Deutschland First? – Neuer Nationalismus bei der Regulierung der Wirtschaft

Die zentrale Norm des umstrittenen neuen deutschen Kulturgutschutzgesetzes lautet: „Nationales Kulturgut unterliegt als Teil des kulturellen Erbes Deutschlands dem Schutz gegen Abwanderung aus dem Bundesgebiet nach diesem Gesetz.“ Die Ausfuhr von Kunstwerken, die als „identitätsstiftend für die Kultur Deutschlands“ angesehen werden, steht demnach unter einem Genehmigungsvorbehalt.

Auch zentrale Bereiche der deutschen Wirtschaft stehen mittlerweile über die Außenwirtschaftsverordnung unter einem ähnlichen „Kulturgutschutz“. Die Zeiten, in denen Deutschland über ein eher laxes Außenwirtschaftsrecht verfügte, sind vorbei. Nach dem Beispiel Frankreichs wurde im vergangenen Jahr ein Katalog von sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbereichen eingeführt, in denen ein Anteilserwerb von 25% und mehr eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt und untersagt werden kann. Dazu gehören Energie, Wasser, Ernährung, Informationstechnik und Telekommunikation, Gesundheit, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und Verkehr – also eigentlich fast alle relevanten Zukunftsbereiche. Eine weitere Ausweitung der staatlichen Eingriffsbefugnisse ist angesichts einer entsprechenden Bundesratsinitiative zu erwarten.

Im August nun hat die Bundesregierung erstmals Ernst gemacht und grünes Licht gegeben für die Untersagung des Erwerbs der Leifeld Metal Spinning AG durch einen chinesischen Investor. Die Transaktion wurde daraufhin abgesagt. In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang wurde sogar unterhalb der Eingriffsschwelle der Außenwirtschaftsverordnung der Einstieg Chinas in die deutsche Stromversorgung verhindert. Die Bundesregierung ließ die KfW einen 20%-Anteil an dem Netzbetreiber 50 Hertz erwerben, den ein chinesischer Staatskonzern ins Visier genommen hatte.

Wachsamkeit vor chinesischen politischen und wirtschaftlichen Langfriststrategien mag durchaus berechtigt sein. Der tiefere Grund für das Erstarken von Handelshemmnissen und eines neuen Nationalismus auch im deutschen Wirtschaftsleben ist jedoch ein anderer. Der Ausverkauf von nationalem Kulturgut war mehrere Jahrhunderte lang kein Thema, solange derartige Liberalität uns nutzte. Früher ging es nämlich darum, europäische und auch deutsche Museen mit den Kulturgütern anderer Nationen zu bestücken. Ähnlich waren Globalisierung und Auslandsinvestitionen so lange kein Problem, wie es um deutsche Investitionen im Ausland ging. Jetzt ist die Sache anders.

In der deutschen Wirtschaft und in der deutschen Politik geht die Angst um, ob man in Zukunft noch mit den Wettbewerbern aus dem Ausland mithalten kann. Gegenwärtig läuft der Trend gegen uns. So macht zum Beispiel die deutsche Autoindustrie momentan vor allem durch Negativschlagzeilen von sich reden. Autoindustrie und Politik haben die Elektromobilität entweder verschlafen oder bewusst zu bekämpfen versucht. Auch im Bereich Digitalisierung spüren Politik und Wirtschaft die disruptive Wirkung neuer Technologien und neuer Ideen, aber scheitern an der richtigen Antwort.

Der neue Nationalismus ist, wie oft, auch hier ein Zeichen von Schwäche. Das wird bestätigt durch den Umstand, dass zur gleichen Zeit China den entgegengesetzten Weg geht und seine Regeln für ausländische Investoren liberalisiert. China ist so weit, dass es sich auf wirtschaftlichem Gebiet eine gewisse Liberalisierung leisten kann. Wir hingegen meinen, uns die Liberalität vergangener Zeiten nicht mehr leisten zu können – kein schöner Gedanke.

Innovationskraft, Dynamik und notwendige grundlegende Reformen lassen sich auf Dauer nämlich nicht durch nationale Schutzvorrichtungen ersetzen. Nur ein entsprechender Einstellungswandel wird verhindern können, dass wesentliche Bereiche der deutschen Wirtschaft bald nur noch Objekte für Technikmuseen sind. Eine strikte Außenwirtschaftsverordnung hingegen kann hier kaum helfen. Immerhin wird sich auch deren Anwendungsbereich dann weitgehend erledigt haben. Für Museumsstücke könnte nämlich gleich das Kulturgutschutzgesetz angewandt werden.

 

Dr. Matthias Birkholz ist Gründungspartner der Berliner Rechtsanwaltssozietät Lindenpartners. Die Beratung von Gesellschaften, Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten in Zusammenhang mit Fragen der Pflichtverletzungen von Gesellschaftsorganen bildet einen besonderen Schwerpunkt seiner Tätigkeit.