Chinesische IPOs als Börsenmotor
Der weltweite Primärmarkt für Eigenkapital hat sich im gesamten Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr bezogen auf das Emissionsvolumen um 39% auf rund 164 Mrd. USD merklich abgeschwächt. Nach einer emissionsstarken ersten Jahreshälfte zeigte sich das zweite Halbjahr aufgrund der sich in der Sommerpause zugespitzten Schuldenkrise deutlich schwächer. Wie in den Jahren zuvor blieben Emittenten aus den BRIC-Staaten die Treiber der globalen IPO-Aktivitäten. Insbesondere Unternehmen aus dem chinesischen Festland platzierten nahezu 42% des weltweiten Emissionsvolumens. Im deutschen IPO-Markt haben chinesische Emittenten ebenfalls weiter an Gewicht gewonnen. So stammen fünf der insgesamt 13 Neuzugänge des letzten Jahres an den deutschen Börsen aus China. Der deutsche IPO-Markt litt besonders unter der Schuldenkrise und verzeichnet gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von 44% in Bezug auf das Emissionsvolumen. In der Summe waren es 1,5 Mrd. EUR, die nahezu alle in den ersten sieben Monaten platziert wurden.
Interesse von Privatanlegern nimmt zu
Seit August herrscht am deutschen IPO-Markt regelrecht Funkstille. Der Gang an die Börse wird auch 2012 für viele Börsenaspiranten eine Herausforderung bleiben. Erfreulicherweise stehen sehr interessante Kandidaten wie Talanx oder Evonik in den Startlöchern. Noch erfreulicher ist, dass sich die Anzahl der Privatanleger mit einer Direktanlage in Aktien im letzten Jahr wieder merklich erhöht hat. An dieser Stelle sollten Emittenten und vor allem die Emissionsbanken darüber nachdenken, wie sie den Privatanleger wieder mehr in die Vermarktung der Aktienemission mit einbeziehen können.
Appetit auf Benchmarkt-Bonds
Der Primärmarkt für deutsche Industrieanleihen musste im vergangenen Jahr einen Rückgang von fast 20% gegenüber dem Vorjahr hinnehmen. Insgesamt wurden rund 39 Mrd. EUR emittiert, wohingegen die Anzahl der Anleiheemissionen um 70% auf über 165 Anleihen gestiegen ist. Im speziellen Segment der High Yield-Anleihen deutscher Emittenten wurde im letzten Jahr ein Volumen von 7,6 Mrd. EUR (2010: 10,4 Mrd. EUR) erreicht. Obwohl sich die Spreads für Non-Investmentgrade-Emissionen im Sommer deutlich ausgeweitet haben, konnten seit September rund 1,2 Mrd. EUR in einem sehr volatilen Umfeld platziert werden. Es zeigt sich, dass Bond-Investoren weiterhin einen großen Appetit auf Benchmark-Bonds besitzen.
Fenster für Anleiheplatzierungen öffnet sich wieder
Alternative Anlagemöglichkeiten wie Staatsanleihen sind entweder zu risikoreich geworden oder werfen keine Renditen ab. Im Markt für Mittelstandsanleihen setzte zumindest in den ersten sieben Monaten der zu Beginn des Jahres prognostizierte Emissionsboom ein. In diesem Zeitraum konnten 24 Anleihen mit einem Gesamtvolumen von rund 1,2 Mrd. EUR platziert werden. Mit dem Ausbruch der Schuldenkrise ebbte die Emissionstätigkeit deutlich ab. Zwar gab es seit September 2011 noch sieben Neuemissionen, jedoch gelang es nur zwei Emittenten, ihr anvisiertes Volumen in den ersten zwei Wochen komplett zu platzieren. Das Fenster für Anleiheplatzierungen wird sich wieder öffnen. Dabei wird der Anlegerfokus mehr auf Solidität und weniger auf Kuponhöhe ausgerichtet sein. In diesem Zusammenhang ist der Start des „Prime Standard für Anleihen“ der Deutsche Börse AG ein zu begrüßender Schritt, um größere Benchmark-Anleihen für Privatanleger zugänglicher zu machen.
Private Equity spürt Bankenklemme
Der deutsche Private Equity-Markt entwickelte sich im letzten Jahr auf den ersten Blick positiv. So erreichte das Transaktionsvolumen der ersten drei Quartale mit 4,7 Mrd. EUR bereits das Volumen des gesamten Vorjahres. Dennoch blieb das Niveau deutlich unter dem der Jahre vor 2009, in denen Volumina von mehr als 10 Mrd. EUR zu beobachten waren. Zurzeit dominieren vor allem kleinere Transaktionen den Markt, da sich die Banken bei der Finanzierung größerer Übernahmen zurückhalten. Um sie finanzieren zu können, müssen für die Private Equity-Industrie entweder mehr Eigenmittel bei der Übernahme aufgewendet oder neue Refinanzierungsmöglichkeiten als Antwort für die Bankenklemme gefunden werden. Die Emission von High Yield-Anleihen könnte hier eine Option werden.
Zum Autor
Prof. Dr. Wolfgang Blättchen ist Gründer und Gesellschafter der Blättchen Financial Advisory GmbH und Berater bei Börseneinführungen und weiterführenden Kapitalmarktstrategien.