Neuer Rekord bei „Partnering-Meetings“
Auch diesmal konnte das Biotech-Branchentreffen wieder mehr Aussteller für sich gewinnen als im Vorjahr: Deren Zahl stieg von 1.800 auf über 2.000 an. Auch die Besucherzahl legte erneut zu, und kletterte um 900 auf 16.500 Gäste, aus 65 Ländern und 49 US-Bundesstaaten. Das Gros der Besucher kam aus den USA. An der Spitze der internationalen Delegationen stand Canada, gefolgt von Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Japan, Südkorea, Spanien, Australien, China und Brasilien. Einen neuen Rekord konnte die BIO bei den im Vorfeld gezielt vereinbarten Einzelgesprächen, sogenannter „Partnering-Meetings“ erzielen. Sie stieg von rund 21.000 im Vorjahr auf diesmal über 25.000 Partnering-Meetings an, an denen Vertreter von 2.900 Unternehmen teilnahmen. Die offiziellen Zahlen konnten jedoch nicht über den Eindruck manchen Besuchers hinwegtäuschen, dass die Bio in Boston etwas kleiner ausfiel als 2011 in Washington.
81 Aussteller aus Deutschland
„Weniger Gesprächspartner, dafür aber qualitativ hochwertigere Anfragen – das ist ein Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt“, lautet das Fazit von Dr. Pablo Serrano, Pressesprecher von BIO Deutschland e.V. Positiv hob er hervor, dass Biotech-Unternehmen, die einen Stand auf dem German Pavilion hatten, erstmals über das neu angebotene Booth-Partnering an den sogenannten „One-on-One-Meetings“ teilnehmen konnten. „Es ist jedoch schade, dass der Besuch des Konferenzprogramms für viele weiterhin zu teuer ist“, so Serrano.
Insgesamt waren aus Deutschland 455 Fachbesucher und 81 Aussteller präsent. Das Erscheinungsbild des deutschen Pavillions war wieder geprägt von zahlreichen Bio-Regionen, darunter BIO NRW, BioM, Bio TOP Berlin Brandenburg oder Firmen wie Morphosys und Biopharm. „Die BIO International Convention ist in diesem Jahr Ihrem Namen mehr als gerecht geworden: insgesamt waren Besucher aus 68 Ländern vertreten“, sagt Dr. Bernward Garthoff, Landesclustermanager von BIO.NRW. „Dies haben wir u.a. bei unserem NRW-Networking Empfang in der 50. Etage des Prudential Centers mit über 100 internationalen Gästen gemerkt. Aber auch unsere international besetzte „Breakout Session“ zum Thema Personalisierte Medizin – u.a. mit Experten von Miltenyi Biotec USA, Dana Faber Cancer Institute und Prometheus Laboratories – erzielte große Aufmerksamkeit“, so Garthoff.
125 Vorträge und Diskussionsrunden
Begleitet wurde die Messe wieder von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm. Zur Auswahl standen 125 Vorträge und Diskussionsrunden zu 14 Schwerpunktthemen, von Medikamentenentwicklung, Biofuels, Biomarkern, Patentrecht über Diagnostik, Personalisierte Medizin und Impfstoffe, bis hin zu neuesten Trends aus der Lebensmittel- und Agrarindustrie.
Im Fokus standen sechs hochkarätig besetzte Diskussionsrunden, „Super Sessions“, die Themen behandelten wie die Ergebnisse der Studie „Worldview 2012: Regional Innovation Scorecard“ der Fachzeitschrift Scientific American, Post-Merger Integration sowie die Präsentationen der jährlichen Biotech-Reports von Steven Burrill und Ernst & Young. Ein weiteres Highlight war das Gespräch zwischen den früheren US-Finanzministern Robert E. Rubin, Henry M. Paulson und Jim Greenwood, über die Herausforderungen der Weltwirtschaft.
Ernst & Young Global Biotech Report 2012
Dass sich die globale Biotech-Branche insgesamt weiter erholt, zeigte die Präsentation des Global Biotech Report 2012 von Ernst & Young. Erstmals seit Beginn der weltweiten Finanzkrise konnten die „etablierten Märkte“ (USA, Europa, Kanada und Australien) 2011 wieder ein Umsatzwachstum von über 10 % auf rund 83 Mrd. USD erzielen. Auch die Forschungsausgaben stiegen deutlich – um 9 % auf rund 23 Mrd. USD. Zudem floss frisches Kapital in Höhe von über 33 Mrd. USD in die Branche. Allerdings profitierten davon vorwiegend Großunternehmen mit einem Umsatz ab 500 Mio. USD.
Für die Masse der kleineren Biotech-Unternehmen bleibt die Finanzierungssituation angespannt. Trotz der auf den ersten Blick positiven Entwicklung betonte Glen Giovannetti, Partner und Global Biotech Leader bei Ernst & Young, dass es schwierig werde, dieses Ergebnis langfristig zu halten: „Das klassische Finanzierungs- und Innovationsmodell für Biotech-Firmen steht mehr denn je unter Druck“. Deswegen müsse die Branche neue Wege gehen.
F&E-Paradigmenwechsel: „holistic open learning network” (HOLNet)
„Angesichts der heutigen Kapitalknappheit können wir uns die Ineffizienz der klassischen Forschungs- und Entwicklungsprozesse für Medikamente nicht mehr leisten. Die Branche muss unbedingt Redundanzen beseitigen, die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern während der Entwicklung fördern und neue Formen des Austauschs von Daten finden“, so Giovannetti. Als neues Lösungs-Model schlug er das sogenannte „holistic open learning network“ (HOLNet) vor, das Daten unterschiedlichster Quellen aus dem Healthcare-Ökosystem bündelt, von Pharmakonzernen, über Forschungsinstituten bis hin zu Biotech-Firmen. Der Datenaustausch auch mit Konkurrenten setzt allerdings ein starkes Umdenken in den Unternehmen voraus.
Steve Burrill: Innovation trotz Sparpolitik
Wie es der Biotech-Branche gelingen kann, in einem von Sparpolitik und Kapitalknappheit geprägten Umfeld innovativ zu bleiben, stand im Fokus der Präsentation („Innovating in the New Austerity“) von Steven Burrill, CEO von Burrill & Company– einem der bestbesuchten Vorträge der Bio. Er beleuchtete die zentralen Ergebnisse seines im 26. Jahrgang erscheinenden Reports zur Lage der Biotech-Industrie. Ein verstärkter Kostendruck im Gesundheitswesen, das Auslaufen vieler Blockbuster-Medikamente und höhere Entwicklungskosten zählten zu den wichtigsten Herausforderungen der Branche, so Burrill.
Die Staatsschuldenkrise in Europa und den USA wird die Sparpolitik im Gesundheitswesen weiter verschärfen. Hinzu kommen höhere Zulassungshürden und ein schwieriger Zugang zu Kapital. Gleichzeitig steigen die Healthcare-Ausgaben durch die Überalterung der Gesellschaft, die zunehmende Zahl chronisch kranker Menschen und neue, teure Behandlungsmethoden an. Für Big Pharma steht das bisherige Geschäftsmodell auf dem Prüfstand. Die Konzerne versuchen ihre F&E-Ausgaben zu reduzieren, setzen stärker auf Kooperationen oder Übernahmen innovativer Biotech-Firmen als auf eigene Wirkstoffentwicklung, suchen neue Märkte in Schwellenländern, starten F&E-Zentren in BRIC-Staaten oder überlegen, in die Generika-Produktion einzusteigen. Besondere Bedeutung kommt einer konzernübergreifenden Bündelung von F&E-Ressourcen zu. Hier bieten sich Chancen für innovative Biotech-Firmen.
„Worldview Report and Scorecard“: Deutschland auf Platz 16
Die Innovationskraft weltweit führender Biotech-Nationen nahm der im vierten Jahrgang erscheinende „Worldview Report and Scorecard“ der US-Fachzeitschrift Scientific American unter die Lupe, dessen Ergebnisse auf der Bio präsentiert wurden. Deutschlands Innovationsfähigkeit schneidet dabei relativ schlecht ab und ist nicht unter den globalen Top Ten zu finden. Platz 1 belegen die USA, gefolgt von Dänemark, Singapur, Finnland, Schweden, Schweiz, Kanada, Irland, Neuseeland und Australien. Deutschland belegt seit 2009 nur Platz 16. Relativ gut schneiden die Deutschen beim Patentschutz, bei Stiftungen und bei der Zusammenarbeit mit Universitäten ab, schlechter in Bezug auf ein unternehmensfreundliches Umfeld und beim Thema Ausbildung/Fachkräfte.
Ausblick
Trotz aller Herausforderungen zeigte sich Jim Greenwood, President und CEO des Veranstalters Biotechnology Industrie Association (BIO) optimistisch: „Die diesjährige Bio war außerordentlich erfolgreich. Die Mehrheit der Besucher blickt positiv in die Zukunft“, so das Résumée von Greenwood. Nächstes Jahr wird die BIO International Convention vom 22. bis 25. April in Chicago (McCormick Place) stattfinden.
Markus Hofelich