Nachdem sich der Kurs des Bitcoin im Jahr 2018 noch mal halbiert hat, scheint der Hype der Kryptowährungen vorbei. Unterdessen entstehen neue Unternehmen, welche Blockchain- bzw. Distributed Ledger-Technologie (DLT) für ihre Ziele nutzen. Chain.de nennt hierzulande 151 Start-ups, davon 72 in Berlin. Die Bandbreite reicht von IOTA, die das Internet of Things voranbringen wollen, bis hin zu Beercoin, eine Währung, die auf Bierkonsum beruht. Was ist also künftig von der Technologie zu erwarten?
„Das gesamte Thema Blockchain befindet sich im Umbruch, nicht nur in Deutschland“, so Frank Thelen, Gründer und CEO von Freigeist Capital. „Wir sind im Wandel von den Zeiten des Goldrauschs im Wilden Westen, der vom Bitcoin geprägt war, hin zu einer nüchternen, rationalen Sichtweise.“ Über 1.000 substanzlose Kryptowährungen seien inzwischen wieder verschwunden. Die Entwicklung gehe damit in die richtige Richtung, so Thelen. Dass DLT die Finanzwelt transformieren wird, gilt als sicher. Sie kann etwa Banken als Mittelsmänner im Zahlungsverkehr ausschalten, und Finanzierungen per ICO sind schon Realität. Das Berliner Start-up Neufund setzt auf DLT als Grundlage für den Handel mit Unternehmensanteilen. Das löse mehrere Probleme, so Investor Thelen: „Zum einen ist der Ersterwerb von Anteilen sowie der Handel an Börsen deutlich einfacher, da keine Notwendigkeit für das Clearing herrscht. Des Weiteren können in Smart Contracts viele Regelungen vorab festgelegt und dann automatisch ausgeführt werden.“ Das komme beispielsweise bei der Ausschüttung von Dividenden oder Gesellschafterbeschlüssen zum Tragen. Auch Christophe Maire, Gründer von Atlantic Labs, hat bei Neufund investiert. „Ein echter Anwendungsbereich für die Technologie ist die ‚Tokenisierung‘ von bestehenden Assetklassen.“ Neufund sei hier Vorreiter und habe gerade erfolgreich in einem weltweit ersten Equity Token Offering (ETO) echte Unternehmensanteile als Blockchain Tokens ausgegeben. Das Potenzial geht weit über die Finanzwelt hinaus. Schließlich gibt es unzählige Anwendungsmöglichkeiten für das Prinzip „Distributed Ledger“, also verteilte Register von Transaktionsdaten. Laut CB Insights könnte die Technologie auf Sicht in 50 Branchen und Lebensbereichen Fuß fassen, von Messaging Apps über Supply Chain Management bis hin zu demokratischen Wahlen.
Impulse aus der Industrie
Viele Unternehmen testen Blockchain-Anwendungen oder setzen diese bereits ein. Die Reederei Maersk arbeitet mit der Plattform Hyperledger zusammen an einem System, das Dokumente im internationalen Frachtgeschäft digital und fälschungssicher abbilden soll. Und Microsoft unterstützt zusammen mit Accenture die Initiative ID2020, die Menschen ohne legale Ausweisdokumente ein Blockchain-basiertes Identifizierungssystem bieten will. „In Deutschland hat besonders die Industrie erkannt, dass die verteilte, sichere Speicherung von Daten sinnvoll sein kann“, sagt Thelen. Der Energieversorger Innogy z.B. setze Distributed Ledger beim Energiehandel ein: „Verkauf, Verteilung und Einkauf von Strom werden vollautomatisiert abgewickelt, ohne dass ein Vermittler eingeschaltet werden muss.“ Auch wenn sich viele Venture Capital-Geber das Thema Blockchain auf die Fahnen geschrieben hätten, kämen viele Impulse tatsächlich aus der Wirtschaft, so Thelen. Diese Einschätzung teilt Dr. Thomas Schönfeld, Blockchain-Spezialist bei PwC: „Wir sehen eine klare Zunahme von Anfragen und Gesprächsbedarf unserer Kunden, besonders hinsichtlich regulatorischer und steuerlicher Compliance bei ICOs.“ In vielen dieser Fälle gehe es nicht um F&E, sondern um die produktive Umsetzung und deren Begleitung. Spannend sei die Entwicklung immer dort, wo es konkrete Anwendungen gebe, die die eigentlichen Stärken der Technologie ausspielen: „Das gilt bei der Interaktion vieler Beteiligter, die einander nicht a priori vertrauen und die Werte untereinander austauschen bzw. transferieren möchten.“ Weit fortgeschritten ist der Einsatz in Prozessen, in denen umfangreiche Dokumentationen anfallen und zwischen den Parteien ausgetauscht werden müssen. „Das zeigt sich etwa im Bereich der Lieferketten von Nahrungsmitteln bei den Herkunftsnachweisen und in der Begebung von Konsortialkrediten, in deren Entstehung sehr umfangreiche Dokumentation zu erstellen und zwischen den Vertragsparteien abzustimmen ist“, so Schönfeld.
Deutsche Investoren unter den Top 50 der Welt
Auch im öffentlichen Bereich werden die Einsatzmöglichkeiten ausgelotet. Gemeinsam mit der Initiative „Blockchain in der Verwaltung Deutschland“ will der Blockchain Bundesverband eine Basisinfrastruktur für Deutschland entwickeln. Gemeinsam mit Partnern aus Behörden, der Industrie, Start-ups, Institutionen und europäischen Initiativen soll eine belastbare, rechtssichere und zukunftsorientierte Infrastruktur für digitale Verwaltungsdienste entstehen. „In Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine sehr aktive Szene entwickelt“, so Schönfeld. Gerade die ICO-Welle im vergangenen Jahr habe deutlich mehr Wagniskapital in den Markt gebracht. Wichtig sei es jetzt, den Gründergeist und die Risikobereitschaft zu erhalten. Neben Freigeist und Atlantic Labs sind in Deutschland zum Beispiel Blueyard und Lake Star in diesem Bereich aktiv. Cryptofundresearch nennt unter den globalen Top 50 der Venture Capital-Gesellschaften, die in Blockchain-Start-ups investieren, drei deutsche: Auf Platz 27 steht Earlybird, die aktuell in Traxpay, Xain und BigChainDB investiert sind, weiterhin die FinLab AG mit Beteiligungen an Vaultoro, Iconiq Lab und EOS.io sowie Catagonia, zu deren Portfolio HydroMiner, AppCoins und Envion zählen. „Deutsche Venture Capital-Investoren spielten in der Vergangenheit eine verhältnismäßig geringe Rolle“, so Maire, der Potenzial für neue Player sieht.
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