Jubiläums- und Abschiedskolumne
Diese insgesamt 101. Kolumne ist für mich sowohl eine Jubiläums- wie auch eine Abschiedskolumne. Sie wird anlässlich des zehnjährigen Bestehens des VentureCapital Magazins geschrieben – und wird auch meine unwiderruflich letzte Kolumne sein, die ich für das VentureCapital Magazin schreibe. Sie wird sich mit einem Rückblick auf die Venture Capital-Industrie während der zehnjährigen Existenz des VentureCapital Magazins befassen.
Logische Konsequenz des Gipfels
Das VentureCapital Magazin hat sich vor zehn Jahren vorsichtig aus einer Beilage des GoingPublic Magazins entwickelt. Das Jahr 2000 als Gründungsjahr für das eigenständige Venture Capital Magazin ist eine logische Konsequenz des in diesem Jahr erklommenen, aber nie wieder erreichten Gipfels der Venture Capital-Industrie. Dieser Gipfel, der sich später als platzende Blase erwies, bescherte der Industrie und den Investoren in Venture Capital-Fonds zeitweise ungeahnte Gewinne.
Überhitzter Markt
Diese an und für sich erfreuliche Situation führte leider zu einer Reihe von Fehlentwicklungen. Die Unternehmensbewertungen schossen in ungeahnte Höhen, was für die damals anstehenden Exits höchst erfreulich, aber für die Gewinnchancen der Neuinvestitionen tödlich war. Außerdem lockten die Gewinne viele neue Akteure, Venture Capital-Gesellschaften zu gründen. Manche davon hatten leider nicht die notwendige Qualifikation. Durch die Gewinne bei den Realisierungen der Investitionen der letzten Jahre erreichten die Anlagen in Venture Capital-Fonds Rekordhöhen. Sogar die staatlichen Banken wie KfW und Deutsche Ausgleichsbank wetteiferten, wer mehr Geld am Venture Capital-Markt unterbringt. Man kann aus heutiger Perspektive behaupten, dass der Venture Capital-Markt überhitzt war.
„Volle Taschen und volle Hosen“
In den Jahren nach 2000 platzte die Blase, und die Unternehmensbewertungen näherten sich wieder realistischen Werten. Dies hatte zur Folge, dass es erheblichen Abschreibbedarf bei vielen Portfoliofirmen gab, der sowohl durch niedrigere Folgerunden als auch durch in einer schlechteren wirtschaftlichen Umwelt nicht mehr weiterfinanzierbaren Unternehmen entstand. Obwohl die Venture Capital-Fonds noch prall gefüllt waren, scheuten sich die Venture Capital-Gesellschaften, selbst bei diesen nun niedrigeren Bewertungen zu investieren. Dies verleitete mich zu dieser Zeit für eine Kolumne den bemerkenswerten Titel „Volle Taschen und volle Hosen“ (Ausgabe 2/2001) zu wählen.
Schwierige Situation bis 2006
Nachdem die IPO-Aktivität auf null fiel und die strategischen Käufer sich auch zurückhielten, brachen wirklich schlechte Zeiten für die Venture Capital-Industrie an. Viele Spieler verschwanden wieder. Fundraising selbst guter Venture Capital-Gesellschaften wurde sehr schwierig. Diese Situation hielt bis 2006 an. Erst dann wurden Realisierungen in einem positiveren Umfeld wieder möglich, selbst an der Börse, und auch Fonds konnten wieder zumindest moderat gefüllt werden.
Spärliche Versorgung in nächster Zukunft
Das Intermezzo war kurz. Im Jahr 2008 hat uns alle Lehman überrascht, obwohl diese Entwicklung ähnlich dem Platzen der Venture Capital-Blase im Jahr 2000 bei intensivem Nachdenken vorhersehbar gewesen sein sollte. Seither fließt noch weniger Geld in Venture Capital-Fonds. Wir sind dabei auf das Niveau von 1997 zurückgefallen. Momentan ist Fundraising fast nicht möglich. Wo kein Geld ist, kann auch keines ausgegeben werden (dies gilt nicht für Regierungen). Das heißt, dass momentan und in nächster Zukunft auch die Unternehmer, die Venture Capital suchen, äußerst spärlich mit Geld versorgt werden. Wir können froh sein, dass es einige Initiativen der Öffentlichen Hand gibt, durch die Unternehmen finanziert werden oder deren Finanzierung unterstützt wird. Dies war eine kurze Analyse des Zustands der Venture Capital-Industrie über die bisherige Lebensdauer des VentureCapital Magazins.
Ich glaube, im Sinne aller Leser zu handeln, wenn ich der Redaktion und den Mitarbeitern des VentureCapital Magazins für die exzellente Arbeit der letzten zehn Jahre danke. Sie haben uns mit Informationen versorgt, die für unsere Arbeit wichtig sind, und auch für die Kommunikation innerhalb der deutschsprachigen Venture Capital-Community gesorgt. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und freuen uns, auch in Zukunft regelmäßig durch das VentureCapital Magazin informiert zu werden.
Zum Autor
Falk F. Strascheg ist als Gründer der Technologieholding und der Extorel Private Equity Advisers GmbH sowie als ehemaliger Präsident der European Venture Capital Association (EVCA) einer der bekanntesten Venture Capitalisten Deutschlands.