VC Magazin: Unternehmensgründer unterstützt die NRW.Bank auch durch ihre Beteiligung an Seed-Fonds in sieben Regionen. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Güllmann: Fünf Fonds haben ihre Investitionsgrenze erreicht und können keine Neuinvestments mehr tätigen. Folgefinanzierungen sind aber noch möglich. Aachen ist seit Ende April die erste Region, die über einen zweiten Fonds verfügt. Feste Zusagen haben wir auch aus Dortmund sowie aus Köln – vielleicht kommt im Laufe des Jahres noch eine vierte Region dazu. Mit den von uns zur Verfügung gestellten 30 Mio. EUR für den Seed Fonds I konnten insgesamt 72 Mio. EUR für Frühphasenfinanzierungen in NRW mobilisiert werden. 63 Hightech-Unternehmen mit über 700 hoch qualifizierten Arbeitsplätzen sind hierdurch neu entstanden. Deshalb hat die NRW.Bank weitere 30 Mio. EUR für einen zweiten Seed-Fonds zur Verfügung gestellt, um die Frühphasenfinanzierung in NRW zu verstetigen.
VC Magazin: Bei den regionalen Seed-Fonds muss ein Mindestanteil des Volumens von einem privaten Koinvestor zur Verfügung gestellt werden. Wie sieht die Regelung konkret aus?
Güllmann: Die Regelung besagt, dass mindestens 10% des von der NRW.Bank für einen regionalen Seed-Fonds zur Verfügung gestellten Kapitals durch einen privaten Investor gespiegelt werden müssen. Bei dem Seed Fonds II in Aachen hat sich ein mittelständisches Unternehmen deutlich über dieser Grenze engagiert. Auch in anderen Regionen ist der private Anteil deutlich höher. Berücksichtigt man noch das Investment der regionalen Sparkassen, so hält die NRW.Bank in den regionalen Seed-Fonds stets eine Minderheitsposition. Alle Investoren haben im Investitionskomitee einen Sitz. Es gilt hier das Konsensprinzip. Das heißt, gegen die Bedenken einer Investorengruppe kann kein Investment umgesetzt werden. Die Logik hinter dieser Regelung ist, dass wir die Fonds nach betriebswirtschaftlichen Kriterien führen wollen. Denn nur wenn es gelingt, in den regionalen Seed-Fonds eine überdurchschnittliche Rendite zu erwirtschaften, wird es dauerhaft möglich sein, privates Kapital in diese Assetklasse zu lenken.
VC Magazin: Wird die NRW.Bank in Zukunft verstärkt auf das Koinvestoren-Modell setzen?
Güllmann: Wir wollen immer mit Partnern in Unternehmen investieren. Das ist die grundlegende Philosophie unseres Beteiligungsgeschäfts. Diese Philosophie verfolgt das Ziel, privates Beteiligungskapital für Unternehmen in NRW zu mobilisieren und so dazu beizutragen, den Beteiligungskapitalmarkt in NRW weiterzuentwickeln. Aber auch als Koinvestor streben wir eine enge Begleitung unserer Portfoliounternehmen an. Denn Beteiligungskapital heißt, auch einen Beitrag zu einer positiven Unternehmenswertentwicklung zu leisten.
VC Magazin: Wie stark wird die mittelständische Wirtschaft in NRW in den kommenden Jahren von der Herausforderung „Nachfolge“ betroffen sein?
Güllmann: Die Zahlen, wie viele Unternehmen tatsächlich vor der Herausforderung einer Nachfolgeregelung stehen, variieren. Meistens wird die Nachfolgefrage familienintern gelöst. Rein quantitativ ist Nachfolge via Private Equity der kleinste Teil, bezogen auf die Arbeitsplätze allerdings signifikant, da in der Regel eher größere mittelständische Unternehmen hiervon betroffen sind. Beteiligungskapital ist in diesen Fällen häufig Teil der Lösung und trägt dann dazu bei, eine reibungslose Unternehmensfortführung unter neuer Eigentümerstruktur sicherzustellen.
VC Magazin: Welche Unterstützungsmöglichkeiten bietet die Beteiligungssparte der NRW.Bank in Nachfolgesituationen?
Güllmann: Über unsere Finanzierungsberatung bieten wir eine konkrete Hilfestellung, wie man die Nachfolge auf Unternehmensseite zielgerichtet organisiert. Wenn der Wunsch besteht, gestalten wir diesen Prozess auch aktiv mit dem Unternehmer. Unser Kerngeschäft ist es aber, mittels Beteiligungskapital Geschäftsübernahmen durch neue Gesellschafter zu ermöglichen. Entweder erwerben wir dann eine direkte Beteiligung oder finanzieren den neuen Eigentümer über Mezzanine-Produkte. Wir gehen mit unseren Beteiligungsprodukten stets auf die individuelle Situation ein.
VC Magazin: Eine Angst, die Unternehmer in solchen Situationen umtreibt, ist der mögliche Verlust von Einfluss. Inwieweit kann eine Beteiligungslösung aus Ihrem Hause trotzdem interessant sein?
Güllmann: Diese Sorgen sind vielfach das größte Hindernis, zu einer sachgerechten Lösung zu kommen, und lassen sich nur in einem längeren, vertrauensbildenden Prozess ausräumen. Durch die Aufnahme von Beteiligungskapital teilt der Unternehmer nicht nur Einfluss und Entscheidungsgewalt, sondern er gewinnt auch einen Partner mit Know-how, Netzwerk und komplementären Fähigkeiten, die zum Nutzen des Unternehmens eingesetzt werden können. Klar ist aber auch: Wer am Risiko eines Unternehmens partizipiert, braucht auch Mitspracherechte. Das gilt im Übrigen auch für mezzanine Finanzierungsformen wie Genussrechte oder stille Beteiligungen. Dort behalten zwar alle Alteigentümer ihre Anteile, aber wir als Investor wollen trotzdem bei strategischen Entscheidungen eingebunden werden. Im Grundsatz kann hierzu festgehalten werden: Der Beteiligungskapitalgeber mischt sich nicht ins operative Tagesgeschäft ein, übt aber bei strategischen und grundlegenden unternehmerischen Fragestellungen seinen Einfluss aus.
VC Magazin: Welche weiteren Akzente wollen Sie im Mittelstand setzen? Welche anderen Herausforderungen sehen Sie auf die Unternehmen zukommen?
Güllmann: Die Ablösung von Standard-Mezzanine wird weiter an Bedeutung gewinnen. Da der Mittelstand zu unseren wichtigsten Zielgruppen gehört, können wir hier sehr gut die steigende Anzahl der Anfragen nachvollziehen. Mittelständler schätzen sehr, dass wir ein langfristiger Partner sind. Die größte Herausforderung mittelständischer Unternehmen auf der Finanzierungsseite ist nach wie vor, eine angemessene Eigenkapitalausstattung ihrer Unternehmen sicherzustellen. Durch Basel III wird sich diese Thematik noch verschärfen.
VC Magazin: Im Mittelpunkt der diesjährigen Private Equity-Konferenz der NRW.Bank steht der Cleantech-Sektor. Welche Rolle spielt der Bereich für Beteiligungsinvestoren in NRW?
Güllmann: Sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen ist die Zukunft der Energieversorgung „clean“. Die Energiewende kann nur von NRW aus gelingen, schließlich sind wir das Energieland Nummer eins in Deutschland: Hier sitzen die großen Energieversorger, hier werden die Weichen für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland gestellt. Ein wesentliches Element sind dabei neue Technologien, von denen es in NRW wegen der dichten Forschungslandschaft eine breite Auswahl gibt. Ohne neue Technologien, die ressourcenschonend, energieeffizient und nachhaltig sind, ist die Energiewende in Deutschland nicht zu schaffen. Doch neue Technologien erfordern Venture Capital. Und davon haben wir in NRW und in Deutschland viel zu wenig.
VC Magazin: Wo sehen Sie attraktive Investmentopportunitäten innerhalb der nordrhein-westfälischen Cleantech-Branche?
Güllmann: Angesichts der Vielfalt und der überall vorhandenen Kompetenz fällt es schwer, einzelne Punkte prominent hervorzuheben. Wenn es um Elektromobilität geht, gibt es in Aachen und Dortmund wichtige Schwerpunkte, bei Solarthemen ist es Gelsenkirchen. Auch die Werkstoffkette und der effiziente Einsatz von Energie in privaten Haushalten, sprich intelligenter Stromverbrauch, spielen eine große Rolle. Nordrhein-Westfalen will Cleantech-Land Nummer eins in Deutschland werden. Als seine Förderbank werden wir das Land auf diesem Weg tatkräftig unterstützen!
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Torsten Paßmann.
Zum Gesprächspartner
Dr. Peter Güllmann leitet seit 2006 den Bereich Beteiligungen der NRW.Bank. Sein Team investiert mit mehreren Vehikeln in sämtliche Unternehmensphasen – von Gründungs- über Wachstums- bis hin zu Nachfolgefinanzierungen von Mittelständlern.