Ohne Frage, das Jahr 2020 stand ganz im Zeichen von COVID-19. Das Virus und die Maßnahmen zu seiner Bekämpfung ließen und lassen kaum eine Branche unberührt. Und auch wenn mittlerweile ein Impfstoff gefunden ist, die Überwindung der Krise und insbesondere ihrer Folgen dürfte auch 2021 das dominierende Thema bleiben. Dennoch blicken die Teilnehmer der jährlichen Umfrage des VentureCapital Magazins verhalten optimistisch in die Zukunft.
Die Vorgaben aus 2019 für den deutschen Venture Capital-Markt waren durchaus positiv: Der Branchenverband BVK registrierte Investitionen in deutsche Start-ups in Höhe von fast 2 Mrd. EUR. Und auch die ersten Monate 2020 ließen eine Bestätigung dieser Entwicklung erwarten. Ein Beispiel dafür war unter anderem die 235 Mio. EUR schwere Finanzierungsrunde des Berliner Insurtech-Unternehmens Wefox. Darüber hinaus warben zahlreiche deutsche Start-ups Kapital im zweistelligen Millionenbereich ein. Beispiele sind der E-Scooter-Verleiher Tier Mobility und das Hubschrauber-Start-up Volocopter. Doch im April und Mai kam der Venture Capital-Sektor quasi vollkommen zum Erliegen. Insbesondere Neuinvestments sah man praktisch gar nicht mehr. Aber bereits nach wenigen Wochen war zu beobachten, dass sich Finanziers und Unternehmer auf die neue Situation eingestellt hatten: Meetings fanden rein digital statt und virtuelle Datenräume waren bereits vor der Pandemie gang und gäbe. Das rasche Anpassen an die momentanen Gegebenheiten spiegelt sich auch in Zahlen wider: Der BVK weist für das erste Halbjahr 2020 Venture Capital-Investitionen in deutsche Start-ups über mehr als 1 Mrd. EUR aus – der zweihöchste Wert in den letzten zehn Jahren und ein Rückgang von lediglich knapp 30 Mio. EUR im Vergleich zum Rekordergebnis aus der zweiten Jahreshälfte 2019.
Unternehmen wecken zunehmend Interesse aus dem Ausland
Die vitale und zunehmend auch reifere Start-up-Szene hierzulande bleibt auch Kapitalgebern aus dem Ausland nicht verborgen. Insbesondere bei Growth Capital-Finanzierungen ist schon seit einigen Jahren ein starkes Engagement internationaler Investoren zu beobachten: Quasi keine eine Runde im zweistelligen Millionenbereich und darüber kommt ohne Kapital aus dem Ausland aus, was auch an der Größe der Fonds hierzulande liegt. Eine neue Entwicklung ist, dass einige internationale Finanziers mittlerweile auch frühphasiger ansetzen und beispielsweise schon bei einer Series A mit von der Partie sind. Da verwundert es auch nicht, dass die Teilnehmer aus dem Venture Capital-Sektor für die kommenden zwölf Monate mit einem weiter steigenden Interesse ausländischer Investoren an deutschen Start-ups rechnen. Der Wert liegt mit 6,4 Punkten zwar leicht unter dem Vorjahresergebnis und unterbietet auch die Jahre 2018 (6,6 Punkte) und 2017 (7,0 Punkte), doch ist er weiterhin eindeutig positiv (1 bedeutet „stark nachlassend“, 5 „gleichbleibend“, 9 „stark zunehmend“).
Assetklasse wird attraktiver
Eine gewisse Zuversicht der Investoren ist auch bei der Frage nach ihrem eigenen Zugang zu Kapital erkennbar: So erwarten die Umfrageteilnehmer 2021 ein leicht steigendes Interesse für die Assetklasse Venture Capital bei den institutionellen Investoren. Mit 6 Punkten blickt die Branche bei diesem Thema deutlich positiver in die Zukunft als sie das noch vor einem Jahr getan hat. Seinerzeit rechnete man eher mit einer gleichbleibenden Nachfrage (5,3 Punkte). Mut dürfte dabei der Umstand gemacht haben, dass auch im Krisenjahr 2020 eine ganze Reihe von deutschen Frühphasenfinanzierern neue Fonds auflegen und die Volumina im Vergleich zu den Vorgängervehikeln steigern konnten.
Bewertungen ziehen weiter an
Gefragt nach ihren Erwartungen hinsichtlich des Bewertungsniveaus deutscher Start-ups bleiben die Investoren kritisch. Zwar setzte sich die im vergangenen Jahr begonnene Aufwärtsbewegung fort, doch findet auch heuer die Verbesserung eher in homöopathischen Dosen statt: Der Wert verbessert sich um 0,2 Punkte von 4,0 auf 4,2 Punkte (1 bedeutet „teuer“, 5 „angemessen“, 9 „günstig“). In den BVK-Zahlen ist das steigende Bewertungsniveau insbesondere bei den Investitionen in der Start-up-Phase ablesbar: In diesem Bereich wurden zwischen Januar und Juni 2020 knapp 83 Mio. EUR mehr investiert als im zweiten Halbjahr 2019. Die Zahl der finanzierten Unternehmen ging allerding um drei zurück.
Stimmung weiterhin gut
Insgesamt rechnet die deutsche Venture Capital-Industrie mit einem leicht besseren Jahr 2021. Errechnet man den Durchschnittswert aller in der Umfrage beleuchteter Aspekte, kommt man auf 5,6 Punkte. Dieser liegt zwar etwas unter dem Ergebnis von 6,0 Punkten aus 2019, vor dem Hintergrund des Corona-Jahrs und der damit verbundenen Unsicherheiten, darf dieser Wert durchaus positiv gewertet werden.
Schwieriges Jahr für den Buyout-Sektor
Für den deutschen Buyout-Markt war 2020 ein durchaus schwieriges Jahr. Während die Corona-Krise in vielen Bereichen der Digitalisierung einen ordentlichen Schub versetze und insbesondere Start-ups profitierten konnten, machten den etablierten Unternehmen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus deutlich stärker zu schaffen. So brachen beispielsweise in einigen Branchen aufgrund der staatlich angeordneten Lockdowns die Lieferketten zusammen. Für die Investoren bedeutete das, dass sie sich intensiver um bestehende Beteiligungen kümmern mussten anstatt Neuinvestments einzugehen. Das macht sich auch in den Zahlen des BVK bemerkbar: Demnach wurden im ersten Halbjahr 2020 knapp 1,5 Mrd. EUR weniger in deutsche Unternehmen investiert. Die Zahl der Transaktionen fiel sogar um 37% von 92 in der zweiten Jahreshälfte 2019 auf nur mehr 58. Zwar dürfte das Investitionsvolumen für das Gesamtjahr den 2019er Wert übertreffen, dies ist jedoch getrieben von einzelnen Mega-Deals wie dem 17,2 Mrd. EUR schweren Verkauf der Aufzugsparte von thyssenkrupp an ein Investorenkonsortium um Advent und Cinven.
Beteiligungsgesellschaften rechnen mit steigendem Dealflow
Für die nächsten zwölf Monate gehen die befragten Buyout-Häuser wieder von einem verbesserten Dealflow aus. Mit 6,0 Punkten (1 bedeutet „stark nachlassend“, 5 „gleichbleibend“, 9 „stark zunehmend“) übertrifft der diesjährige Wert das Ergebnis von 2019 deutlich und markiert gleichzeitig den Höchststand seit Beginn der Umfrage im Jahr 2014.
Zuversicht bei der Geschäftsentwicklung
Für die kommenden zwölf Monate gehen die befragen Beteiligungsgesellschaften insgesamt von einer Entspannung der Lage aus. Das lässt sich zumindest aus den Antworten auf die Fragen nach der eigenen Geschäftsentwicklung und derer der Portfoliounternehmen schließen – beide Werte konnten sich gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessern. Bei den Beteiligungen gibt es einen Sprung von 4,7 auf 6,2 Punkte (5,0 entspricht wieder „gleichbleibend“). Es schwingt die Erwartung mit, dass die heuer bei den Portfoliounternehmen eingeleiteten Prozesse greifen und weitere großflächige Lockdowns aufgrund der Fortschritte beim Thema Impfstoff vermieden werden können. Auch die Erwartungen an das eigene Geschäft sind gestiegen: Lag der Wert bei der letzten Umfrage Ende 2019 noch bei 5,5 Punkten, sind es für das kommende Jahr 6,4.
Stabile Fremdkapitalquote
Wenig Veränderung prognostizieren die Teilnehmer der Umfrage dagegen bei Thema Fremdkapital. 2021 wird diese im Schnitt bei etwa 49% erwartet und pendelt damit weiterhin um die Marke von 50%, wobei das diesjährige Ergebnis eher im unteren Drittel der Antworten seit 2014 angesiedelt ist. Die Beteiligungsgesellschaften können bei der Beschaffung mittlerweile auf ein deutlich breiteres Angebot zurückgreifen, das durch die gestiegene Aktivität von Private Debt-Fonds hierzulande entstanden ist.
Stimmung hellt sich auf
Insgesamt blickt auch der Buyout-Sektor zuversichtlich auf das kommende Jahr. Der Durchschnittswert aller Antworten addiert sich auf 5,7 Punkte. Zwar sind damit keine knallenden Sektkorken oder Feierstimmung zu erwarten, allerdings ist die Stimmung einen ganzen Punkt besser als noch vor einem Jahr.
Alle Ergebnisse der Umfrage lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des VentureCapital Magazins.