Seit der globalen Finanzkrise sind die Finanzmärkte von einer weltweiten Liquiditätsschwemme durch die Notenbanken geprägt. Die Folge ist ein historisch niedriges Zinsniveau mit Negativzinsen für die meisten europäischen Staatsanleihen. Nur noch 23% aller ausstehenden Anleihen in Europa rentieren laut Bloomberg über der Inflationsrate. Die klassische Fokussierung der Portfolios europäischer institutioneller Anleger auf Staatsanleihen und Pfandbriefe kann daher keinen realen Werterhalt des verwalteten Vermögens mehr gewährleisten. Aus diesem Grund verstärkt sich die Suche nach Alternativen, die die entstandene Renditelücke schließen und Diversifikationspotenziale bieten. Neben den bereits etablierten alternativen Assetklassen wie Private Equity oder Hedgefonds rückt dabei Private Debt zunehmend in den Fokus der Anleger.
Während sich Unternehmensfinanzierungen außerhalb des Banksektors in den USA bereits Anfang des Jahrtausends etablierten, entwickelte sich die Assetklasse in Europa erst nach der Finanzkrise mit dem schrittweisen Rückzug der Banken als Finanzierungsquelle – aufgrund regulatorischer Einschränkungen. Parallel zu den regulatorischen Einschränkungen für die Banken wurden die Auflagen für Private Debt-Fonds in Europa gelockert. In Deutschland erlaubt das regulatorische Umfeld seit 2016 eine Vergabe erstrangiger Darlehen durch Kreditfonds. Bezogen auf den gesamten Kreditmarkt fokussieren sich die Private Debt-Fonds auf Nischenmärkte und dabei insbesondere auf die Fremdfinanzierung von Übernahmen mittelständischer Unternehmen (KMU). Der Anteil von Nicht-Bankenfinanzierungen am europäischen Leveraged Loan-Markt lag laut S&P LCD Review 2015 bereits bei 76% und am US-Mid Market sogar bei 82%.
Eigenschaften lassen sich individuell akzentuieren
Aufgrund der größeren Möglichkeiten, die das regulatorische Umfeld bietet, hat sich die Struktur des Private Debt-Marktes geändert. Während sich das Darlehensvolumen 2012 noch zu 88% aus Mezzanine-Finanzierungen und nur zu 6% aus Senior Debt zusammensetzte, entfielen vergangenes Jahr 51% des Darlehensvolumens auf Senior Debt und nur noch 15% auf Mezzanine. Debt-Fonds decken damit auch in Europa die gesamte Kapitalstruktur eines Leveraged Buyouts jenseits des Eigenkapitals ab. Der höhere Anteil an Senior Debt erklärt zudem die Anpassung der Renditeerwartungen. So liegt der Netto-IRR (Median) europäischer Private Debt-Manager nun bei circa 6% bis 7%, während er in früheren Jahren zwischen 9% und 11% lag. Aufgrund der Fokussierung auf KMU und der höheren Flexibilität weist Private Debt damit ein Rendite-Premium im Vergleich zu gelisteten Bonds auf. Darüber hinaus ergibt sich aufgrund der zunehmenden Vielfalt des Private Debt- Marktes noch eine Vielzahl weiterer Gründe, welche Private Debt für Anleger attraktiv machen. Die verschiedenen Kategorien, Direct Lending, Distressed Debt, Infrastructure Debt, Special Situations, Venture Debt und Mezzanine, ermöglichen es Investoren, ein diversifiziertes und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmtes Portfolio zusammenzustellen. Die Eigenschaften stabile Erträge, niedrige Volatilität, gute Diversifikations- und Korrelationseigenschaften und attraktives Rendite-Risiko-Profil lassen sich dabei je nach Zusammensetzung akzentuieren. Darüber hinaus profitieren manche Investoren von regulatorischen Vorteilen und geringerer Eigenkapitalhinterlegung als bei gelisteten Anleihen. Damit bietet sich Private Debt fast schon optimal als Portfoliobeimischung und Bondersatz an.
Renditeanforderungen steigen
Wie bei allen Assetklassen wirken sich die hohe Nachfrage und der damit einhergehende Überschuss an Liquidität auch auf den Markt für Private Debt aus. So müssen die Fonds deutlich höhere Einstiegsmultiples akzeptieren, um eine Transaktion abschließen zu können. Dies lässt den Fremdkapitalanteil deutlich steigen, um die Renditeanforderungen der Eigenkapitalgeber halten zu können. Zudem können Darlehensgeber die Vertragsbedingungen nur noch sehr eingeschränkt zu ihren Gunsten beeinflussen. Sogenannte Covenant Lite-Strukturen, in denen nur noch ein bis zwei Covenants von den Darlehensnehmern einzuhalten sind, sind mittlerweile bei circa 80% der Darlehen die Regel. Die Industrie reagiert auf dieses Umfeld zum einen mit einem Fokus auf die höher besicherten erstrangigen Kredittranchen, wie der erwähnte Anstieg der Senior Debt-Darlehen zeigt. Zum anderen setzt die Branche verstärkt auf sogenannte Unitranche-Kredite, auf die 2018 30% des Darlehensvolumens entfielen. Unitranche-Darlehen sind eine Mischung aus vorrangig und nachrangig besicherten Tranchen. Sie bieten daher eine höhere Verzinsung. Diese geben Kreditnehmern und -gebern die Möglichkeit eines auf die konkreten Anforderungen und Wünsche maßgeschneiderten Kreditinstrumentes.
Und im konjunkturellen Abschwung?
Die gute konjunkturelle Entwicklung seit der Finanzkrise war ein optimales Umfeld für Kreditgeber. Die Ausfallraten liegen auf einem historisch niedrigen Niveau. Allerdings nehmen aktuell die konjunkturellen Risiken zu. Da die Private Debt-Industrie in Europa erst seit Kurzem die ganze Bandbereite an Darlehen vergeben darf, existieren keine aussagekräftigen historischen Zahlen, wie sich die Portfolios in einer Rezession entwickeln. Für den amerikanischen Markt hat sich aber in der Vergangenheit gezeigt, dass Darlehen an mittelgroße US-Unternehmen deutliche niedrigere Default- und wesentlich bessere Recovery-Raten aufweisen als breit syndizierte Darlehen. Dies führte zu einer Verlustrate von 0,7% der Darlehen an mittelgroße Unternehmen im Vergleich zu 1,2% bei den größeren. Der verstärkte Fokus auf das Mid Market-Segment der Private Debt-Fonds sollte also auch bei einem konjunkturellen Abschwung von Vorteil sein.
Michael Thiebes ist Vorstand und Partner der Solutio AG. Er ist zuständig für Produktentwicklung und Strukturierung, Finanzen sowie Recht und Compliance.
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