VC Magazin: Wie kam es zu der Idee für Ihr Start-up?
Gutsche: Die Idee für Tutanota, dem ersten wirklich sicheren, flexiblen und einfach zu bedienenden Webmail-System, entstand durch Problemlösen. Es hat uns einfach massiv gestört, dass sehr häufig der Umgang mit personenbezogenen oder geschäftskritischen Informationen im Internet wenig respektvoll abläuft. Man muss sich nur anschauen, was in Google Mail mit jeder E-Mail passiert oder Facebook mit den Daten der Nutzer macht. Im Unternehmensumfeld werden die E-Mails auch nur selten mit geeigneten Methoden abgesichert. Warum? Weil es viel zu kompliziert ist – und zwar für Sender und Empfänger. So waren wir genervt vom Verschlüsselungsprozedere bei E-Mails und beim Dokumentenaustausch.
VC Magazin: Wie haben Sie die erste Finanzierung Ihrer Gründungsidee gestemmt und wie verlief die weitere Suche nach Kapital(-gebern)?
Gutsche: Für die erste Phase unserer Unternehmung haben wir das Exist-Gründerstipendium (www.exist.de/exist-gruenderstipendium) erhalten. Aktuell arbeiten wir unseren finalen Businessplan aus und sind auf der Suche nach Investoren, die zu uns passen. Wir drei Gründer verstehen dieses Projekt als ein langfristiges Engagement.
VC Magazin: Was sprach gegen die Karriere als Angestellter und wie hat sich das Gründerteam zusammengefunden?
Gutsche: Ich denke, dass diejenigen, die eigene Ideen haben, öfter den Drang verspüren, lieber mal etwas selbst auszuprobieren als nur auf Anweisung zu arbeiten und dann auch noch erkennen, was auch andere begeistert, die sollen einfach unternehmerisch tätig werden. Matthias Pfau und Arne Möhle kenne ich noch vom Studium und wir haben uns zum gleichen Zeitpunkt ähnliche Fragen gestellt, deren Beantwortung wir nun mit Leidenschaft in die Tat umsetzen.
VC Magazin: Wenn Sie auf Ihre bisherigen unternehmerischen Erfahrungen zurückblicken: Welche Entscheidungen würden Sie erneut treffen?
Gutsche: Alle Entscheidungen haben zu dem geführt, wo wir jetzt stehen. Wir würden uns sicherlich wieder für das Exist-Gründerstipendium bewerben. Über die dadurch eingegangene Kooperation mit dem Forschungszentrum L3S (www.L3S.de) der Leibniz Universität Hannover (www.uni-hannover.de) erhalten wir sehr guten fachlichen Austausch und haben ein sehr interessantes Netzwerk kennen gelernt. Auch würden wir uns wieder für eine Teilnahme an der CeBIT (www.cebit.de) und damit für einen frühen Kontakt zu potenziellen Kunden entscheiden.
VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhaften Erfahrungen konnten Sie besonders viel lernen?
Gutsche: Anfänglich haben wir zu viele Bereiche zusammen bearbeitet, obwohl die Aufgaben grundsätzlich aufgeteilt waren. Als Beispiel: unser Logo. Wir wählten eine Crowdplattform im Internet dafür und waren am Ende viel zu lange damit beschäftigt, die über 300 Designvorschläge zusammen zu kommentieren.
VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht bei den Rahmenbedingungen hierzulande der größte Pluspunkt und das größte Manko für junge Unternehmen?
Gutsche: Grundsätzlich existiert in Deutschland eine Vielzahl an Fördermöglichkeiten – sei es von staatlicher oder privater Seite. Wer also unternehmerisch tätig werden will, sollte zumindest nicht an unzureichenden finanziellen Mitteln scheitern. Wo ich nach wie vor enormes Verbesserungspotenzial sehe, das ist bei den bürokratischen Hürden für junge Unternehmen in den ersten Jahren. Allein die monatlich abzugebende Umsatzsteuervoranmeldung mit über 50 Betragsfeldern ist eine Farce. Und die momentan diskutierte Pflichtversicherung für Selbständige trägt garantiert nicht dazu bei, dass sich Unternehmer auf Ihre Aufgaben konzentrieren können und Arbeitsplätze schaffen.
VC Magazin: Gibt es (Internet-)Unternehmer, die Sie als Vorbilder oder Idole sehen?
Gutsche: Seit meiner Schulzeit haben mich besonders die Ansichten und Gedanken von Daniel Goeudevert (http://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Goeudevert) beschäftigt. Er versteht es, unternehmerisch neue Wege zu gehen und dabei trotzdem auf besondere Art und Weise, menschliche und ökologische Aspekte eines Geschäfts in Einklang zu bringen.
VC Magazin: Welche drei bis fünf Apps für Smartphones sind die wichtigsten Helferlein in Ihrem Alltag?
Gutsche: In letzter Zeit vor allem der DB Navigator (www.bahn.de), mittlerweile nicht nur praktisch, sondern auch gut bedienbar und immer dabei. Was ich nicht verstehe, warum die Tickets in einer separaten App liegen müssen. Außerdem zum Lesen der vielen Bücher kindle (www.amazon.de), txtr (www.txtr.com) oder iBooks (www.apple.com) sowie meine Zeitung digital über Zeit (www.zeit.de) und HAZ mobil (www.haz.de), Taxi rufen mit myTaxi (www.mytaxi.net).
VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für Ihr Start-up und Ihre unternehmerische Zukunft aus?
Gutsche: Nachdem wir unseren Prototypen bereits auf der diesjährigen CeBIT vorgestellt haben, arbeiten wir jetzt mit Hochdruck daran, unsere erste Version von Tutanota als private beta zum Ende des Jahres fertigzustellen. Anfang 2013 folgt dann die public beta, die alle grundlegenden Funktionen für E-Mail und Adressen mitbringt. Derzeit sind wir auf der Suche nach Pilotkunden, die von Anfang an dabei sein wollen und als Kooperationspartner für den Rechenzentrumsbetrieb in Frage kommen. Außerdem suchen wir Investoren, die unser angestrebtes Wachstum finanziell absichern.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Torsten Paßmann.
Zum Gesprächspartner
Thomas Gutsche ist Mitgründer der Tutao GmbH (www.tutao.de) und als Geschäftsführer verantwortlich für Geschäftsentwicklung, Marketing und Produktmanagement. Zuvor leitete er mehrere Jahre als Seniorberater bei PricewaterhouseCoopers (PwC) Projekte in den Bereichen IT-System- und Prozesssicherheit.