Blockchain: Wer heute nicht sät…

Folgt man dem momentanen wirtschaftlichen Geschehen, gibt es Themen um die man heute kaum herumkommt. Das Thema der GroKo ist allgegenwärtig; anhaltende Spekulationen über eine Änderung der Zinspolitik in den USA wirbeln die Märkte durcheinander und sorgen für Kursausschläge an den Börsen. Ein weiteres Thema, das nicht zuletzt durch den Bitcoin-Boom konstant durch die Breitenmedien getragen wird, ist die Blockchain. Eine dezentralisierte Datenbank, die durch kryptographische Verschlüsselungen von Transaktionsdaten eine hohe Sicherheit und Transparenz sowie Unveränderlichkeit anbietet. Für viele ein Begriff, aber was konkret diese neuartige Technologie verändern könnte, ist doch eher schleierhaft.

Blockchainbasierte Tech-Start-ups schießen aus dem Boden und bei der Frage wie all diese Unternehmen ihre Finanzierung bewältigen stößt man auf eine interessante Entwicklung. Zuletzt haben sich viele dieser Start-ups durch sogenannte ICOs finanziert. Der Begriff ICO, Initial Coin Offering ist angelehnt an das traditionelle IPO. Im Vergleich zum IPO werden beim ICO jedoch keine Wertpapiere ausgegeben, sondern sogenannte digitale Tokens, eine Art digitale Unternehmenswährung, die als direkte Investmentmöglichkeit für interessierte Anleger dient. Relevante Tech-Start-ups bieten über die „E-Coins“ somit eine neue Art der Beteiligung an, die entweder nach Erfolg des Start-ups am Markt handelbar bleiben oder aber auch nach einer bestimmten Laufzeit zurückgezahlt werden können.

Was als eine Art Crowdfunding für Technikbegeisterte gedacht war, hat sich als probates Mittel erwiesen, um Tech-Start-ups die langwierigen und schwierigen Finanzmarktregulierungen zu ersparen und sich zu einer Hybridfinanzierungsmöglichkeit entwickelt. Denn bei entsprechender Gestaltung dieser Währungen sind hier Muster von klassischen Wertpapieren zu erkennen. Da diese unter das Wertpapierhandelsgesetz fallen, rief dies die Regulatoren schon auf den Plan. Die US-Aufsichtsbehörde SEC sowie die BaFin haben bereits angekündigt an einer Regulierung zu arbeiten, China und Südkorea gingen da rigoroser vor und haben ICOs komplett verboten.

Aufgrund der fehlenden Regulierung und des fehlenden Know-hows in der Marktbreite, ist der ICO als Finanzierungstool sicher noch nicht massentauglich – doch lässt sich ein kleiner Ausblick wagen: Unternehmen könnten beispielsweise direkt mit ihren Kapitalgebern agieren, ein Großteil der Dienste von Intermediären wie Clearinghäusern, Unternehmensberatungen oder Investmentbanken könnten sich in Zukunft stark verändern oder gar obsolet werden. Für Unternehmen hätte dies deutlich niedrigere Kosten zur Folge, vor allem auch weil blockchainbasierte Währungen sich selbst verwalten. Geplante Renditezahlungen zum Stichtag ohne jeglichen Aufwand, keine direkten Transaktionskosten mehr an Mittler wie Banken oder Wertpapierhändler. Investoren würde absolute Anonymität geboten, technische Sicherheit und der direkte Handel mit anderen Investoren vorbei an klassischen Gebührenstrukturen. Der gesamtwirtschaftliche Gedanke ist durchaus reizvoll, da hier für Unternehmen und Investoren ein Mehrwert geschaffen wird.

Für alle Intermediäre in traditionellen Transaktionsgeschäften gilt sich folglich die Frage zu stellen, ob und inwiefern sie von den Fortschritten dieser Technologie – nicht nur durch ICOs – beeinflusst werden. Die Blockchain bietet auch Chancen wie ein erweitertes Angebotsportfolio mit blockchainbasierten Diensten als Added Service oder die Beratung zu den Nutzungsmöglichkeiten solcher Systeme. Nicht heute aber schon in naher Zukunft ist mit solchen Möglichkeiten zu rechnen. Wie ernst globale Unternehmen der Finanzbranche diese Entwicklung nehmen, lässt sich gut an einer Transaktion Mitte letzten Jahres erkennen. Ein Konsortium aus namhaften internationalen Banken, unter anderem der Bank of America, Deutsche Bank und weitere investierte 107 Mio. USD in ein Blockchain-Start-up. Andere namhafte Spieler entwickeln sogar Kompetenzen in diesem Bereich Inhouse. Die Zeichen sind deutlich und wer heute vergisst zu sähen wird in Zukunft auch nichts ernten können.

 

Dr. Martin Kanjuh ist Director bei Oaklins Germany und leitet den Standort in Frankfurt. Das Unternehmen mit Standorten in Hamburg, Stuttgart und Frankfurt berät Mandanten im gehobenen Mittelstand und hat als älteste M&A-Beratung in Deutschland und als Teil der Angermann-Gruppe seit dem Gründungsjahr 1953 mehr als 1.000 nationale sowie grenzüberschreitende Transaktionen erfolgreich beraten.