Eine schöne Idee: Handwerker sollten sich auf MyHammer bei einer Internetauktion gegenseitig unterbieten, damit der Kunde den billigsten Fachmann beauftragen konnte. Das war 2005 und sprach sich so schnell herum, dass die Zahl der Nutzer bald in den hohen sechsstelligen Bereich schoss und eine Markenbekanntheit von 94% bei Handwerkern und 87% bei Verbrauchern bis heute erreicht wurde. Zwar machte man schnell einen Rückzieher von den Rückwärtsauktionen, doch erst in diesem Jahr wurde endgültig das Feld „Preisvorstellung“ abgeschafft. Dem Großaktionär Holtzbrinck Digital Strategy, der für die digitalen Engagements des Stuttgarter Verlagshauses zuständig und stets auf sein seriöses Image in der Wirtschaft bedacht ist, war das Image des Preisdumpings und der Ruch, ein Portal für Schwarzarbeiter zu sein, suspekt. Zudem war die Fluktuation unter den Handwerkern recht hoch, und viele zahlten auch die obligaten 4% Vermittlungsgebühr nicht mehr. Der geplante Strategiewechsel war teuer: von 14,1 Mio. EUR im Jahr 2011 auf 8,7 Mio. EUR im Jahr 2012 fiel der Umsatz, 50 Beschäftigte mussten gehen, Aktionär Holtzbrinck half mit einem Darlehen in Millionenhöhe aus. Gerade mal 10.000 Handwerker nutzten die Plattform, bei knapp 600.000 geeigneten Betrieben in Deutschland.
Berliner Neuzugang aus Karlsruhe
An dieser Stelle vermeldet dann die Internethauptstadt einen Neuzugang. Diesmal aus Karlsruhe. Timo Kirstein, früher Vorstandsassistent bei Knorr Capital Partner und geschäftsführender Gesellschafter eines Privatgymnasiums in St. Leon-Rot, hatte 2009 das Internetportal Handwerkerfinden.com gegründet. Der legte von Anbeginn Wert darauf, dass auf seinem Portal Handwerker mit Qualitätsansprüchen Zugang bekamen, hatte strategische Kooperationen mit den Sparkassenverbänden und Zulieferern der Handwerker wie dem Schraubenhersteller Würth angeschoben und baute so eine Datenbank von 30.000 Handwerkern auf. Bei den Handwerkern stand die schwäbische „Schaffe-schaffe-Häusle-baue“-Mentalität hoch im Kurs, doch mehr als 300.000 EUR Jahresumsatz schaffte das Karlsruher Portal nicht.
Ausblick
„700.000 Nutzer von MyHammer und 30.000 Handwerker von Handwerkerfinden.com stellen gute Synergien dar, in spätestens drei Jahren die beiden Portale zusammenzuführen“, so der neue MyHammer-Vorstand Kirstein. Bei der Neuausrichtung setzt man dabei auf die öffentliche Hand, die ab 2016 ihre Aufträge nur noch elektronisch ausschreibt und von den Handwerkern nur noch Angebote in dieser Form akzeptiert. „Wir werden die Handwerker darauf vorbereiten. Für eine Gebühr ab 44,90 EUR kann unsere Plattform und eine App genutzt werden, um die elektronische Auftragsakquise ins Handwerksunternehmen einzuführen“, so Kirstein. Noch längst nicht alle Handwerker sind auf das Internet geeicht, vieles muss per Hand eingestellt werden. „Die Logos sind oftmals nicht digitalisiert, die Kopien von Handwerkskarte, Gewerbeschein oder Meisterbrief erhalten wir per Fax oder als Kopie im Brief“, schildert Timo Kirstein die Hemdsärmeligkeit seiner Zielgruppe.