Was bedeutet der Austritt aus einem geschlossenen Fonds für den Anleger?

Offene Fragen

Ausstiegswilligen Investoren stellen sich insbesondere folgende Fragen:

  1. Bis zu welchem Zeitpunkt besteht eine Haftung?
  2. Bis wann können Ausschüttungen zurückverlangt werden?
  3. Werden wegen des Austritts eventuelle anfängliche steuerliche Verlustzuweisungen gestrichen? Dies hätte in der Regel unerfreuliche Steuernachzahlungen mit Zinsbelastungen zur Folge.

Die individuell passenden Antworten auf diese Fragen ergeben sich in der Regel aus dem Zeitpunkt, zu welchem der Austritt gesellschaftsrechtlich und steuerlich wirksam wird. Für diese Beurteilung ist letztlich die Art des Ausstiegs entscheidend.

Unterschiedliche Ausstiegsarten

Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, eine Fondsbeteiligung aufzukündigen. Eine solche Kündigung hat jedoch den Nachteil, dass allein ein Abfindungsguthaben ausgezahlt wird. Dies entspricht nicht dem häufig geäußerten Wunsch der Anleger, so gestellt zu sein, als ob sie nie am betreffenden geschlossenen Fonds beteiligt gewesen wären. Konkret bedeutet dies: Diese Abfindungsguthaben sind häufig so gering, dass die Investoren sich nur mit erheblichen finanziellen Verlusten von ihren Fondsbeteiligungen verabschieden können. In der Praxis werden daher in der Hauptsache zwei Wege beschritten. Der erste: Ein Anleger macht Schadensersatz geltend wegen fehlerhafter Beratung durch den Vermittler besagter Beteiligung. Der zweite Weg ist der Widerruf der Beitrittserklärung bzw. einer verbundenen Fremdfinanzierung. Beide Wege sollen das Investment und die Folgen der Fondsbeteiligung für den Anleger sozusagen „auf null stellen“. Die Uhr wird also gedanklich zurückgedreht.

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Mit der Frage, ob ein Widerruf oder ein anderweitiger Austritt aus einer Personengesellschaft auch gesellschaftsrechtlich Rückwirkung entfaltet, hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) eingehend beschäftigt. Der BGH musste abwägen, welche Interessen Vorrang haben: die der Allgemeinheit, insbesondere der Gläubiger einer Fondsgesellschaft, über den Bestand dieser Gesellschaft und deren Gesellschafterstruktur – oder die Schutzinteressen des Gesellschafters, der einen Austritt begehrt. Per Saldo kam das höchste deutsche Zivilgericht zum Schluss, dass gesellschaftsrechtlich nur in Ausnahmefällen eine rückwirkende Änderung der Gesellschafterstruktur möglich ist. Selbst bei Beitritten, die durch Drohung oder arglistige Täuschung herbeigeführt wurden, verneinte der BGH eine gesellschaftsrechtliche Rückwirkung.

Austritt nur ohne Wirkung auf Vergangenheit

Diese Auffassung wurde im Jahr 2010 auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) bestätigt: Ein Anleger hatte per „Haustürgeschäft“, so der Fachbegriff, eine Beteiligung an einem geschlossenen Fonds (Immobilien-GbR) gezeichnet. Diese wurde notleidend, weshalb der Anleger privat für Schulden des Fonds haften sollte. Zwar konnte der Investor den Beitritt widerrufen – nach Bestätigung durch den EuGH jedoch nicht mit Wirkung für die Vergangenheit. Durch erfolgreiche Schadensersatzklagen wegen Falschberatung oder die Durchsetzung eines Widerrufs ebenfalls mithilfe einer Klage wird folglich eine Fondsbeteiligung gesellschaftsrechtlich nicht rückwirkend aufgehoben. Vielmehr scheidet der Anleger gesellschaftsrechtlich erst zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung, des Ver-gleichs oder des Vollzugs aus. Eine Rückwirkung wird allein „fingiert“, um die Ansprüche des Anlegers der Höhe nach zu bemessen.

Steuerrechtliche Einordnung eines Austritts

Im Steuerrecht wird grundsätzlich das tatsächliche Verhalten eines Steuerzahlers erfasst. Grundlage ist § 38 der Abgabenordnung (AO). Hieraus wird ein allgemeines steuerrechtliches Rückwirkungsverbot abgeleitet. Dies gilt insbesondere für Steuern, die laufend gezahlt werden müssen. Die wohl bekannteste ist die Einkommensteuer. Eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbotes erfolgt dort nur in Ausnahmefällen. Eine solche Ausnahme ist in der Abgabenordnung verankert, konkret in § 175. Diese Norm kommt nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Literatur jedoch hauptsächlich bei einmaligen Vorgängen zur Anwendung. Zudem ist Voraussetzung für ein steuerlich rückwirkendes Ereignis nach Auffassung des Bundesfinanzhofes (BFH), des höchsten deutschen Steuergerichts also, dass Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse mit Wirkung für die Ver-gangenheit geändert werden.

Keine Rückwirkung

Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall. Gesellschaftsrechtlich tritt – wie oben dargelegt – gerade keine Rückwirkung des Austrittes ein: Das Rechtsverhältnis „Fondsbeteiligung“ wird gesellschaftsrechtlich nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben. Konsequenz: § 175 AO ist danach nicht anwendbar. Steuerrechtlich wirkt eine erfolgreiche Schadensersatzklage wegen Falschberatung oder Durchsetzung eines Widerrufs per Klage damit in nahezu allen Fällen nicht zurück. Der Anleger bleibt daher bis zum Zeitpunkt der Durchsetzung des Austritts steuerrechtlich am geschlossenen Fonds beteiligt. Eine Rückwirkung dürfte hier die große Ausnahme sein. Anfängliche steuerliche Verlustzuweisungen werden daher durch den Austritt mithilfe von Schadensersatzklagen wegen Falschberatung oder Durchsetzung eines Widerrufs kaum gefährdet sein. Dem Anleger steht es offen, beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft zur (Nicht-)Rückwirkung anzufordern. Sofern gewünscht, kann damit eine zusätzliche Absicherung erlangt werden. Wie gewohnt muss man nicht nur im Recht sein – man muss es auch bekommen.

Fazit:

Durch erfolgreiche Schadensersatzklagen wegen Falschberatung oder die Durchsetzung eines Widerrufs werden Beteiligungen an geschlossenen Fonds gesellschaftsrechtlich nicht rückwirkend aufgehoben, unabhängig davon, um welche Art der Fondsbeteiligung – z.B. auch Venture Capital-Fonds – es sich dabei handelt. Gleiches gilt auch steuerrechtlich. Vielmehr scheidet der Anleger in nahezu allen Fällen gesellschafts- und steuerrechtlich erst zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung, des Vergleichs oder des Vollzugs aus. Dies gilt es, bei der Bemessung der Ansprüche des austrittswilligen Anlegers zu beachten. Ansonsten verfehlt der Anleger möglicherweise sein Ziel, so gestellt zu werden, als hätte er die Fondsbeteiligung nie gezeichnet.

Über die Autoren
Jens-Peter Gieschen (li.) ist als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Gründungspartner der KWAG – Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht Ahrens und Gieschen – Rechtsanwälte in Partnerschaft (www.kwag-recht.de). Innerhalb der Kanzlei liegen seine Tätigkeitsschwerpunkte auf der Beratung von vermögenden Einzelmandanten sowie im Bereich der Vertretung von Investoren geschlossener Fonds. Steuerberater David Janssen führt die Geschäfte der KWAG Steuerberatungsgesellschaft mbH (www.kwag-steuer.de). Deren steuerliche Beratung ist auf den Bereich private Vermögensanlage fokussiert. Speziell Beteiligungen an geschlossen Fonds werden steuerrechtlich begutachtet.

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Checkliste zur Rückabwicklung von Beteiligungen an geschlossenen Fonds

  1. Erfolgte eine Beratung anhand des ausführlichen Prospektes (keine alleinige Verwendung von Kurzprospekt oder anderem Infomaterial)?
  2. Wurde der ausführliche Prospekt rechtzeitig (mindestens drei Tage) vor Zeichnung überreicht?
  3. Sind im Prospekt die kapitalbeschaffende Bank und deren Provisionen benannt? Wurde anderweitig über die Provisionen aufgeklärt?
  4. Wurde anleger- und anlagegerecht beraten? Wurde z.B. über die schlechte Handelbar-keit der Beteiligung, das Totalverlustrisiko etc. aufgeklärt? Entsprach die Anlage Ihrer Risikobereitschaft?
  5. Bei einer obligatorischen Fremdfinanzierung der Beteiligung (Darlehen): Wurde hier ordentlich über Widerrufsrechte aufgeklärt?  

Wenn Sie auch nur eine der obigen Fragen mit „Nein“ beantwortet haben, bestehen laut KWAG gute Chancen auf eine Rückabwicklung der Beteiligung.
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