VC Magazin: Welche Schritte kann eine Technologietransferstelle wie Max-Planck-Innovation unternehmen, damit aus fähigen Wissenschaftlern erfolgreiche Unternehmer werden?
Kirschenhofer: Wir brauchen ein hoffentlich umsetzungsfähiges Konzept oder Produkt und helfen dabei, es am Markt auszurichten. So ermutigen wir die Wissenschaftler, möglichst früh mit Marktteilnehmern zu sprechen, damit sie nicht an den Bedürfnissen vorbeientwickeln. Ergänzend wollen wir Wissenschaftler auch dazu bringen, dass sie wie Unternehmer denken. Hierbei helfen wir auch durch die Vermittlung externer Experten mit operativer Erfahrung.
VC Magazin: Und wie geht an dieser Stelle eine Venture Capital-Gesellschaft vor, wenn der fähige Wissenschaftler als Unternehmer noch Lücken hat?
Nagel: Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass Wissenschaftler ihre Stärke in der Forschung haben und ergänzende Kräfte aus der Industrie – u.a. mit Erfahrung in den Bereichen Marketing oder Finanzen – benötigen. Dann ergibt sich ein komplettes Team.
VC Magazin: Wie einfach fällt es, erfahrene Manager von einem Engagement in einem Start-up und dem damit einhergehenden Gehaltsverzicht zu überzeugen?
Nagel: Die Größe des Gehalts ist für viele sicherlich ein Hygienefaktor, eine Mindestgröße muss es einfach geben. Aber der Lackmustest ist, ob der Manager auch unternehmerisch denken kann und an das Upside-Potenzial von Anteilen glaubt.
Kirschenhofer: Richtig, es kommt auf die Mischung an. Aber vielen Managern ist der finanzielle Aspekt nicht der alleinige ausschlaggebende Punkt – sie wollen etwas bewegen.
VC Magazin: Was ist aus Ihrer individuellen Sichtweise der wichtigste Punkt beim Technologietransfer?
Nagel: Um ein Haus zu bauen, braucht man auch mehr als einen Hammer. Und da ein Unternehmen aus meiner Sicht eine Art ökonomisches Haus ist, braucht es eher einen Werkzeugkasten. Es müssen immer mehrere Dinge kombiniert werden.
Kirschenhofer: Dem kann ich nur zustimmen: Kapital alleine ohne die Technologie funktioniert nicht, auch braucht es stets ein Team, das die Technologie entwickelt. Dazu kommen Kräfte, die sie nicht steuern können – vorrangig der Markt.
VC Magazin: Gerade bei Spin-offs aus der Forschung spielen Lizenzverträge eine wesentliche Rolle. Wie lassen sich die tendenziell gegenläufigen Interessen der beteiligten Parteien – möglichst hohe bzw. möglichst niedrige Gebühren – vereinbaren?
Kirschenhofer: Wir wollen tatsächlich lieber hohe Lizenzsätze erreichen. Allerdings sollte man gerade in unserem Feld immer daran denken, dass man langfristige Partnerschaften eingeht. Die Vertragskonstrukte müssen Win-win-Situationen erlauben, denn letztlich profitieren alle Akteure nur dann, wenn die Firma erfolgreich ist.
VC Magazin: Sehen Sie dennoch Punkte, in denen die Interessen divergieren?
Nagel: Wir als private Venture Capital-Gesellschaft bevorzugen es, wenn das geistige Eigentum auf das Unternehmen übergeht. Wir gehen mit haftendem Eigenkapital ins Risiko und benötigen dafür Werte in Form von Lizenzen bzw. Patenten, sprich geistiges Eigentum. Lizenzen, die nichtexklusiv vergeben werden, sind das Gegenteil dessen. Andererseits kann ich die Forschungseinrichtungen verstehen. Sie sind mit Steuergeldern in Vorleistung getreten und haben Interesse an Flexibilität.
Kirschenhofer: Uns ist an dieser Stelle wichtig, dass aus den Lizenzen oder Technologien tatsächlich Produkte entwickelt werden. Was Patente ermöglichen, aber was aus meiner Sicht nicht sein soll: dass geistiges Eigentum einlizenziert wird, nicht um Produkte zu entwickeln, sondern ausschließlich nur, um andere Unternehmen zu behindern.
VC Magazin: Was sehen Sie in Ihrem jeweiligen Bereich als Erfolgsgeschichte aus der jüngeren Vergangenheit an?
Nagel: Wir haben die Firma Agnion, ein Spin-off der TU München, quasi vom Nullpunkt der Gründung an begleiten dürfen und konnten bereits zweistellige Millionen-Euro-Beträge akquirieren.
Kirschenhofer: Wenn es um die Auslizenzierung an bestehende Unternehmen geht, sind wir sehr stolz auf das Medikament Sutent, welches sich am Markt in den USA sehr erfolgreich entwickelt. Wenn es um Start-ups geht, hat U3 eine erfolgreiche Entwicklung hingelegt – mit einer Übernahme für 150 Mio. EUR im Jahr 2008. Aktuell bereiten uns Kinaxo und Suppremol sehr viel Freude.
VC Magazin: Wie nehmen sie die derzeitige Ausgründungslandschaft hierzulande wahr?
Kirschenhofer: Ein wesentliches Problem im deutschen Markt ist der Mangel an Seed und Venture Capital. Daher können einige sehr gute Geschäftsideen leider nicht verfolgt werden. Glücklicherweise hat die Bundesregierung mit dem High-Tech Gründerfonds sehr positiv auf diese Situation reagiert. Von privater Seite fehlt das Geld aber weiterhin und wir sind froh über jeden aktiven Fonds, der noch nicht ausinvestiert ist. Ich hoffe, dass die politischen Rahmenbedingungen sich dergestalt verbessern, dass Venture Capital eine attraktivere Anlageklasse wird.
Nagel: In Frankreich hat der Ansatz, dass Investitionen von Privatpersonen in Venture Capital-Fonds steuerlich gefördert werden, viel Gutes bewirkt. In den letzten 20 Jahren wurden hierzulande aber lieber Medienfonds, Containerschiffe, Bauherrenmodelle und Ähnliches unterstützt. Allerdings gibt es verschiedene Wege, einen Berg zu besteigen. So haben gerade Forscher aus Einrichtungen wie der Max-Planck- oder der Fraunhofer-Gesellschaft einen gewissen Vorteil – sie können bis zu einem gewissen Grad die bestehende Infrastruktur nutzen.
VC Magazin: Aus öffentlichen Mitteln wird auch das Exist-Programm finanziert, das bislang über 500 Exist-Stipendien an gründungswillige Forscher ausgereicht hat. Wie bewerten Sie dieses Instrument?
Nagel: Es ist ein wichtiges Werkzeug, Forscher zum Schritt in die Selbstständigkeit zu ermutigen. Aus Sicht der Volkswirtschaft und des Steuerzahlers ist das gut angelegtes Kapital.
Kirschenhofer: Vor allem in den letzten anderthalb Jahren, als Wagniskapital schwerer aufzutreiben war, hat sich besonders Exist-Forschungstransfer als sinnvolles Instrument erwiesen, sehr gute Ideen zu Unternehmen weiterzuentwickeln.
VC Magazin: Gibt es eine Technologie oder eine Erfindung, die Sie zuletzt besonders beeindruckt hat?
Nagel: Als Privatanwender ist es sicherlich das iPhone als innovative Mensch-Maschine-Schnittstelle in der Kommunikationsverarbeitung. Aus unserem Portfolio hat mich die Holzvergasungstechnologie von Agnion beeindruckt, die weltweit führend ist.
Kirschenhofer: Abseits des Massenmarkts, wo auch bei mir das iPhone ganz vorne liegt, sehe ich viele spezialisierte Erfindungen. In ihrem jeweiligen Bereich ermöglichen sie Erstaunliches, beispielsweise Life Sciences-Produkte, die in Nischenmärkten gesundheitliche Probleme lindern oder heilen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview!
Torsten Paßmann
Zu den Gesprächspartnern
Dr. Florian Kirschenhofer ist Start-up Manager bei Max-Planck-Innovation, der Technologietransferstelle der Max-Planck-Gesellschaften (MPG). Dr. Rolf Nagel ist Partner bei Munich Venture Partners, die seit 2005 u.a. Forschungsprojekte der Fraunhofer-Gesellschaft kommerzialisiert und Innovationen zur Marktreife entwickelt.