Verschiedene Bewertungsansätze bei Early Stage-Unternehmen

Kolumne von Jan Hatje, Oaklins Germany

Finanzierungsrunden schaffen es häufig nur in prominenten Fällen wie bei GetYourGuide, Celonis oder N26 in die Medien. Aber wie bewertet man ein Unternehmen, das Cash verbraucht und nicht generiert?

Ein positives Wirtschaftsklima setzt auch bei Start-ups den richtigen Rahmen: In den letzten Jahren sind die Bewertungen allgemein deutlich angestiegen: So zeigt zum Beispiel der Cloud Index von Bessemer Venture Partners eine Steigerung von 456% seit Januar 2014.
Aber es ist keine triviale Aufgabe, den individuellen Unternehmenswert zu bestimmen. Die meisten Start-ups haben keine lange Erfolgsgeschichte und ein sehr niedriges materielles Vermögen. Der Wert muss also aus Ideen, Know-how und dem Potenzial des Teams kommen.

Zur Bestimmung dieser Werte ist beispielsweise die Berkus-Methode geeignet. Bei diesem Bewertungsverfahren werden Unternehmen anhand von fünf Schlüsselkriterien (Idee, Produkt/Technologie, Managementteam, strategische Partnerschaften, Umsatz) eingeschätzt. Eine Erweiterung davon ist die Risk Factor Summation-Methode, bei der ein Anfangswert anhand von Vergleichswerten aus dem Markt bestimmt und dann mit Hilfe von zwölf Risikofaktoren adjustiert wird. Beide Methoden geben eine grobe Vorstellung davon, wie viel das Unternehmen wert ist und vor allem, was verbessert werden kann.
Ein Großteil der Bewertungen von Early Stage-Unternehmen wird mittels Vergleichswerten durchgeführt. Relevante KPIs oder branchenspezifische Faktoren werden im Verhältnis zu bereits bewerteten Unternehmen gesetzt. Dabei sind Umsatz- oder Rohertragsmultiplikatoren die am häufigsten verwendeten Größen. Ergebnismultiplikatoren scheiden aufgrund der Verlustsituation als Vergleichswerte aus. Wichtiger ist, wie das Wachstum skaliert werden kann, ab wann mit positiven Erträgen zu rechnen ist und wie sich der Kunde monetarisieren lässt.

Der Nachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass sich die Bewertung eines Start-ups je nach Marktlage stark ändern kann. Darüber hinaus sind strategische Aspekte im Rahmen von Bewertungen für Dritte nicht immer einfach zu beurteilen.

Genauso üblich ist die Discounted Cashflow-Methode. Der Schlüssel zur korrekten Anwendung dieses Bewertungsverfahrens besteht darin, einerseits für die Umsatzprognose den Gesamtmarkt und sein erwartetes Wachstum sowie den möglichen Marktanteilserwerb zu schätzen. Andererseits werden die Cashflows prognostiziert, indem die fixen und variablen Kosten des Start-ups sowie der zukünftige Bedarf an Betriebskapital und Investitionen identifiziert werden.

Eine Erweiterung dieser Methode ist die First Chicago-Methode, welche nicht nur ein, sondern gleich drei Szenarien berücksichtigt. Jede Bewertung erfolgt nach der Discounted Cashflow-Methode oder, wenn dies aufgrund mangelnder Datengrundlage nicht möglich ist, mit interner Renditeformel oder Exit-Multiplikatoren.

Jede der genannten Methoden führt zu einem Ergebnis, häufig jedoch einem anderen. Es gibt also nicht den einen „richtigen“ Wert, aber die Methoden führen zu einer verlässlichen Bandbreite. Weitere Faktoren, zum Beispiel die Liquidationspräferenz, Stimmrechtsverteilung oder sonstige Regelungen im Term Sheet, beeinflussen den Wert zusätzlich und müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Auch die Größe der Finanzierungsrunde und wie lange das eingeworbene Kapital zur Wachstumsfinanzierung reicht spielen eine Rolle. Zu guter Letzt ist gerade für die Altgesellschafter die Verwässerung in jeder Runde ein relevantes Kriterium. All solche Faktoren können nicht in einem der genannten Bewertungsverfahren abgebildet werden, sind aber genauso wichtig wie die Unternehmensentwicklung selbst.

 

Jan Hatje ist Vorstand bei Oaklins Germany und leitet im Unternehmen die weltweit tätige Technologie Group. Oaklins ist eine weltweit aufgestellte Beratung für mittelständische Unternehmenstransaktionen und mit 800 Beratern an 60 Standorten in 40 Ländern vertreten.