VC Magazin: Wie kam es zur Idee, einen „Public Value Award“ auszuloben?
Schweizer: EY hat eine lange Tradition, unternehmerische Leistung zu fördern und auszuzeichnen, z.B. mit unserem jährlichen Wettbewerb zum Unternehmer des Jahres. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen EY und der HHL zum Thema Gemeinwohl bzw. Public Value lag es nahe, für einmal nicht nur auf die rein ökonomische Komponente unternehmerischen Erfolgs zu fokussieren, sondern die gesellschaftliche Wertschöpfung insgesamt zu beurteilen. So entstand die Idee des EY Public Value Awards.
Meynhardt: In der Forschung sehen wir seit Jahren, dass Start-ups zunehmend mit ihrem Gemeinwohlbeitrag konfrontiert werden: Entweder starten sie mit einer Geschäftsidee und müssen diese heute schneller denn je gesellschaftlich rechtfertigen oder sie wollen die Welt verbessern und werden dann mit der Realität konfrontiert. Egal, was das Ausgangsmotiv ist, die Gemeinwohlfrage kann man nicht ausklammern. Hinzu kommt für vielen junge Menschen heute die Sinn- und Wertfrage: Wofür mache ich das? Vor diesem Hintergrund versucht der Award, den Start-ups zu helfen, ihren gesellschaftlichen Wert selbst besser zu erkennen und diesen vor allem auch selbstbewusst zu kommunizieren.
VC Magazin: Inwiefern lassen sich Public Value und Gewinnstreben bedingungslos miteinander vereinen?
Meynhardt: Alles im Leben hat einen Preis. Allerdings sind deutlich komplexere Mechanismen am Werk als der – vermeintliche – Gegensatz von Public Value versus Gewinnstreben. Wir müssen davon wegkommen, uns allein schon im Denken in solche Gegensätze hineinzumanövrieren. Gewinn ist eine Überlebensbedingung, aber er ist nicht der Existenzgrund.
Schweizer: Public Value entsteht mit oder ohne Gewinnstreben, jedoch ist Gewinnstreben keinesfalls ein Widerspruch zu Public Value, wenn die vier andern Dimensionen der sogenannten Public Value Scorecard: Aufgabenerfüllung, Moral, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Lebensqualität, gebührend berücksichtigt werden.
VC Magazin: Haben auch Projekte aus dem Non-Profit-Bereich eine Chance?
Schweizer: Absolut. Mit der Kiron University haben wir unter den sieben Finalisten auch einen Vertreter aus dem Non-Profit-Bereich.
Meynhardt: Für uns steht der Lösungsbeitrag für gesellschaftliche Herausforderungen im Mittelpunkt. Von daher können und sollen sich Start-ups jeglicher Organisationsform bewerben, die etwas in der Gesellschaft bewegen.
VC Magazin: Die Preisverleihung findet am 27. Oktober an der HHL statt. Wie viele Start-ups haben sich beworben?
Schweizer: Wir hatten über 150 Anmeldungen und erhielten insgesamt 88 vollständige Bewerbungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien, was unsere Erwartungen für die erste Durchführung des Wettbewerbs klar übertraf. Ebenfalls beeindruckt hat uns, mit welcher Überzeugung und Selbstverständlichkeit die Teilnehmenden das Thema Public Value aufgegriffen haben.
Meynhardt: Insgesamt waren wir sehr überrascht ob der großen Resonanz und mussten daraufhin unsere eigenen internen Prozesse noch einmal anpassen. Denn in diesem Sinne sind wir hier selbst als Start-up unterwegs.
VC Magazin: Aus welchen Bereichen der Wirtschaft stammen die Bewerbungen?
Schweizer: Das Branchenspektrum der teilnehmenden Start-ups ist sehr breit. Geschäftsmodelle im Bereich Konsumgüter, Informatik, Energiewirtschaft oder Gesundheitswesen sind ebenso vertreten wie solche, die sich um Aspekte der Flüchtlingskrise drehen.
Meynhardt: Im Grunde gab es kaum eine Branche, die nicht vertreten war. Auch wenn es auf den ersten Blick ungewohnt erscheint, hat dann die Jury die Aufgabe gehabt, den Public Value eines Fintechs mit einem Start-up zum Erhalt wertvoller Kulturgüter zu bewerten. Aber genau dieses Denken von der Gesellschaft her, macht das Besondere des Preises aus.
VC Magazin: Den Gewinnern winken Reisen zu den Strategic Growth Foren in Palm Springs und Rom. Was sind die Nebeneffekte einer Teilnahme?
Meynhardt: Wir erhalten schon jetzt die Rückmeldung, wonach die Auseinandersetzung mit der Public Value-Frage für das Managementteam sehr bereichernd ist und positive Energie freisetzt. Langfristig wird das den Start-ups nützen, sich auch strategisch besser aufzustellen und nicht zuletzt die Motivation und Begeisterung der Mitarbeiter hochzuhalten.
Schweizer: Die systematische Beschäftigung mit dem Thema Public Value hilft den Teilnehmern, ihre Value Proposition und ihr Geschäftsmodell weiter zu schärfen. Die Finalisten und Gewinner können ihre Bekanntheit weiter steigern und haben damit die Chance, neue Kunden oder Investoren kennenzulernen.
VC Magazin: Herr Schweizer, Herr Prof. Dr. Meynhardt, vielen Dank für das Interview.
Markus Schweizer (li.) ist Managing Partner EY DACH. Prof. Dr. Timo Meynhardt ist Inhaber des Dr. Arend Oetker Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie & Führung an der HHL Leipzig Graduate School of Management.