Listed PE: Deutliche Unterbewertung kann Chancen eröffnen

Zwischen Totalverlust und Kursverdopplung

Blickt man allein auf den Stand der großen Indizes, so könnte der Eindruck entstehen, dass zwischen dem letzten und dem aktuellen Sommer an der Börse nur wenig Spannendes geschehen sei. Tatsächlich trifft wohl eher das Gegenteil zu – Griechenland, Spanien und den unzähligen Krisengipfeln sei Dank. Wenn man sich also mit Ein-Jahres-Horizont den börsennotierten Beteiligungsgesellschaften zuwendet, so kann der Blick auf die Zwölf-Monats-Performance immer nur ein erster Eindruck sein. Dabei ist auch dieses Mal die Diskrepanz zwischen den Top-Werten und den Titeln am Ende der Rangliste recht auffällig. Die auf junge Internetunternehmen spezialisierte eValue Europe AG (+83% seit August 2011) führt zusammen mit dem Schwergewicht BB Biotech (+77%) die Gewinnerreihe an. Es folgen die mittelständisch geprägte MBB Industries (+60,5%) und der Nebenwerte-Spezialist Shareholder Value (+50%). Wenig Grund zur Freude hatten hingegen Aktionäre des Sanierer CfC. Dieser wurde nach der Insolvenz der größten Beteiligung Berndes selbst zu einem Sanierungsfall. Das Kursminus von über 85% kommt einem Totalverlust schon sehr nahe.

Risikodiversifikation mit Beteiligungsaktien

Lohnt sich in der aktuellen Phase also der Einstieg in den Beteiligungssektor? Grundsätzlich profitiert die gesamte Assetklasse von der üppigen Liquidität und dem Anlagenotstand vieler Investoren. Während Sparer mit Festgeld de facto Vermögenseinbußen erzielen, Anleihen im Vergleich zu Aktien eigentlich viel zu teuer und Edelmetalle längst kein Geheimtipp mehr sind, bieten Aktien das attraktivste Chance-/Risikoverhältnis. Für den Beteiligungssektor spricht gerade in der jetzigen Situation das Prinzip der Risikostreuung: Viele Gesellschaften verteilen ihre Anlagen auf mehrere Unternehmen und Geschäftsmodelle. Ihre fondsähnliche Struktur erlaubt es dem Anleger, mit nur einer Aktie gleich ein ganzes Portfolio an Chancen einzukaufen. Dadurch werden Ausfallrisiken einzelner Investments begrenzt und auf Ebene der Beteiligungsgesellschaft minimiert. Gerade in konjunkturell unsicheren Zeiten kann eine solche Risikodiversifikation vor allzu unliebsamen Überraschungen schützen. Als Alternative zu einem Nebenwerte-Investment könnte beispielsweise die Aktie der Shareholder Value AG infrage kommen. Das Team um Frank Fischer und Reiner Sachs ordnet seine Investments nach strengen Value-Kriterien. Der Erfolg – auch in diesem Jahr – gibt ihnen recht. So legte der innere Wert seit Jahresbeginn um knapp 17% zu. Damit schlug die Aktie sowohl den Dax als auch den kleineren SDax. Interessant ist das Papier nicht zuletzt aufgrund seiner defensiven Qualitäten. Seit dem Ende der Finanzkrise 2009 entwickelt sich die Notiz unter recht geringen Schwankungen beständig aufwärts. Für den größeren Risikohunger eignet sich die BB Biotech-Aktie. Diese besitzt vor dem Hintergrund der weiterhin ungelösten Eurokrise einen möglicherweise noch entscheidenden Vorteil: Die Schweizer Biotech-Experten investieren nahezu ausschließlich außerhalb des Euroraumes. So ist der Großteil ihrer Gelder derzeit im US-Dollar und in großen amerikanischen Biotech-Unternehmen wie Celgene und Gilead angelegt.

Gute Perspektiven für Opportunisten

Wenn die Konjunktur schwächelt, dann schlägt die Stunde der starken Unternehmen mit gut gefüllten Kassen. Da der Gewinn bekanntlich im Einkauf liegt, sollten sinkende Unternehmensbewertungen insbesondere Gesellschaften mit opportunistischen Strategien und Buy & Build-Ansätzen zugutekommen. Einen solchen verfolgt die Münchener Blue Cap AG. Mit einem Börsenwert von gerade einmal 12 Mio. EUR zählt das Papier gleichwohl zu den Micro Caps – noch. Mit drei Übernahmen seit Jahresbeginn setzt Vorstand Hannspeter Schubert nämlich alles auf die Wachstumskarte und den Ausbau der wichtigsten Beteiligung Planatol. Der Umsatz des Klebstoffherstellers dürfte nach weiteren Zukäufen im laufenden Jahr auf fast 75 Mio. EUR anwachsen. Damit steigen zugleich die Chancen, dass die Blue Cap-Aktie ins Blickfeld neuer Investoren rückt. In einer anderen Börsenliga spielt dagegen der Sanierer Aurelius. Mit dem Ende Juli gemeldeten Verkauf der Tochter Schabmüller gelang Vorstandschef Dr. Dirk Markus ein beeindruckender Exit. Für die stolze Summe von 74 Mio. EUR geht Schabmüller an die italienische Zapi-Gruppe. Dabei hatte Aurelius seinerzeit nur rund 4 Mio. EUR für den Elektromotorenhersteller auf den Tisch legen müssen. Aktionäre dürfen sich erneut auf eine attraktive Ausschüttung freuen.

Kennzahlen deuten Unterbewertung an

Die Dividendenhöhe ist allerdings nur ein Kriterium, das auf die Unterbewertung vieler Beteiligungsunternehmen hindeutet. Während sich vor allem Mittelständler wie Indus, Gesco und MBB Industries nach der starken operativen Entwicklung im vergangenen Jahr hohe Ausschüttungen leisten können, werden kleinere Gesellschaften derzeit mit hohen Abschlägen auf den inneren Wert ihres Portfolios gehandelt. Als Kennzahl wird hier zumeist der Net Asset Value (kurz: NAV) oder Eigenkapitalwert herangezogen. Einige Beispiele: Nanostart notieren rund 15%, Scherzer-Papier 20% und die Anteile des Frühphaseninvestors mic AG sogar fast 45% unter ihrem NAV respektive Eigenkapitalwert. Wie wenig der Markt in diesen Tagen eine Zukunftsperspektive honoriert, zeigt auch die Bewertung der DEWB-Aktie. Diese notiert exakt auf der Höhe der vorhandenen Nettoliquidität (umgerechnet 1,30 EUR je Aktie). Die vier Beteiligungen gibt es damit als kostenlose Zugabe. Venture Capitalists wie Max21 leiden schließlich unter der IPO-Flaute. Die Börse fällt als Exit-Kanal praktisch aus. Investoren, die hier jedoch antizyklisch denken, sollten langfristig belohnt werden. Selbiges trifft auf die Aktien der mittelständischen Beteiligungsunternehmen Gesco und Indus zu. Beide Papiere weisen aktuell ein Kurs-Gewinn-Verhältnis im einstelligen Bereich aus, worin sich der wachsende Konjunkturpessimismus der Investoren ausdrückt. Kommt es – wie zuletzt angedeutet – zu einer Entschärfung oder gar Lösung der Eurokrise, dürften diese Titel überproportional anziehen.

 

Fazit:

Der Herbst naht und mit ihm eine traditionell eher schwierige Phase für den Aktienmarkt. Angesichts der Turbulenzen in der Eurozone bleiben Prognosen mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Diese spiegeln sich in den günstigen Bewertungen der Beteiligungsfirmen wider. Um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden, erscheint ein Einstieg in mehreren Schritten ratsam. Value-orientierte Investoren sollten dabei ihren Fokus auf die großen, etablierten Namen aus dem Industriebereich legen.

 

Marcus Wessel