dauer der Kündigungsfrist, Abfindung und Weiteres bereits im Arbeitsvertrag geregelt. Das bringt Klarheit für alle Seiten.
VC Magazin: Was fordern Sie beim Bürokratieabbau?
Bree: Für eine Vorschrift, die zwangsläufig Bürokratie zur Folge hat, sollte der Staat zwei Vorschriften abschaffen. Beispiel Niedersachsen: da hat man die Vorschriften innerhalb von sechs Jahren von 4.135 auf 1.190 reduziert. Zweitens sollte man die Gewerbesteuer durch eine Kommunalsteuer ersetzen, also eine gewinnorientierte Besteuerung für Unternehmen einführen.
VC Magazin: Zum Schluss: Welcher Unternehmer hat Sie beeindruckt?
Bree: Mein Chef bei FSB, einem Türklinkenhersteller in Ostwestfalen. Von ihm habe ich gelernt: Handle frühzeitig, aktiv und vorausschauend. Und inszeniere die Marke. Bei der Türklinke ging das von Design-Workshops für Architekten über Kunstbücher bis hin zu Gedichtbänden, was man im Zusammenhang mit Türklinken nicht vermutet, die Türklinke aber definitiv erlebenswert macht.
VC Magazin: Ihr Vater hat Sie beide Brüder als Kinder mal in einen Boxring gestellt. Warum?
Bree: Wir haben uns bis zum Gehtnichtmehr geärgert. Also sollten wir es mal richtig austragen. Am Anfang habe ich noch zugeschlagen, aber dann setzte der Gedanke ein, das ist nicht fair, weil ich 3,5 Jahre älter bin als mein Bruder. Und auch mein Bruder – so Kleine piesacken ja gerne – hat es so gesehen, dass er nur bis zu einer gewissen Grenze gehen kann. Es hatte erzieherische Effekte. Heute spielen wir lieber Tennis oder Fußball gegen- oder miteinander. Für Konflikte jedenfalls hat uns vor allem die Arbeit mit der Unternehmerberaterin geprägt. Wir lösen unterschiedliche Meinungen über die Kommunikation.
VC Magazin: Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Georg von Stein
Zum Gesprächspartner
Nach dem Tod seines Vaters übernimmt Axel Bree mit 28 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder den Taschenhersteller Bree. Heute beschäftigt das Unternehmen 190 Mitarbeiter in 20 Ländern und betreibt 25 inländische Filialen, acht europäische Shops und unterhält ein Netz von 500 Distributoren. Das Unternehmen positioniert sich mittlerweile auch auf dem Weltmarkt. Bree-Taschen sind in Hongkong und Japan zu kaufen, auf Hawaii und Katar genauso wie z.B. in Kanada, den USA, Großbritannien, Belgien oder Österreich.