M&A Kolumne von Dr. Michael Drill, Lincoln International

Die Bundesregierung hat im Juli 2017 eine Änderung der Außenwirtschaftsverordnung beschlossen. Die Änderung betrifft eine schärfere Prüfung von Erwerben deutscher Unternehmen durch Investoren mit Sitz außerhalb der EU durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Künftig hat das BMWi hierbei die Möglichkeit, bei bestimmten Transaktionsvorhaben ein Veto einzulegen und Übernahmen zu unterbinden, wenn als Folge des Eigentümerwechsels die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden könnte.

Auslöser für diesen protektionistischen Schritt der Bundesregierung war die Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka AG durch die chinesische Midea-Gruppe im vergangenen Jahr. Vergeblich hatte die Politik versucht, eine Übernahme des börsennotierten Unternehmens abzuwehren. Die Robotik gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, und man versuchte zu verhindern, dass zukunftsträchtige Technologie aus Deutschland nach China abwandert. Was sind die wichtigsten Änderungen der neuen Gesetzesverordnung und welche Auswirkungen werden für das M&A-Geschehen in Deutschland erwartet?

In den neuen Regeln wird die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch Firmenübernahmen durch ausländische Investoren näher konkretisiert. Betroffen sind hier Zielunternehmen, die in kritischen Infrastrukturen tätig sind. Konkret geht es um Firmen, die insbesondere den Sektoren Energie, IT, Telekom, Transport und Verkehr oder Gesundheit angehören und von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden. Als Beispiele seien etwa Energieversorger, Krankenhäuser, Flughäfen, Zulieferer für die Bundeswehr oder größere Mobilfunkanbieter genannt. Betroffen sind aber auch Softwareunternehmen, soweit diese Anwendungslösungen für kritische Infrastrukturen wie Strom- und Telekommunikationsnetze, Wasserversorgung oder Banken entwickeln, sowie große Anbieter von Cloud Computing-Diensten.

Das BMWi darf eine Übernahme nur prüfen und eventuell untersagen, wenn es das Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Kenntniserlangung des Transaktionsvorhabens einleitet. Zugleich ist die Prüfung innerhalb von vier Monaten abzuschließen. In Fällen, in denen ein inländisches Unternehmen, das im Bereich der kritischen Infrastruktur tätig ist, von einem Käufer außerhalb der EU erworben werden soll, besteht künftig eine Meldepflicht durch die Vertragsparteien.

Das BMWi geht derzeit davon aus, dass in Zukunft etwa 50 M&A-Vorhaben pro Jahr näher zu prüfen seien. Es ist allerdings zu hoffen, dass das BMWi von seinem Vetorecht nur äußerst restriktiv – also nur in ganz wenigen begründeten Ausnahmefällen – Gebrauch machen wird. Entsprechend erwarten wir weder einen Trend hin zu einem Protektionismus deutscher Firmen noch spürbare negative Implikationen für das M&A-Geschehen in Deutschland.

Die neue Verordnung wird allerdings bei M&A-Deals den Zeitraum zwischen Signing und Closing in bestimmten Fällen spürbar verlängern und damit die Transaktionsrisiken aus einem sogenannten MAC-Fall für Verkäufer und Käufer deutlich erhöhen. Die bis zu vier Monate andauernde Untersagungsfrist muss daher bei der Transaktionsplanung berücksichtigt werden, und in Zweifelsfällen sollte die Stellung eines Antrags auf Unbedenklichkeitsbescheinigung eventuell schon vor Signing erwogen werden.

 

Dr. Michael Drill ist Vorstandsvorsitzender der Lincoln International AG, eines auf M&A-Beratung spezialisierten Beratungshauses mit weltweit über 450 Mitarbeitern. Lincoln International verfügt über eigene Büros in den weltweit zehn größten Volkswirtschaften der Welt. Im Jahr 2016 hat Lincoln International weltweit über 160 und in Deutschland 28 M&A-Transaktionen erfolgreich abgeschlossen.