Glaubwürdiger, offener, transparenter
Banken und Finanzdienstleister müssen mehr denn je gegen eine allgemeine Misstrauensstimmung an arbeiten. Empfehlungen zur Kommunikation der Finanzbranche zielen meist in eine ähnliche Richtung: Glaubwürdiger sollen sie werden, offen, transparent und ehrlicher. Mehr auf Dialog sollen sie setzen und authentischer kommunizieren. Die Frage lautet: Wie ließe sich dies in der täglichen Kommunikationsarbeit ausfüllen? Wie könnte eine konkret umsetzbare und von der unternehmerischen Gesamtstrategie abgeleitete Handlungsempfehlung aussehen?
„Anfassbarkeit“ von Produkt- und Unternehmensmarken
Die Antwort darf nicht undifferenziert ausfallen. Es gibt keine Kardinalantwort. Die Bewährungsprobe liegt aber in der Umsetzung der genannten Absichten. Aus unserer Sicht greifen daher jene kommunikativen Strategien zu kurz, die entweder zu eindimensional am Vertriebserfolg orientiert sind oder derart im Abstrakten verbleiben, dass sie sich auf die anwendungsbezogene Ebene gar nicht übersetzen lassen. „Anfassbarkeit“ ist daher, im engsten Sinne des Wortes, nun eine konkrete Maxime. Die Konsumenten wollen wissen, ob sie den Unternehmen, die hinter den Produkten stehen, vertrauen können. Fakt ist, dass Menschen schlechte Erfahrungen mit einigen Finanzdienstleistern gemacht haben. Es findet ein ökonomischer und sozialer Diskurs über eine Unsicherheitssituation statt, die die Banken mit ausgelöst haben. In weiten Teilen hat eine Entfremdung stattgefunden. Es braucht Zeit, eine Marke und ein Image durch ständige Wiederholung und konsistente Erfahrungen der Bezugsgruppen aufzubauen – daher wird es auch Zeit brauchen, um diesen Negativ-Vertrauenstrend zu reparieren. Das heißt auch: Selbst wenn ein Finanzinstitut heute Konditionenführer zum Beispiel für einen Fonds, verzinsliche Anlagen oder ein Altersvorsorgeprodukt ist, hat es den Kunden noch nicht für sich gewonnen.
Finanzdienstleistungen sind bekanntlich nicht nur immaterielle, sondern oftmals auch sehr komplexe und gleichsam schwer zu differenzierende Güter. Die Produkte, für sich allein und unvermittelt, bieten häufig kaum Orientierung. Erst eine klar nachvollziehbare Identität des Unternehmens hinter den Produkten bereitet den Boden für Vertrautheit, Vertrauen und ein Sicherheitsgefühl. Die Kenntnis über das Unternehmen hinter der Produktmarke hat Einfluss auf Anlageentscheidungen. Dies zeigen verschiedene Studien und gilt für Sparprodukte über Versicherungen bis Investmentfonds.
Kultur der Öffnung
Neben den Themen Vertrauensverlust, sinkende Kundenloyalität und Risikoaversion (inklusive eines starken Konsumentenverlangens nach Sicherheit und Garantien) stellen Aspekte wie Preiswettbewerb, neue Konkurrenzprodukte sowie Vertriebskanäle und Cross-Selling ständig Herausforderungen an die Marktteilnehmer mit Blick auf Differenzierung und Profilierung gegenüber dem Wettbewerb. Wichtig für die kommunikative Handlungsfähigkeit ist die Erkenntnis, dass das Verhältnis zum Kunden nicht ausschließlich über funktionale Produktmerkmale geprägt wird. Zwecks emotionaler Bindung gilt es, die Unternehmensmarke mit Inhalten zu füllen und zur Vertriebs- und Produktkommunikation in Beziehung zu setzen. Wenn ich mich als Unternehmen auf eine Kultur der Öffnung gegenüber dem Kunden verpflichte, leiste ich einen Beitrag für die unternehmerische Wertschöpfung.
Beständigkeit und Verlässlichkeit
Zum Beispiel könnten Informationen über die Geschichte des Unternehmens, über dessen Mitarbeiter und bereichsübergreifende Leitbilder dem Kunden ein besseres Gefühl in Sachen „Zugänglichkeit“ geben. Eine Bank oder eine Versicherungsgesellschaft könnte sich klar als Ratgeber positionieren, der seinen Kunden hilft, finanzwirtschaftliche Zusammenhänge objektiv einzuordnen. Der Kunde könnte dazu eingeladen werden, alles über den Anbieter hinter den Produkten zu erfahren. Selbst wenn ein Kreditinstitut noch keine lange unternehmerische Tradition vorzuweisen hat, können Mitarbeiter, Produktexperten und Geschäftsführung „Gesicht“ zeigen, regelmäßig am Meinungsmarkt partizipieren und sich beispielsweise durch besonders verbraucherfreundliche Materialien positionieren. Wichtig ist, dass bei dem Kunden haften bleibt: Es ist nichts verdächtig an dieser Firma. Sie taucht nicht ab oder geht in Deckung. Sie stellt die Beratungskompetenz und Kundenorientierung in den Mittelpunkt und strahlt Beständigkeit und Verlässlichkeit aus.
Fazit
Können sich Finanzunternehmen von den genannten kommunikativen Resultaten nachhaltige positive Effekte auf operative Kennzahlen versprechen? Ja, weil sie auf potenzialbezogene Größen einwirken, die der Kaufentscheidung vorgelagert sind. Das gewonnene Vertrauen in die Unternehmensmarke schafft Voraussetzungen für den Vertrieb und hat eine indirekte Funktion zur Erweiterung des Marktanteils, zur Erhöhung der Kundenanzahl und zur Stabilisierung der Kundenloyalität. Eine solche Marke vermag aber noch mehr – zum Beispiel bei der Mitarbeiterkommunikation, bei der Gewinnung und Bindung von Geschäftspartnern und Kapitalgebern, bei der Positionierung als Arbeitgeber (Stichwort: Employer Branding) oder bei der Bewältigung von akuten Krisensituationen.
Zum Autor
Patrick Racky ist Director Finanzkommunikation der Beratungsagentur Fleishman-Hillard (www.fleishman.de). Das Unternehmen hat 80 Büros in Nordamerika, Europa, Asien, Lateinamerika, Australien und Südafrika. In Deutschland ist Fleishman-Hillard in Frankfurt am Main, München und Berlin vertreten.