Schiffelmann: Besonders den Venture Capital-Markt sehe ich sehr positiv. Hier werden oftmals Geschäftsmodelle entwickelt, die die Bedürfnisse der Menschen treffen. Die innovativen Menschen, die sich dort engagieren, sind Motor der wirtschaftlichen Leistung eines Landes. Bei einem ganzheitlichen Blick gibt es zwar auch kritische Aspekte, aber volkswirtschaftlich betrachtet ist der Private Equity-Sektor sehr wichtig.
Thümmler: Ich betrachte den Non-Profit-Sektor ebenfalls positiv. Der tatkräftige Einsatz der Leute – ob nun hauptberuflich oder ehrenamtlich – bei Projekten in Deutschland wie im Ausland ist sehr wertvoll. Ohne dieses Engagement würde vieles an Hilfe verpuffen.
VC Magazin: Gibt es etwas, das beide Seiten voneinander lernen können?
Thümmler: Die Non-Profit-Organisationen müssen für viele Projekte einen langen Atem haben und diese mit viel harter Arbeit, Geduld und Ausdauer umsetzen. Das gilt besonders in fremden Kulturen, wenn die Projekte ihre Wirkung effizient entfalten sollen. Im Gegensatz dazu ist die Private Equity-Branche durch ihre Strukturierung – Fonds haben nur eine begrenzte Laufzeit von meist zehn Jahren – von einer gewissen Kurzfristigkeit getrieben. Es ist oftmals unrealistisch, in drei Jahren zwischen Investment und Exit die Spitzenrendite zu erzielen. Mehr Geduld, wie manche Hilfsorganisation sie hat, wäre da lohnenswert.
Schiffelmann: Das Grundmuster ist in beiden Branchen dasselbe: Hier arbeiten jeweils Menschen, die eine Vision haben und etwas voranbringen wollen. Deshalb passen Profit- und Non-Profit-Welt gut zusammen. Der Unterschied besteht nur darin, dass die eine Seite profitorientiert ist und die andere nicht. Dennoch kann der Non-Profit-Sektor beispielsweise lernen, wie viel es an Professionalität, guter Qualifikation und Disziplin braucht, um am Markt bestehen zu können. Im Gegenzug können Finanzinvestoren lernen, dass es mehr als materiellen Reichtum gibt. Man kann vieles mit seinen Mitmenschen teilen – über Geld hinaus können das auch Hoffnungen, Visionen oder der Glaube sein.
VC Magazin: Viele Non-Profit-Organisationen sind als Stiftungen organisiert und müssen aus ihrem Kapital die Mittel erwirtschaften, die dem Stiftungszweck dienen. Was sind die dominierenden Leitlinien bei der Kapitalanlage?
Schiffelmann: Das länderabhängige Stiftungsrecht lässt es offen, aber die Stiftungssatzungen oder die Anlagerichtlinien schreiben im Regelfall den Erhalt des Kapitals vor. Auch finanzieren viele Stiftungen Projekte im Regelfall über Jahre. Daher wird eine solide, konservative Strategie gewählt, die zu kalkulierbaren Erträgen führt. Derivate oder festverzinsliche Papiere können dann eine Option sein. Hedgefonds und Aktien als Anlageklasse scheiden dagegen meist aus, Rohstoffe sind wenig populär. Was bislang kaum Anwendung findet, wahrscheinlich wegen Unkenntnis, sind Investments in Eigenkapital von Unternehmen oder in Venture Capital.
Thümmler: In vielen Stiftungen dürfte der Kapitalstock derzeit sinken oder erodieren, wenn man die Renditen von konservativen Anlagen der offiziellen Inflation oder, schlimmer noch, der tatsächlichen gegenüberstellt. Anstatt große Stiftungsvermögen erst einmal aufzubauen, wäre es aus meiner Sicht daher besser, das eingesammelte Geld lieber sofort sinnstiftend einzusetzen.
VC Magazin: Die Private Equity-Branche ist stets auf der Suche nach verlässlichen Quellen im Fundraising. Was braucht es, damit Finanzinvestoren und Stiftungen zusammenfinden? Welche Anknüpfungspunkte gibt es? Wie können diese genutzt werden?
Thümmler: Es kommt auf Performance in der Vergangenheit an. Gerade Stiftungen müssen bei einem Investment in einen Private Equity-Fonds darauf schauen, ob er bislang erfolgreich war. Im Venture Capital-Bereich ist das in den allermeisten Fällen leider nicht der Fall. Vom Bauchgefühl dürfte es Stiftungen daher schwerfallen, Fonds der frühen Phase zu unterstützen.
Schiffelmann: Beide Seiten brauchen eine positive Grundhaltung und müssen Verständnis füreinander entwickeln. Wenn es diese Basis gibt, kann das gesellschaftlich einen extrem hohen Output generieren. Davon bin ich fest überzeugt.
VC Magazin: Können Stiftungen zu einem weiteren Player im Early Stage-Sektor werden, wenn sie beispielsweise Start-ups aus dem Bereich Social Entrepreneurship finanzieren?
Schiffelmann: Für Stiftungen ist das eine interessante Anlageklasse, allerdings muss es sich um einen geschlossenen Kreislauf handeln. Die Anlagepolitik muss glaubwürdig und authentisch auf die Stiftungsziele abgestimmt sein. Wenn das der Fall ist, haben wir eine Entwicklung nicht nur in den Unternehmen mit einem menschenwürdigen sozialen Miteinander, sondern haben auch die Randgruppen der Gesellschaft integriert.
Thümmler: Ich glaube, dass es für Stiftungen spannend ist, in diesen Sektor hineinzuschauen und den Kontakt zu Gründern zu suchen – und diese zu den Stiftungen. In der Zukunft dürften dort sicherlich bessere Profite möglich sein als in dem klassischen, etwas starr strukturierten Venture Capital-Sektor. Bislang sind Stiftungen auf den typischen Gründerveranstaltungen aber kaum präsent.
VC Magazin: Herr Thümmler, Sie haben sich sehr früh für die Stiftung „Steps for Children“ eingesetzt. Was war Ihre Motivation?
Thümmler: Ich bin kurz nach der Gründung von Steps for Children (www.stepsforchildren.de) auf deren Initiator Dr. Michael Hoppe gestoßen und fand sein Konzept viel durchdachter als vieles, was ich zuvor gesehen habe. Da ihm Know-how im Bereich Finanzierung und Fundraising gefehlt hat, gab es einen Ansatzpunkt für mich. Ich unterstütze ihn persönlich und mit meinem Netzwerk aus Unternehmern und Investoren.
VC Magazin: Welches Feedback haben Sie aus der Private Equity-Branche erfahren?
Thümmler: Ganz überwiegend war das Feedback sehr positiv. Viele finden das Projekt gut und haben sich mit einer Zuwendung engagiert. Aber zahlreiche Leute haben sich auch vor Ort informiert und sind anschließend selbst zu Botschaftern in der Sache sowie zu Fundraisern geworden. Das ähnelt dem viralen Effekt, der aus dem Internet bekannt ist.
VC Magazin: Herr Schiffelmann, wie bewerten Sie das soziale Engagement aus der Finanzindustrie?
Schiffelmann: Das ist auf jeden Fall eine gute Sache. Allerdings setzt sich die Private Equity-Branche, ganz besonders der Venture Capital-Bereich, bereits mit der eigentlichen Tätigkeit für das Gemeinwohl ein – indem Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Non-Profit-Sektor betrachte ich die Tendenz aber kritisch, dass jede Organisation und private Initiative ihren eigenen Weg geht. Die Zersplitterung des Sektors führt zu Ineffizienz und schlechter Allokation der Ressourcen. Im Sinne des komparativen Kostenvorteils sollte jeder das machen, was er am besten kann – von der Prüfung von Finanzplänen bis zu kulturell abgestimmten Projekten vor Ort.
VC Magazin: Sie stehen beide zu Ihrem christlichen Glauben. Lassen sich diese Werte in der Finanzwirtschaft leben?
Thümmler: Gut 90% der wichtigsten Themen sind abgedeckt, wenn man die Zehn Gebote befolgt. Am besten ist es, sie auszudrucken und sich ins Büro zu hängen. Darüber hinaus kann man auch Organisationen beitreten – mit Corporate Finance Partners bin ich beispielsweise Mitglied im Bund Katholischer Unternehmer. Ich fände es aber schade, wenn sich ein Unternehmer, gleich welcher Religion, von der Gemeinschaft abkoppelt. Es bereitet schließlich auch Freude, Sinn zu stiften.
Schiffelmann: Ich bin ein großer Verfechter der Zehn Gebote und sehe es genau wie Herr Thümmler. Man muss die Gebote aber auch verstehen und sinngemäß auf die Gegenwart übertragen. Für die Private Equity-Branche kann das zehnte Gebot, man solle nicht seines Nächsten Hab und Gut begehren, beispielsweise heißen, weniger auf andere Unternehmensbewertungen zu achten und vielmehr auf den gesellschaftlichen Output, den man selbst schöpft. Damit entsteht Frieden und Gerechtigkeit.
VC Magazin: Herr Thümmler, Herr Schiffelmann – vielen Dank für das interessante Gespräch!
Das Interview führte Torsten Paßmann.
Über die Gesprächspartner
Andreas Thümmler ist Gründer und Managing Director der M&A-Beratung Corporate Finance Partners (www.cfpartners.com). Darüber hinaus engagiert er sich u.a. für die Stiftung Steps for Children. Thomas Schiffelmann ist Marketingleiter des Internationalen Katholischen Missionswerkes missio (www.missio.de). Zuvor war er im Asset- und Stiftungsmanagement in mehreren Unternehmen tätig.