Die neue Studie „Biotechnologie- und Pharmaindustrie in der Europäischen Metropolregion München (EEM)“ untersucht Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Pharma, Auftragsforschung (sogenannte Contract Research Organizations, kurz CROs) und weiteren Segmenten der Life Sciences in und um die bayerische Landeshauptstadt. Mit 377 Biotechnologie- und Pharmaunternehmen und 8,5 Mrd. EUR Umsatz ist ein Cluster von nationalem und internationalem Gewicht entstanden. 15% der deutschen Biotech-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in der Region, in der sich zugleich 30% der landesweiten biologischen Wirkstoffentwicklung konzentriert. Und die Clusterbildung schreitet weiter voran: Seit der letzten Untersuchung 2008 nahm die Zahl der Biotechnologie-Unternehmen um 10% auf 163 zu. Der größte Wachstumsmarkt liegt aber im Bereich Auftragsforschung. Der Umsatz der CROs stieg seit 2008 um rund 60% auf 193 Mio. EUR. Auch ist die Stimmung in der Branche grundlegend positiv: Rund 75% der ansässigen Unternehmen erwarten bis 2017 eine Verbesserung ihrer Geschäftslage.
International im Nachteil
Indes wir die Attraktivität des Standorts München von den Unternehmen in der aktuellen Untersuchung im Vergleich zum Jahr 2008 schlechter bewertet. Dieter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK München und Oberbayern, kritisiert anlässlich der Veröffentlichung der Studie vor allem aber die Nachteile des Standortes Deutschland insgesamt im internationalen Wettbewerb. Driessen hob die regulatorischen Hemmnisse in Deutschland und Europa im Gegensatz zu den einfacheren Zulassungsverfahren in den USA und Asien hervor. Dort könnten Pharma- und Biotech-Unternehmen ihre Produkte schneller bis zur Markteinführung entwickeln. Deswegen fiele es Unternehmen dort auch leichter, Investoren für ihre Vorhaben zu finden oder Börsengänge anzustreben. So wurden im vergangenen Jahr in den USA 40 Börsengänge von Biotechunternehmen mit einem Gesamtvolumen von 3,4 Mrd. Dollar verzeichnet. Hierzulande hingegen blieb die IPO-Pipeline in dieser Branche leer. Biotech- und Pharmafirmen konnten über alle anderen Finanzierungswege einschließlich Fördermittel, Kapitalerhöhungen und Venture Capital lediglich 400 Mio. EUR einsammeln. Laut dem IHK-Chef müsse die Finanzierungssituation der Biotech-Unternehmen in Deutschland verbessert werden. „Die steuerliche Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung könnte die Ansiedlung neuer Venture-Fonds befördern“, so Driessen. Außerdem befürwortet er, dass der ab 2015 von der Staatsregierung geplante „Wachstumsfonds“ die Biotech- und Pharmabranche besonders stark berücksichtigen sollte.
Venture Capital von geringer Bedeutung
Dass Wagniskapital eine zu geringe Rolle bei der Finanzierung von Start-ups bei Biotechnologieunternehmen spielt, bestätigt auch Prof. Dr. Horst Domdey, Geschäftsführer des Münchener BioM. Nach seinen Angaben hat der 1997 gegründete Biotech-Cluster selbst bei dem Großteil der Neugründungen in der Region München mitgewirkt und bei rund 40% der Start-ups geholfen, die Finanzierung sicherzustellen. Er beklagt die Risikoscheu der Investoren, von denen viele nach schlechten Erfahrungen am Neuen Markt in den Jahren 1998 bis 2001 der Biotech-Branche den Rücken kehrten. Laut Domdey bräuchte man in Deutschland einen „neuen Neuen Markt für hochriskante Tech-Unternehmen“. Gleichfalls bestätigte er, dass IPOs als Exit für Wagniskapitalgeber in Deutschland in den vergangenen Jahren keine Rolle mehr spielte. Auf der anderen Seite sei ein Anschub der Politik nötig mit stärkeren steuerlichen Anreizen durch bessere Möglichkeiten zur Verlustverrechnung wie in anderen europäischen Ländern. Aber auch mehr Eigeninitiative der Unternehmen sei gefragt: „Die Politik muss etwas tun. Wir müssen die Investoren gewinnen“, so Domdey abschließend.
Die Studie kann über auf der Website der IHK München und Oberbayern herunter geladen werden.