Wayra ist das Corporate Accelerator-Programm des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefónica. Seit 2011 ist der deutsche Ableger mit Sitz in München am Start. Ziel der Verantwortlichen ist die Identifizierung geeigneter Partnerschaften zwischen Start-ups und Konzernen; gesucht werden Innovationen aus den Bereichen Internet of Things (IoT), Cybersicherheit, Big Data, HR, künstliche Intelligenz oder Datenanalytik.
Wayra bedeutet in etwa „frischer Wind“. Der Accelerator garantiert den teilnehmenden Start-ups zunächst ein bezahltes Pilotprojekt, in dessen Rahmen eine vorhandene Technologie nach den Anforderungen des Konzerns weiterentwickelt werden soll. Anschließend besteht die Chance einer Übernahme des Projekts durch Telefónica, wodurch das Start-up quasi die Rolle des Lieferanten einnimmt. Wayra konzentriert sich auf Start-ups in der Later Stage-Phase, die im besten Fall bereits über ein marktreifes Produkt verfügen und Umsatz generieren. Doch auch jüngere Unternehmen, die beispielsweise gerade die Seed-Phase hinter sich gelassen haben und noch über keine ausgereiften Prozesse verfügen, können über den Venture Builder der Telefónica in den Genuss einer professionellen Begleitung kommen. Dann geht es darum, eine gute Idee längerfristig reifen zu lassen, bis sie schließlich für den Konzern nutzbar wird. Neben finanziellen Hilfen profitieren die Start-ups vom direkten Austausch mit den Geschäftseinheiten der Telefónica, der Zusammenarbeit mit internationalen Mentoren und Experten – auch aus den anderen überstaatlichen Wayra-Programmen – sowie weiteren Start-ups innerhalb des Programms. Selbstverständlich werden ihnen auch lukrative Büroflächen im Herzen von München zur Verfügung gestellt.
Betriebswirtschaftliche Kennzahlen
Wayra ist heute in elf Ländern aktiv. Der deutsche Ableger ist über den heimischen beziehungsweise europäischen Markt hinaus auch für das Scouting in Israel zuständig. Seit Januar 2020 ist Florian Bogenschütz als Managing Director für Wayra Deutschland verantwortlich. „Die Idee zu Wayra entstand in den Jahren 2009/10, als Telekommunikationskonzerne zunehmend unter Druck gerieten und erkannten: ‚Wir brauchen Innovationen!‘ Zugegeben, das allein war vielleicht ein wenig blauäugig“, berichtet Bogenschütz mit einem Augenzwinkern. Man wollte Talente und Ideen entdecken; ein genaues Programm hingegen war zunächst noch unklar. Wayra Deutschland war hierzulande einer der ersten Corporate Acceleratoren. „Am Anfang war Wayra ein Projekt innerhalb des Konzerns, später entwickelte es sich auch zu einem Marketingprojekt, um Mitarbeiter zu anzuwerben“, so der Managing Director.
Schaffung einer Kunden-Lieferanten-Beziehung
Doch das ist längst Vergangenheit. Inzwischen steht ein klarer Auftrag im Fokus, der sich auch an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen messen lässt. Im vergangenen Jahr arbeiteten 15 Start-ups aus dem Programm von Wayra Deutschland für Telefónica und erwirtschafteten dabei einen Umsatz von über 1,9 Mio. EUR. „Jetzt, 2020, ist unser klarer Auftrag, Innovationen in die Telefónica zu pushen“, unterstreicht Bogenschütz. Dahinter steht das sogenannte Venture Client-Modell, welches seinen Ursprung im Wayra-Programm fand und heute von allen seriösen Corporate Acceleratoren benutzt wird. Dabei steht die erklärte Partnerschaft zwischen Konzern und Start-up im Mittelpunkt. „Der Konzern kommt auf uns zu und erklärt uns: ‚Wir haben ein Problem, welches wir mit internen Mitteln nicht lösen können‘“, erklärt Geschäftsführer Bogenschütz. Wenn sich dieses Problem dann auch mit bereits im Markt bestehenden Lösungen nicht beheben lässt, machen sich die Wayra-Verantwortlichen auf die Suche nach einem geeigneten Team, dessen Produkt oder Technologie sich im Rahmen des Accelerator-Programms weiterentwickeln lässt, um es dann im Idealfall Telefónica zur Verfügung zu stellen. „Wir suchen die Lösung und ein Start-up für ein Problem und stellen eine Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen dem Konzern und dem Start-up her“, unterstreicht Bogenschütz. Zwar sind auch aktive Bewerbungen von Start-ups bei Wayra möglich, doch der Managing Director beschreibt das demandgetriebene Modell von Wayra als einen wesentlichen Erfolgsfaktor des Programms. „Wir definieren uns zuallererst als Dienstleister unseres Mutterkonzerns. Den Kunden kommt es zugute, denn ihnen wird im Erfolgsfall mit der Telefónica ein erster Abnehmer garantiert – ein internationaler Konzern mit weltweit 350 Millionen Endkunden.“
Rund zwölf Start-ups pro Jahr
Pro Jahr will Wayra rund zwölf Start-ups betreuen. Die Zusammenarbeit mit den Start-ups dauert insgesamt vier Monate, kann bei Bedarf aber auch verlängert werden. In der einmonatigen Pre-Accelerator-Phase wird vorab die spätere Projektphase inklusive wichtiger Meilensteine definiert. Bogenschütz führt aus: „Sind Team und Idee reif genug? Wie ist das Geschäftsmodell? In welcher Finanzierungsphase steht das Start-up?“ Anschließend beginnt das eigentliche Accelerator-Programm, welches von Telefónica über Wayra mit bis zu 100.000 EUR pro Projekt finanziert wird, ohne dabei eine Beteiligung (Equity) einzugehen. Zu diesem Programm gehören Coachings, die die operativen Fähigkeiten der Start-up-Teams voranbringen sollen – beispielsweise Teamentwicklung, Wachstum, Finanzen und Vertrieb. In die operativen Vorgänge greifen die Wayra-Verantwortlichen nicht ein. „Nach Abschluss des Projekts ist es unser Ziel, dass wir das betreffende Start-up in eine Lieferantenbeziehung bei Telefónica installieren“, erklärt Bogenschütz. „Das Start-up macht Umsatz und der Konzern kauft dauerhaft eine innovative Lösung ein.“ Erst an dieser Stelle fällt die Entscheidung, ob Telefónica etwa im Rahmen einer Series A-Finanzierung in das Start-up investiert. Bis zu 350.000 EUR stehen dabei pro Investment zur Verfügung; Co-Investoren sind herzlich willkommen. „‚Never alone!‘ lautet unser Grundsatz“, so Bogenschütz.
Angesprochen auf Erfolgsbeispiele Wayras nennt er die vom Start-up Conntac entwickelte O2-Hilfe-App. „Diese App lokalisiert nicht nur das Problem, sondern schlägt auch konkrete Lösungsmöglichkeiten vor.“ Erwähnenswert ist ebenfalls die konzerninterne Plattform Beyond, entwickelt vom Start-up Cobrainer im Rahmen des Wayra-Accelerators. Dabei fördert eine KI-basierte Technologie gezieltes Lernen, Beweglichkeit sowie transparentes Kompetenzmanagement innerhalb der Belegschaft. Tätigkeiten und besondere Fähigkeiten von internen Bewerbern werden datenschutzkonform gesammelt und analysiert, um die Mitarbeiterrekrutierung optimal zu unterstützen. Gleichzeitig sollen die Mitarbeiter fit für die digitale Arbeitswelt gemacht machen. „Auf diese Weise wurde beispielsweise eine Mitarbeiterin aus dem Customer Service, die unzufrieden mit ihrer alten Stelle war, als Redenschreiberin engagiert, weil das System erkannt hat, dass sie sehr gute E-Mails schreiben konnte“, erzählt Bogenschütz. Auch e-bot7, eine KI-gestützte Chatplattform zur Kundenkommunikation, stammt aus dem Wayra-Accelerator.
Zukunftsprojekt „Hyper Open 5G Lab“
In Zukunft möchte Bogenschütz mit Wayra in München ein „Hyper Open 5G Lab“ eröffnen. Hinter diesen Buzzwords verbirgt sich ein Treffpunkt für alle Netzwerkpartner und Interessierte, sich an 5G auszuprobieren. Für künftige Pläne ist auch Corona kein Hinderungsgrund. „In der Krise haben wir mit all unseren Start-ups Cash Flow Workshops veranstaltet. So konnten die Teams finanzielle Transparenz seitens ihrer Investoren erhalten“, schließt Bogenschütz. Vor dem Hintergrund der Pandemie wurde zudem ein Rettungsfonds aufgelegt, mit dem die Wayra-Start-ups bei Bedarf unterstützt werden können. Von Corona wollen sich Bogenschütz und seine Kollegen jedenfalls nicht aufhalten lassen – sie haben noch viel vor.
Kurzprofil: Wayra Deutschland GmbH
Investorenprofil: Corporate Accelerator des Telefónica-Konzerns
Gründung: 2011
Mitarbeiter: zehn
Fokus: Telekommunikation, Big Data, Cyber Security, IoT
Internet: www.wayra.de