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Wir alle wissen: Dieses Verlangen nach einer Zeitreise bleibt nur ein Traum. Aber wir können aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen – denn das, was 1995 der Internet-Moment war, ist heute der Blockchain-Moment.
Blockchain bietet neue Chancen
Mit der Blockchain beginnt ein neues Zeitalter der Digitalisierung. Das Internet ist ein enormes Netzwerk zum Austausch von Informationen – die Blockchain zieht dies auf eine neue Ebene, es geht um den Austausch von Werten. Das Internet ist riesig – die Blockchain hat durch die Variabilität und den hohen Impact der Anwendungen die Chance, noch viel größer zu werden. Dieser neue Technologie-Layer schafft ein Ökosystem, das in viele Bereiche der Gesellschaft reicht und diese grundlegend verändern wird. Das Universum der Kryptowährungen wie Bitcoin, die auf der Blockchain-Technologie fußen, ist heute rund 2 Mrd. USD wert. Hinzu kommen die Blockchain-Firmen, die entstanden sind. Ich bin überzeugt, dass sich diese Wertegenerierung noch verhundertfachen kann. Wir sehen, wie mithilfe der Blockchain-Technologie Wert entsteht. Wir erleben die Entstehung des Internet of Value.
Dezentralisierung als Prinzip
Eines der grundlegenden Prinzipien der Blockchain ist die Dezentralisierung: Informationen werden hochverschlüsselt und sicher auf unzähligen Computern gleichzeitig gespeichert. Ganz viele Teilnehmer einigen sich auf die richtige Version – dadurch sind sie fälschungssicher. So ermöglicht die Blockchain-Technologie einen Wertetransfer ganz ohne Mittelsperson. Jeder von uns kann zu jeder Zeit Werte wie etwa Bitcoin Peer-to-Peer übertragen. Keine Banken, kein Zwischenhandeln. Weil das dezentrale System funktioniert, ist bei Transaktionen auch kein Vertrauen in andere mehr notwendig; „trustless“ ist eine der Kerneigenschaften der Blockchain-Technologie.
Kryptowährung als neues Asset
Kryptowährungen, immer noch eine der wichtigsten Anwendungen im Bereich Blockchain, werden so zu einer neuen Assetklasse mit einzigartigen Vorteilen. Und wenn weitere Zwischeninstanzen und bestehende Vorgänge nicht mehr gebraucht werden, ergibt sich ein komplett neues Bild einer digitalen Gesellschaft. Wir erleben eine disruptive Transformation gelernter Normalität – alles wird anders. Unser Leben wird effizienter. Der Wegfall von Zwischenstufen beschleunigt Vorgänge. Denken wir hier vor allem an den behördlichen Kontext: Durch Beglaubigungen und weitere regulatorische Prozesse dauern Einträge in das Handelsregister oder Grundbücher oftmals Wochen. Durch die Kerneigenschaften der Blockchain, nämlich Transparenz und Dezentralisierung, könnten Vorgänge und Wartezeiten radikal verkürzt werden. Auf wenige Minuten – eine neue Dimension der radikalen Beschleunigung. Über Ländergrenzen hinweg. So schafft die Blockchain-Technologie eine neue und revolutionäre Definition von Globalität.
Vorteile für Maschinenökonomie
Auch abseits der digitalen Währung werden wir Anwendungen erleben, die unsere Sicht auf die Welt verändern und Folgegenerationen prägen werden. Ich denke hier an dezentrale soziale Netzwerke oder eine neue Form des Identitätsmanagements. Auch für die Maschinenökonomie bringt die Technologie einzigartige Vorteile. Wenn wir ein paar Jahre in die Zukunft springen, sehen wir autonom fahrende Autos, die eigenständig zu elektrischen Ladestationen fahren und dann autonom abrechnen. Wir sehen eine dezentrale Energielandschaft, in der die Millionen von Solaranlagen auf Eigenheimen zu blockchainbasierten Energieanbietern werden. Wir sehen vielleicht das Ende des Notarberufs, weil Beglaubigungen technologisch, dezentral und open-source funktionieren. Natürlich ist das nur eine mögliche Zukunft, aber 1995 war das Internet von heute eben auch nur eine mögliche Zukunft. Oder wer hätte damals gedacht, dass wir einmal mit dem Smartphone shoppen und die Einkäufe ein paar Stunden später vor der Haustür sind?
Wo steht die Venture Capital- und Start-up-Szene?
Investoren sind gewohnt in die Zukunft zu blicken – darum lohnt sich ein Blick auf den fulminanten Börsengang des Krypto-Marktplatz Coinbase. Dabei hatte sich Coinbase nicht für einen IPO entschieden, um mit neuen Aktien Geld aufzunehmen, sondern für ein Direct Listing so wie bereits zuvor Spotify oder Slack. Coinbase braucht keine zusätzlichen Finanzmittel. Und hierzulande? Müsste ich die Entwicklungen im Bereich Blockchain und Krypto in Deutschland und Europa zusammenfassen, würde ich sagen: typisch. Wir hatten einen sehr guten Start in Berlin, in der Kryptonation Schweiz, in Liechtenstein und einigen anderen Orten und Ländern in Europa. Dennoch haben wir es – wie einst in den frühen Jahren des Internets – bisher nicht geschafft, die marktführenden Unternehmen hervorzubringen.
Fazit
Die Gründe hierfür sind vielschichtig, doch nicht überraschend: Unsere „Ja-aber-Kultur“ ist eine Ursache. Start-ups und weitere Akteure des Blockchain-Business sehen sich einer Grundskepsis gegenüber. In Europa blicken wir eben erst und hauptsächlich auf die Probleme und zu wenig auf die Chancen. Dazu gehören leider auch die Finanzaufsichtsbehörden. Es wird alles zugrunde reguliert, bevor überhaupt etwas entstehen kann. Die Lust am Ausprobieren wird sogleich in einer Risikorhetorik erstickt. In den USA haben Risikokapitalgeber hingegen schon vor Jahren hohe Beträge in Kryptofirmen investiert. So erhielt Coinbase 2013, ein Jahr nach der Gründung, zuerst 5 Mio. USD und dann in einer weiteren Finanzierungsrunde im selben Jahr 31 Mio. USD. Investitionen in dieser Größenordnung in ganz junge Unternehmen sind bei uns auch heute noch eine absolute Seltenheit.
Was bleibt, sind Chancenlücken
Was nicht ist, kann noch werden. Diese Hoffnung bleibt der hiesigen Szene allemal, denn neue Chancen entwickeln sich. Das Blockchain- und Krypto-Ökosystem entsteht gerade. Ähnlich wie in den 90er-Jahren, als zu Beginn des World Wide Webs Unternehmen wie Google, Facebook und Uber noch lange nicht gegründet waren, werden wir in den kommenden Jahren den Aufstieg von Blockchain- und Kryptounternehmen mit vergleichbarem Erfolg erleben. Gründer*innen, Investor*innen, aber auch die Regulierung können und müssen dazu beitragen, dass sich diese Art von Unternehmen auch in Deutschland etabliert. Wichtig ist der Perspektivwechsel: Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf die Chancenlücken und nicht auf Probleme und Risiken, die hier eventuell entstehen könnten. Bereits jetzt sind das deutsche und europäische Ökosysteme zurückgefallen.
Noch können wir in dem jungen und äußerst dynamischen Markt aufholen – wenn wir es wollen. Seit Jahren predigen Innovationsleader, Expert*innen und Vordenker*innen, Deutschland müsse raus aus seiner Passivität. Hier ist eine Chance, nutzen wir sie!
Dr. Alex von Frankenberg ist Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds und bereits seit 2000 im Venture Capital-/Start-up-Umfeld tätig. Zuvor war er beim Siemens Technology Accelerator als Venture Manager für Spin-offs aus der Corporate Technology von Siemens verantwortlich. 2001/2002 war er Vertriebsleiter in einem IT Start-up. Davor war er als Projektleiter bei Siemens Management Consulting unter anderem für den Aufbau eines konzerninternen Inkubators verantwortlich. Er begann seine Karriere bei Andersen Consulting mit der Entwicklung von komplexen IT Systemen. Alex von Frankenberg hat an der Universität Mannheim über die Bildung von De-facto-Technologiestandards promoviert.