Bei den meisten Smartphones zählt das kabellose Laden der Akkus bereits zum Standard. Auch bei größeren Geräten, Fahrzeugen und industriellen Maschinen kommen zunehmend Akkus zum Einsatz. Diese werden überwiegend noch mit Steckern geladen – doch auch in der Industrie geht der Trend in Richtung Digitalisierung, Automatisierung und hohe Flexibilität. „Wenn es um moderne industrielle Prozesse geht, stellt die Stromversorgung autonomer Fahrzeuge und Roboter mit herkömmlichen Energiesystemen einen der größten Flaschenhälse dar“, sagt Johannes Mayer, Geschäftsführer der Freiburger Wiferion. So gehe bis zu 30% der Einsatzzeit nur durch das Aufladen verloren.
Mayer ist Physiker und Betriebswirt. Gemeinsam mit drei weiteren Mitarbeitern des Fraunhofer-Instituts gründete er das Start-up im Jahr 2016. Zu Beginn lag der Fokus auf der Technologie für das induktive Laden. „Die ersten Monate haben wir Bootstrapping betrieben“, erinnert sich Mayer. Nach einigen Monaten erhielt das Team eine Förderung aus dem Exist-Forschungstransferprogramm. Im Juli 2016 stieß ein Patentanwalt und Elektroingenieur als Business Angel dazu, der die Patentstrategie entscheidend mitentwickelte. Nach etwa einem Jahr war der erste Prototyp fertiggestellt: eine Ladestation mit 3 kW Leistung. Im Mai 2017 folgte die erste Finanzierungsrunde mit dem High-Tech Gründerfonds, Phoenix Contact und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) Baden-Württemberg, die mit Wagniskapital Gründungs- und Wachstumsprojekte fördert. „Insbesondere das kompetente Gründerteam, die patentrechtlich geschützte Technologie sowie der riesige Wachstumsmarkt für induktive Ladesysteme haben uns überzeugt“, so Guy Selbherr, Geschäftsführer der MBG. Wiferion habe das Potenzial, den Markt maßgeblich zu prägen und den Standard für induktives Laden im Industrieumfeld zu setzen. Bei der letzten Finanzierungsrunde im Juli 2019 stieß Nordic Alpha Partners als neuer Investor dazu.
Laden im Prozess
„Wir wollen die Elektrifizierung der globalen Wirtschaft vorantreiben und die Voraussetzungen für eine ressourcenschonende Energieversorgung schaffen“, so Mayer. Auf der Produktseite konzentriert sich das Team derzeit auf Industriekunden. Mit der Technologie von Wiferion können autonome Fahrzeuge und Roboter mit kurzen Zwischenstopps, sozusagen im Prozess, geladen werden. Mechanisches Andocken an Ladegeräte – eine große Verschleiß- und Fehlerquelle – ist nicht mehr nötig. Auch bei den Akkus können die Kunden kräftig sparen. „Weil das Laden bislang recht aufwendig war, gab es den Trend hin zu immer größeren, teuren Akkus“, erklärt Mayer. Durch häufigeres Laden hingegen können die Akkus viel kleiner ausfallen. Und weil die Technologie auch Daten wie zum Beispiel Ladestände zentral erfassen kann, lassen sich die Ladeaktivitäten intelligent abstimmen. Die Energieübertragung erfolgt mit bis zu 95% Effizienz. Mittlerweile bietet Wiferion nicht nur das kontaktlose Laden, sondern gar komplette Energiesysteme mit Lithiumbatterien an. „Dazu kooperieren wir mit führenden Batterieherstellern“, so Mayer.
Ausblick
Die Erfolge sprechen für sich. Wiferion ist heute der führende Lösungsanbieter für die mobile, kabellose Energieversorgung von industriellen E-Fahrzeugen. Zu den Kunden zählen große Hersteller von Gabelstaplern, der Robotikhersteller Kuka, namhafte Automobilkonzerne und das Münchner Logistik-Start-up Magazino. Investor Selbherr sieht Wiferion im aktuellen Marktumfeld gut positioniert: „Natürlich hat die COVID19-Krise einen temporären Einfluss auf das Geschäft, aber aufgrund der hervorragenden Aufstellung des Unternehmens gehen wir davon aus, dass Wiferion gestärkt daraus hervorgehen wird.“ Die Nachfrage nach fahrerlosen Transportsystemen und mobilen Robotern werde durch die Krise einen zusätzlichen Schub erhalten. Für das Ende des Jahres ist eine neue Finanzierungsrunde geplant. Davor wollen Mayer und sein Team noch ein neues Produkt vorstellen: eine induktive Ladestation mit 12 kW Leistung, die auch sehr große Gabelstapler und ähnliche Geräte in kürzester Zeit mit Energie versorgen kann.