Die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Besonders die Materialbeschaffung ist wenig transparent, weil sich große Lieferanten nicht gern in die Karten sehen lassen. Das Start-up Roobeo will das mit einer digitalen Beschaffungsplattform ändern.
Eigentlich wollte Michél-Philipp Maruhn von vornherein einen digitalen Marktplatz schaffen, auf dem Handwerker aus Großunternehmen und Lieferanten zusammenkommen – wie bei den etablierten Onlineplattformen im B2C-Geschäft. Doch der Markteintritt gestaltete sich unerwartet schwierig. „Der Großhandel funktioniert noch durch Intransparenz. Die Großhändler sind sehr mächtig. Deshalb war es für uns schwierig, einen Marktplatz zu starten“, sagt Maruhn, der Roobeo 2017 gegründet hat und jetzt als Geschäftsführer leitet. Sein Ziel hat er nicht aufgegeben, aber er wählte erst einmal einen Umweg: Roobeo bietet Wohnungsunternehmen ein firmeneigenes digitales Portal an, auf dem sie ihre Materialbeschaffung erledigen können. Das mittlerweile 30 Mitarbeiter zählende Start-up konnte mit der Wohnungsgesellschaft Vonovia gleich einen der ganz großen in diesem Markt überzeugen und als Kunden gewinnen. Letztere besitzt rund 400.000 Wohnungen und beschäftigt mehrere Tausend Handwerker. Entsprechend groß ist das Bestellvolumen, aber auch das Spektrum der nötigen Teile. Jeder Mitarbeiter geht über einen eigenen Account auf Roobeos Beschaffungsportal. Dort findet er unter anderem die Lieferanten, ihre Produkte und die Vertragsbeziehungen.
Kunde überzeugt Investor
Die Materialbeschaffung im Bauwesen ist komplex. Ein Grund hierfür ist nach Maruhns Einschätzung das Fehlen von Produktstammdaten. Wenn diese fehlen, lassen sich die einzelnen Produkte nicht filtern und damit auch nicht finden – man weiß also nicht, in welchen Gebinden eine Dämmwolle zu haben ist, wie schwer sie ist und aus welchem Material sie besteht. Roobeo hat diese Daten jetzt für alle Produkte zusammengetragen, die beispielsweise ein Vonovia-Handwerker braucht. Der Konzern ist von der Idee derart überzeugt, dass er sich mittlerweile an dem jungen Unternehmen beteiligt hat. In der Anfangszeit hat Maruhn seine neue Firma weitgehend selbst finanziert; die Mittel stammen aus dem Verkauf eines vorherigen Start-ups, das sich mit Projektentwicklung beschäftigt hat. Bald danach kam der Frühphaseninvestor Futury Ventures hinzu. Für ihn gibt es gleich ein ganzes Bündel an Argumenten für eine Beteiligung: ein riesiger, vor der Disruption stehender Markt, ein in der Bauwirtschaft schon erfahrener Unternehmer, eine Technologie mit großem Potenzial – und natürlich der geschaffte Markteintritt. „Wenn man mit Vonovia den größten privaten Wohnungsanbieter in Europa an seiner Seite hat, ist das schon eine Art Ritterschlag“, sagt Benjamin Krahmer, Investment Director bei Futury Ventures. Der Venture Capital-Geber will noch ein paar Jahre bei Roobeo investiert bleiben, auch wenn er dann keine Finanzierungsrunden mehr mitmacht. Die Series A-Runde plant Maruhn für Anfang 2021.
Ausblick
Nach dem bisherigen Konzept agiert Roobeo als eine Softwaregesellschaft, die Dienstleistungen für ihre Kunden anbietet. „Dieses Geschäftsmodell basiert auf einer Lizenzgebühr für die Nutzung der Software, die prozentual an den Umsatz gekoppelt ist, sowohl für den Lieferanten als auch für den Kunden“, erklärt Maruhn. Doch dabei soll es nicht bleiben: Das Ziel, nicht nur die Beschaffung für große Unternehmen zu optimieren, sondern einen internationalen Marktplatz aufzubauen, hat Roobeo nicht aufgegeben. „Das ist es, worauf wir in den nächsten Monaten zusteuern“, kündigt der Geschäftsführer an. Der schwierigste Teil dabei seien die DACH-Länder, also neben Deutschland auch Österreich und die Schweiz. Dafür lockt der große US-Markt, auf dem man einen Marktplatz deutlich besser starten könne, sagt er. Nennenswerten Wettbewerb im Feld der Materialbeschaffung im Wohnungswesen sieht er für Roobeo noch nicht.