Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Sie kennen es vielleicht aus eigener schmerzlicher Erfahrung, haben es aber sicherlich zumindest in Ihrem eigenen Umfeld aus nächster Nähe anschauen können: Quer über alle Segmente haben viele Akteure der Private Equity-Branche in der jüngeren Vergangenheit ihre Wunden lecken müssen – wenige attraktive Deals, Pleiten im Portfolio, schwieriges Umfeld für Fundraising. Die Dichte an Veranstaltungen der letzten Wochen hat aber deutlich gezeigt, dass die Phase vorbei ist, die Wunden verheilt zu sein scheinen und die Branche wieder Aufwind verspürt.
Bei der fünften Auflage seines Family Day meldete der High-Tech Gründerfonds zur Spitzenzeit rund 720 Teilnehmer und damit einen neuen Besucherrekord (siehe auch S. 30–31). Und auch die NRW.Bank verzeichnete im fünften Jahrgang ihrer Private Equity Konferenz NRW (siehe S. 21) gut 800 Anmeldungen – und das trotz einer erstmals erhobenen Teilnahmegebühr. Daneben zogen weitere Seminare oder Kongresse zahlreich das Fachpublikum zum Networken, dem Wissenserwerb und für das Kennenlernen von Start-ups an, so etwa das von der Sozietät Pöllath + Partners organisierte Munich Private Equity Training, die 11. Handelsblatt Jahrestagung Private Equity, die 3. CIB Invest Konferenz zur weißen Biotechnologie oder der 8. Venture Capital Roundtable in Dortmund.
Dazu gibt es gute Hinweise aus Asien, dass die Private Equity-Branche aus dieser Region Rückenwind erhält. Auf der Roadshow des BVK ist Willi Mannheims von Ventizz einigen japanischen und chinesischen Fonds begegnet, die über die Situation in Deutschland genauso gut wie europäische Analysten informiert waren und die deutsches Private Equity zunehmend als attraktive Anlageklasse entdecken (siehe S. 20). Dr. Michael Drill von der M&A-Beratung Lincoln International hat beobachtet, dass asiatische Käufer auch bei kompetitiven Bieterverfahren immer professioneller werden (siehe S. 34). Damit eröffnen sich hiesigen Finanzinvestoren neue Käuferschichten. Norman Lemke von der RWB AG ist fest davon überzeugt, dass die Chancen für Dachfonds in den Wachstumsmärkten Indien und China ungebrochen groß sind (siehe Interview S. 43).
Als problematisch können sich aber zwei andere große Szenarien herausstellen: Auf der einen Seite steht die europäische Gemeinschaftswährung vor einer harten Prüfung, wenn nicht gar auf der Kippe. Ob der eingeschlagene Weg zur Rettung des Euros der richtige Weg ist, wird sich erst im Nachgang beurteilen lassen. Auf jeden Fall werden daraus eventuell resultierende Turbulenzen auch die Private Equity-Branche berühren. Auf der anderen Seite gibt es Zeichen für neuerliche Übertreibungen auf dem US-Aktienmarkt. Während vergleichsweise alte Onlinegiganten wie Amazon oder Google stabil hohe Gewinne erzielen, ihren Kurs halten und fair bewertet werden, sieht es bei den jüngsten Web-Börsengängen anders aus. Das Business-Netzwerk LinkedIn wurde zwischendurch fast mit dem 500-Fachen des 2010er Ertrags bewertet, und der Kurs des defizitären Internetradios Pandora schoss nach dem IPO in die Höhe, um dann auf einen Achterbahnkurs zu schwenken. Wenn hier die Erwartungen von (institutionellen) Anlegern enttäuscht werden, kann sich das selbst hierzulande negativ vor allem auf das Venture Capital-Segment auswirken. Dann dürfte es wahrscheinlich auch keine Rolle spielen, dass die hiesigen Early Stage-Investoren trotz aller Hype-Tendenzen bislang mit kühlem Kopf investiert haben.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
Ihr
torsten.passmann(at)vc-magazin.de