Cultural Due Diligence im Rahmen eines Executive Assessment

Durch Kulturdiagnose das Investmentrisiko verringern und Buy and Build zum Erfolg machen

Auch am deutschen M&A-Markt gelten Private Equity-Investoren mittlerweile als wichtiger Wirtschaftsfaktor. Im Zentrum des Geschäftsmodells und der Wertschöpfung steht die Weiterentwicklung der Portfolios – und hier wiederum seit einigen Jahren verstärkt das Konzept Buy and Build, bei dem sich nach der Akquisition eines Plattformunternehmens einer oder mehrere Zukäufe anschließen. Eine besondere Herausforderung ist dabei die schnelle und nahtlose Verschmelzung unterschiedlicher Unternehmenskulturen.

Bei regelmäßigen Unternehmensübernahmen sind früher oder später wahre „Culture Clashes“ vorprogrammiert. Laut Studien scheitern kurz- oder mittelfristig zwei von drei Fusionen – oft, weil plötzlich völlig unterschiedliche Persönlichkeiten und Unternehmenskulturen zusammenarbeiten und harmonieren müssen. Kritische Überlegungen zu Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung werden damit unerlässlich.

Cultural Due Diligence als Erfolgsfaktor bei Fusionen

Zahlreiche Private Equity-Investoren haben ihre Due Diligence deshalb um Executive Assessments erweitert. Besonders zu Beginn eines Investmentzyklus, wenn das Management der Private Equity-Gesellschaft noch wenig Informationen über das potenzielle Target besitzt, ist eine Analyse der Unternehmenskulturen sowie der entsprechenden Führungsanforderungen entscheidend – gerade bei größeren und komplexeren Transaktionen. Dabei geht es neben den „klassischen“ Leadership-Kompetenzen vor allem darum, ob und wie die unterschiedlichen Werte und Führungsstile zur gewünschten, die strategischen Ziele unterstützenden Organisationskultur passen. Solche Executive Assessments erleichtern die grundsätzliche Entscheidungsfindung und ermöglichen zusätzlich eine zeitnahe Einschätzung, wie das Private Equity-Management effektiv mit dem Target interagieren sowie produktiv in die Plattform integrieren kann. So können die Verantwortlichen bestmöglich die Unternehmenszukunft gestalten. Ausschlaggebend für die Konzeption eines solchen Assessment sind eine ganzheitliche Perspektive sowie der gezielte Einsatz valider Methoden und erfahrener Berater.

Moderne Tools machen Unternehmenskultur greifbar

Ein Beispiel aus der Praxis: Im Rahmen einer größeren Übernahme zweier Firmen durch ein Plattformunternehmen sollten in den Targets die obersten zwei Führungsebenen – knapp 60 neue, bis dato den Investoren wenig bekannte Führungskräfte – hinsichtlich ihrer individuellen Fähigkeiten und ihrer kulturellen Präferenzen geprüft werden, um anhand von individuellen Kompetenzen, Potenzialen und gemeinsamen Entwicklungsfeldern den optimalen Einsatzort in der neuen Organisationsstruktur zu finden. Außerdem galt es, zu ermitteln, ob und wie die Kulturen der beiden Unternehmen zueinanderpassen und welche Kultur die strategische Ausrichtung ideal unterstützt. Das Ergebnis: Beide Unternehmen verfügten über fähige, ergebnisorientierte und ökonomisch denkende Führungsteams mit hoher Lernagilität („Neugierde“; Grundvoraussetzung für Innovation) und unterschiedlichen Erfahrungsniveaus, die aber bislang nur geringfügige systematische Talentförderung genossen, sodass in Teilen nur wenig Gespür für individuelle Fähigkeiten bestand. Allerdings herrschte teilweise ein Mangel an Affinität zur Steigerung der Prozess- und Struktureffizienz, welche für das Erreichen von ambitionierten Wachstumszielen als Bestandteil einer Buy and Build-Strategie aber zwingend notwendig ist.

Mitarbeiterstruktur, Employer Branding und Unternehmenskultur als Fusionskatalysatoren

Bei beiden Unternehmen – relative junge Neugründungen mit starker Wachstumsbilanz – arbeiteten die Teams bislang tendenziell in Silos. Nun musste die Führungsstruktur neu aufgestellt werden. Die Ergebnisse des Assessment sowie das Benchmarking von Kompetenzen und Kultur mit branchenähnlichen Unternehmen führten unter anderem zu folgenden konkreten Empfehlungen für die Geschäftsführung und Investoren:

  • Für den neu ernannten HR-Leiter sollten – in Bezug auf die Nachfolgeplanung für Schlüsselpositionen und die Entwicklung von Nachwuchstalenten – eine solide Datenbasis der Stärken und potenziellen Entwicklungsfelder in der Führungsmannschaft geschaffen und darauf basierend klare Maßnahmen ergriffen werden.
  • Die starke Employer Brand sollte strategischer genutzt werden, um mit der Kultur kompatible externe Talente zu rekrutieren.
  • Außerdem sollte mittels einer durchdachten Kommunikationsplanung eine kohärentere und breit kommunizierte Kultur geschaffen werden, die sowohl den unternehmerischen Geist bewahrt als auch die Kernprozesse effizienter und strukturierter gestaltet; die fusionierten Einheiten sollten dann an der einheitlich abgestimmten Kultur auf die Zukunft ausgerichtet werden.

Alle Beteiligten profitieren

Sowohl Investoren als auch Plattformgeschäftsführung erlangten durch die Cultural Due Diligence wertvolle Anhaltspunkte für die weitere Buy and Build-Strategie: Die neue, breit kommunizierte Organisationsstruktur macht personelle Veränderungen transparent und nachvollziehbar; die Interviewten erlangten darüber hinaus dank Assessment ein besseres Gespür für ihre eigenen Stärken wie auch Entwicklungsfelder und somit eine klare Orientierungshilfe in einem größeren organisationalen Veränderungsprozess.

Fazit

Unterstützende Beratung bei erfolgskritischen Führungsthemen leistet einen unschätzbaren Beitrag zur Verbesserung der Wertschöpfung in allen Phasen von Private Equity-Investments. Häufig scheitern Beteiligungen nicht an mangelnder Leadership-Kompetenz, sondern an der Unkenntnis und Intransparenz von kulturellen Unterschieden innerhalb des Managementteams oder an einer zukunftsorientierten, die Strategie ideal unterstützenden Organisationskultur, die neu und schnell strategisch ausgerichtet und angepasst werden sollte. Hier bieten ein intelligent konzipiertes Assessment sowie eine Kulturanalyse, welche alle Ebenen in der Organisation und die individuellen Wertepräferenzen der Beteiligten abdeckt, die Möglichkeit, tiefe Einsicht in das Zusammenspiel von Strategie sowie Stärken, Schwächen und alle kulturellen Dynamiken der Führungsmannschaft zu gewinnen sowie Maßnahmen zu entwickeln, die das Investitionsrisiko signifikant reduzieren.

 

Birgitta Vogtt (li.) ist als Beraterin im Münchner Büro von Spencer Stuart Mitglied des Leadership-Advisory-Services-Teams EMEA. In den vergangenen 25 Jahren war sie in den Bereichen Recruiting, Management Assessment und Leadership Development bei einer weltweit führenden Strategieberatung sowie für mittelständische Unternehmen, Konzerne, Banken und Start-ups tätig. Zu Vogtts Spezialgebieten zählen die Beurteilung und Entwicklung von Top-Führungskräften, Nachfolgeplanung und Onboarding sowie die Begleitung von Kulturdiagnosen und -wandel. Dr. Sigrid Artho ist als Beraterin in der Industrial Practice im Zürcher Büro von Spencer Stuart tätig und leitet den globalen Sektor Process Industries. Auch sie verfügt über mehr als 20 Jahre Expertise in Beratungs- und Industriefunktionen und bringt profunde internationale Erfahrung, ein breites funktionales und allgemeines Managementwissen sowie Erfahrung in der Strategieentwicklung und -umsetzung in ihre Kundenarbeit ein.