Nur wer selbst gegründet hat, kann wirklich beurteilen, welche Herausforderungen zu meistern sind, und sagen, ob sich die Selbständigkeit lohnt. In Erfahrungsberichten erzählen Start-up-Gründerinnen von ihrem Weg. Diesmal: Corinna Haas, Inga.one.
Wenn mich jemand vor drei Jahren gefragt hätte, wie mein Leben heute aussehen würde, wäre meine Antwort vermutlich weit von der Realität entfernt gewesen. Denn eine erfolgreiche Start-up-Gründung im Social Recruiting-Bereich mit einem wunderbaren Team von aktuell neun Leuten, stabilen Umsätzen und zufriedenen Kunden stand 2015 ganz und gar nicht auf meinem Plan. Damals war mir nur klar, dass ich mich nach über elf Jahren im Konzernumfeld neu orientieren wollte.
Suche nach Sinn und Gestaltungsspielraum
Bei J.P. Morgan hatte ich als Hochschul-Recruiterin unglaublich tolle Möglichkeiten, jungen Talenten einen Zugang zum Investmentbanking zu bieten. Die Aufgaben waren vielfältig und spannend, die Abläufe sehr professionell und erprobt. Keine Recruitingseason glich der anderen, und meine Entwicklungsmöglichkeiten waren erfüllend. Doch nach der Finanzkrise 2008 hatte ich anhand meiner Zielgruppe der Hochschulabsolvierenden erkannt, dass sich die Ansprüche an das Arbeitsumfeld verändert hatten. Nicht nur die Generation Y war auf der Suche nach Work-Life-Balance, Sinnhaftigkeit, Impact und Gestaltungsspielraum. Diese Anforderungen an ein erfüllendes und ausgewogenes Arbeitsleben konnte ich auch in meinem privaten Umfeld immer mehr erkennen, bis auch meine innere Stimme nach Veränderung immer lauter wurde. Wo und wie könnte ich schnell und in meinem Sinne etwas bewegen und verändern? Wie kann ich die Welt des Recruitings und des Arbeitens umgestalten? Für diese Fragestellung brauchte ich Gedankenraum und Zeit für mich. Daher verließ ich schweren Herzens die Bank und die Konzernwelt, um meinen neuen Weg zu erkunden.
Die Welt mitgestalten
Dieser führte mich Ende 2015 in die erste Gründung oder besser gesagt in die freiberufliche Selbstständigkeit mit CO3 Recruiting. Ich unterstütze Start-ups im Aufbau von Strukturen und Prozessen rund um Personalthemen und sehe mich als HR-Architektin. Was mich hier bewegt, ist die Möglichkeit, meine Sichtweise auf HR als Kompetenzbereich und wesentliches Element eines erfolgreichen Start-ups früh zu etablieren. Start-up für Start-up kann ich so die Welt mitgestalten. Gleichzeitig wollte ich aber auch die Konzerne und Mittelstandsunternehmen erreichen und dazu beitragen, dass Talente sich im passenden Job entfalten können und Personaler mehr Zeit für das Wesentliche haben, nämlich den konstruktiven Austausch mit Mitarbeitern und Bewerbern. Ich selbst liebe an meiner Arbeit im Personalbereich die Kommunikation mit Menschen. Daher lege ich auch viel Wert auf ein großes und intensiv gepflegtes Netzwerk mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten, deren Leidenschaft für das, was sie tun, das verbindende Element darstellt.
Dialog mit den Talenten
So ergab es sich, dass im Sommer 2017 meine zweite Gründung ihren Anfang nahm. Gemeinsam mit Kim Körber und Francisco Otto entstand INGA – Your Social Recruiting Bot, zuerst als Projekt neben unseren jeweiligen Beratungstätigkeiten und seit Juni 2018 mit vollem Fokus. INGA bietet dabei eine neue Art des Recruitings, indem wir Social Media-Reichweite mit einer Chatbot-Konversation kombinieren. Wir erreichen Talente, die latent wechselwillig sind, sich aber wegen oftmals zeitaufwendigen Bewerbungsprozessen und Unsicherheiten doch nicht aus ihrer Komfortzone bewegen, jedoch in einem anderen Job mehr in ihre Stärke kommen könnten. Und Personalern geben wir durch die automatisierte Vorqualifikation mehr Zeit für den Dialog mit den Talenten.
Achterbahn der Gefühle
Manchmal kann ich gar nicht fassen, wie rasant sich mein Leben in den letzten drei Jahren verändert hat. Es ist oftmals eine Achterbahn der Gefühle, ich lerne jeden Tag Neues dazu und bewege mich häufig außerhalb meiner Komfortzone. Und gerade deswegen ist es die beste Zeit meines Lebens.
Corinna Haas ist Mitgründerin von INGA – Your Social Recruiting Bot, und unterstützt außerdem Start-ups als HR-Architektin beim Auf- und Ausbau von Strukturen und Prozessen rund um Personalthemen. Zuvor war sie elf Jahre lang für das Graduate Recruiting bei J.P. Morgan in Frankfurt zuständig und hat High Potentials eine Karriere im Investmentbanking ermöglicht. Durch den Kontakt zu jungen Studierenden hat sie für sich erkannt, dass sich Konzerne nur langsam an die Veränderungen im Arbeitsmarkt anpassen. Sie hat sich deshalb 2016 selbstständig gemacht – mit der Vision, die Welt des Recruitings und Arbeitens zu verbessern. Neben CO3 Recruiting tut sie dies nun mit dem innovativen Ansatz von INGA, bei dem das Talent in den Mittelpunkt gestellt wird, die Ansprache über Social Media erfolgt und Chatbots einen informativen und zeiteffizienten Dialog ermöglichen.