Eigenkapitalfinanzierung bleibt bei Start-ups alternativlos

Vergleich von Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung

Die Unterscheidung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital orientiert sich klassischerweise an der Mittelherkunft. Vereinfacht gesagt stellt Eigenkapital (engl. equity) den Teil des Vermögens eines Unternehmens dar, der nach Abzug der Schulden verbleibt. Unter dem Begriff „Fremdkapital“ kann man eben diese Schulden des Unternehmens verstehen.

Fremdkapital

Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen den beiden „Finanzierungsquellen“ besteht in der Rückzahlbarkeit der Mittel. Eigenkapital steht unbefristet zur Verfügung, Fremdkapital muss zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückbezahlt werden. Die Überlassung von Fremdkapital erfolgt nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln, ist kündbar und befristet und begründet einen direkten Vergütungsanspruch des Kapitalgebers. Diese Zinsaufwendungen des Kapitalsuchenden sind im Rahmen der Zinsschranke steuerlich absetzbar. Der Fremdkapitalgeber ist nicht am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt und haftet nicht mit seinem Kapital. Sein Rückzahlungsanspruch wird in der Regel durch Sicherheiten, wie Bürgschaften der Gründer oder Sicherungsrechte am Anlage- oder Umlaufvermögen des Unternehmens, abgesichert, und er wird im Falle einer Insolvenz vor den Eigenkapitalgebern bevorzugt befriedigt.

Eigenkapital

Eigenkapitalgeber stellen hingegen ihre Mittel unbefristet zur Verfügung, erhalten keine laufende Vergütung über eine Verzinsung, fordern keine Sicherheiten und sind unmittelbar am unternehmerischen Erfolg und Risiko beteiligt. Im Falle einer Insolvenz wird der Eigenkapitalgeber nachrangig – also meist gar nicht – bedient. Investoren sind zu einer solch risikoreichen Finanzierung natürlich nur bereit, wenn eine entsprechende Rendite in Aussicht steht. Da der Eigenkapitalgeber diese Rendite nicht durch reguläre Zinszahlungen erreichen kann, muss er auf einen erfolgreichen Exit hinarbeiten, bei dem er seine Beteiligung mit entsprechendem Gewinn weiterveräußern kann.

Um dieses Ziel abzusichern, lassen sich Eigenkapitalgeber in den entsprechenden Beteiligungsverträgen zum einen Mitsprache- und Kontrollrechte und zum anderen sogenannte exitbezogene Rechte (exit-related rights), wie etwa Mitverkaufsrechte (tag along rights) und Mitveräußerungspflichten (drag along rights) oder Erlös- und Liquidationspräferenzen einräumen. Dadurch versucht der Investor sicherzustellen, dass sich zum einen das Unternehmen auch in seinem Sinne entwickelt und zum anderen renditeträchtige Verkaufsopportunitäten nicht infolge Uneinigkeit im Gesellschafterkreis ungenutzt verstreichen.   

Mischform Mezzanine

Zwischen der reinen Eigenkapital- und der reinen Fremdkapitalfinanzierung existiert zudem eine ganze Reihe von mezzaninen Finanzierungsinstrumenten. Diese Mischformen, wie etwa stille Beteiligungen, Genussrechte, Nachrangdarlehen oder Wandeldarlehen, stehen hinsichtlich des Rangs im Verwertungsfall hinter den sonstigen Fremdkapitalgebern und vor den Eigenkapitalinvestoren. Damit korreliert ein im Vergleich zum reinen Fremdkapital höheres Entgelt für die Kapitalbereitstellung.

Je nach individueller Ausgestaltung kann das zeitlich befristet zur Verfügung gestellte Kapital als bilanzielles Eigenkapital qualifiziert werden. Die Rendite auf das Mezzaninkapital besteht in der Regel aus regulären Zinseinkünften und einer Teilnahme am Unternehmenserfolg, die über Bezugsrechte, Wandlungsrechte oder Optionen auf Unternehmensbeteiligungen oder gesonderte Prämienzahlungen vermittelt wird.   

Eigenkapitalfinanzierung bleibt für Start-ups unerlässlich

Klassisches Fremdkapital steht jungen Unternehmen in der Regel nicht zur Verfügung, da mangels verfügbarer Sicherheiten entweder bereits die Grundvoraussetzungen für die Kreditvergabe der angesprochenen Kreditinstitute nicht erfüllt werden können oder aber die Fremdkapitalkosten infolge unzureichender Bonität viel zu hoch wären und den meist geringen Cashflow unvertretbar stark belasten würden. Eigenkapitalgeber verlangen einen belastbaren Business Case mit einem skalierbaren Geschäftsmodell. Weitere Sicherheiten werden nicht gefordert. Der Cashflow des Unternehmens wird nicht belastet.

Die durch die Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Eigenkapitalinvestors einhergehende Professionalisierung des Meldewesens im Unternehmen bringt überwiegend Vorteile, da es zu engmaschiger Zieldefinition und -überprüfung zwingt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch die Covenants in üblichen Darlehensverträgen zur Fremdkapitalfinanzierung zu ähnlichen Regulierungen der Unternehmensführung führen. Neben nicht rückzahlbaren Finanzmitteln bieten Eigenkapitalinvestoren, wie Venture-Capital-Fonds, einige Family Offices und Business Angels, zudem meist wertvolle Management-Beratung und Kontakte zur Umsetzung von Wachstum und zum Aufbau von Kooperationen mit strategischen Partnern. Auch bei der Beschaffung von öffentlichen Fördermitteln, etwa durch Kofinanzierung der KfW, sind solche Investoren oftmals hilfreich. Darüber hinaus stärkt der Mittelzufluss die Eigenkapitalbasis und verbessert dadurch die Möglichkeiten, künftig Fremdkapital aufzunehmen, also etwa die später anstehende Wachstumsfinanzierung zumindest auch zum Teil durch Fremdkapital zu decken.

Fazit:

Damit diese dargestellten Vorteile der Eigenkapitalfinanzierung im Ergebnis überwiegen, gilt es bei der Verhandlung der Beteiligungskonditionen, die durch die üblichen Mitbestimmungsrechte von Eigenkapitalinvestoren einhergehende Beschränkung der eigenen Handlungsfreiheit der Gründer und des Managements in einem vernünftigen Rahmen zu halten. Wenn dies gelingt – und viele VC-Investoren aus dem Inland stellen in diesem Bereich auch keine überzogenen Anforderungen – stellt die Eigenkapitalfinanzierung für junge aufstrebende Unternehmen und Unternehmer einen nicht wegzudenkenden Finanzierungsbaustein dar, der oftmals erst die Basis für künftige, dann auch mit Fremdkapital finanzierte Expansionsschritte darstellt.

Zum Autor
Dr. Bernhard Noreisch, LL.M., ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner der Kaufmann Lutz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München (www.kaufmannlutz.com). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Unternehmenstransaktionen und M&A mit dem Fokus auf Venture Capital-Investitionen.

Dieser Beitrag stammt aus der Sonderbeilage Steuern & Recht der Unternehmeredition 2/2012 (www.unternehmeredition.de).