Shell übernimmt sonnen. Alibaba investiert in Konux. PayPal engagiert sich bei Raisin. N26 erhält Kapital von Insight Venture Partners und einem Investmentfonds des Staates Singapur. Die ersten zwei Monate des Jahres waren geprägt vom Appetit ausländischer Investoren und Konzerne auf deutsche Wachstumsunternehmen. Und es scheint keine Momentaufnahme zu bleiben, der Wettbewerb hält an.
VC Magazin: Zuletzt gab es in Deutschland einige große Finanzierungsrunden und Exits mit internationalen Investoren und Käufern. Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach das Interesse dieser Gruppen an hiesigen Techunternehmen?
Thümmler: Der deutsche, aber auch der europäische Techmarkt sind für US-Amerikaner und Asiaten ein attraktiver Supermarkt, in dem sie einkaufen. Die Wachstumsmärkte liegen natürlich in Asien und auch in Nordamerika. Dagegen findet Europa mit dem Flickenteppich aus Regulation der einzelnen Länder, Komplexität und auch Unwägbarkeiten schwer zu einem eigenen Superpowerimage, das es dringend bräuchte. Wir haben also ganz klar einen Markt, der internationale Investoren und Käufer anzieht. Es gibt natürlich auch immer wieder Deals – beispielhaft dafür steht etwa der Verkauf von Brille24 an Essilor International aus Frankreich –, die die innereuropäische DNA stärken.
VC Magazin: Was begründet die hohe Nachfrage internationaler Player? Sind es starke Technologien oder doch eher die vergleichsweise moderaten Bewertungen?
Thümmler: Das Bewertungsgefälle spielt natürlich eine Rolle. In den USA und dort insbesondere im Silicon Valley sind die Bewertungen schon immer deutlich über denen in Deutschland. Auch China und Asien haben in den letzten Jahren spürbare Anstiege verzeichnet. Das ist auf der einen Seite stark liquiditätsgetrieben, auf der anderen Seite aber auch der Tatsache geschuldet, dass das riesige Binnenmärkte sind. Die Unternehmen haben dort gigantische Wachstumschancen und damit auch berechtigterweise viel höhere Bewertungen als ihre europäischen Pendants. Neben den größeren Herausforderungen bei der Expansion haben es Tech-Start-ups in Europa zudem schwerer, signifikante Summen in der Series B, C oder D einzusammeln. Das war schon immer so und es ist nach wie vor gefühlt so, müsste sich aber in der Zukunft noch stärker zum Positiven wenden.
VC Magazin: Deutsche Konzerne scheinen dagegen kaum als Käufer für Start-ups aufzutreten. Täuscht der Eindruck?
Thümmler: Ich schätze, dass etwa zwei Drittel der Unternehmen, die verkauft werden, in der Tat an ausländische Unternehmen oder Investoren gehen. Das restliche Drittel übernehmen Käufer aus Deutschland bzw. der DACH-Region. Das liegt aber meines Erachtens nicht an einem mangelnden Interesse. Vielmehr sind die deutschen Unternehmen oftmals konservativer. Da sie selbst konservativer bewertet sind, tun sie sich schwerer, aggressive Bewertungen für Zukäufe zu bezahlen. Dazu kommt die Tatsache, dass wir hierzulande bei Weitem nicht so einen potenten Kapitalmarkt haben wie es ihn in den USA, China oder Asien gibt. Man müsste schon die Börsen in Deutschland, Paris, Mailand und Skandinavien zusammenlegen, um hinsichtlich der Liquidität und des Durchsatzes konkurrieren zu können. Da haben dann auch Großkonzerne ein Problem hohe Kaufpreise für Techunternehmen zu stemmen. Ein Beispiel dafür ist Scout24: ein deutscher Internetkonzern, der sicherlich noch aggressiver zukaufen könnte, nun aber sehr wahrscheinlich selbst von Private Equity-Fonds in einem Taking-private geschluckt wird.