Wer die Wahl hat, hat den Gral

Diverse group of smiling coworkers talking together during a meeting around a table inside of a glass walled office

Zukunft der Arbeitswelt

Corona hat vieles verändert, nicht zuletzt die Art, wie und wo wir arbeiten, und damit einhergehend auch die riesige Assetklasse der Büroimmobilien. Entsprechend gefragt, zum Beispiel bei Entwicklern, Verwaltern und Betreibern von Bürogebäuden, aber auch bei Konzernen, die ihre zukünftige Auslastung planen müssen, sind Experten und Marktanalysten, die einen mehr oder weniger glaubhaften Blick in die Glaskugel wagen, um die ­Zukunft der Arbeitswelt vorherzusehen. Dies mag in manchen Fällen auf durchdachten Modellen beruhen; oftmals basieren Narrative, die ­bestimmte Marktteilnehmer stricken, jedoch auf dem Bestreben, ihre eigenen Geschäftsmodelle möglichst zukunftsfähig darzustellen oder in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen zu verteidigen.

Folglich könnten die derzeit getroffenen Vorhersagen nicht weiter auseinanderliegen. Von „back to normal“ bis zur Revolu­tion der Arbeitswelt lässt sich alles auf dem Meinungsspektrum finden: Während die einen lautstark verkünden, dass die Erfüllung aller Wünsche eines jeden Arbeitnehmers in der Rückkehr in das Paradies Büro liegt, beteuern die anderen, dass nichts mehr so sein wird wie früher, also dass niemand, der es sich aussuchen kann, in Zukunft noch das Pendeln in jegli­cher Form tolerieren wird. Vor wenigen Tagen kulminierte diese oftmals amüsant stumpfe Debatte in der von WeWork-CEO Sandeep Mathrani getätigten Aussage, dass Firmen ihre enga­giertesten Mitarbeiter daran erkennen könnten, wie hoch ihr Wunsch nach einer Rückkehr ins Büro sei. Die Faulen ­bleiben also zu Hause, alle High Performer finden sich montags um spätestens 8:00 Uhr im konzerngebrandeten WeWork-­Büro ein.

Wettbewerb bestimmt Arbeitsflexibilität

Wie immer liegt die Wahrheit stattdessen irgendwo in der Mitte, zwischen den unendliche Flexibilität versprechenden Work from Home-Modellen und der „Water Cooler Talk-Romantik“ der Unter­nehmenszentrale. Fakt ist, dass die besten Firmen, die im sich immer weiter verschärfenden „War for Talent“ miteinander im Wettbewerb um die besten Kräfte stehen, darauf angewiesen sind, auf die Wünsche ihrer Mitarbeitenden einzugehen. Google ist hierbei das beste Beispiel. Nachdem CEO Sundar Pichai alle Arbeitnehmer zurück ins Büro beordert hatte, während andere Techkonzerne wie Microsoft oder Twitter bereits die Erlaubnis für unbegrenztes Homeoffice gegeben hatten, drohten ­zahlreiche Google-Beschäftigte mit der Kündigung. Dabei hatten sie oft nicht einmal die Wahl, waren sie doch während der Pandemie aus dem teuren Silicon Valley-Umfeld in günstigere Wohnmärkte ­gezogen, verteilt über die gesamte USA. Das tägliche Pendeln ins Büro ist für viele daher nicht einmal mehr eine Option.

Innovative Konzerne erhöhen den Druck

Die Wünsche der besten Talente sind nun mal so divers wie die Belegschaft selbst und können durch familiäre, lokale, ­finanzielle, psychische oder altersbezogene Variablen stark voneinander abweichen. Innovative Konzerne wie Spotify oder Salesforce, die bereits sehr flexible, hybride Modelle ausgearbeitet haben, erhöhen dabei den Druck auf die konservativen Firmen, wie Banken oder Anwaltskanzleien. So wie die Jeansträger im Techökosystem der Finanzwelt vorgelebt haben, dass ein Leben ohne Krawatte möglich ist, so wird dies auch bei der freien Wahl des Arbeitsumfelds geschehen. Als Proptech-Investor sehen wir sehr deutlich, wie gefragt solche innovative Lösungen sind, die auf Flexibilität und Hybridmodelle setzen, die es jedem Arbeit­nehmer recht machen können.

Dreifachspiel als Lösung

In unseren Augen ist die beste Aufstellung im War for Talents ein Dreifachspiel aus einer verschlankten und flexibilisierten Zen­trale, dezentralen Büroräumen, wie etwa kurzfristig buch­baren Co-Working Spaces, sowie Homeoffice-Angeboten. Um den ersten Punkt der agilen Firmenzentrale zu ermöglichen, bietet etwa Thing-it, ein Technologieanbieter für smarte Büros, passende Lösungen. So können mithilfe einer App, die allen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt wird, flexible Desks gebucht werden, um mit weniger Fläche, aber höherer Auslastung zu arbei­ten. Zudem erlaubt der Einsatz der App auch ein effektives Nachverfolgen von Corona-Infektionen. Bei Meldung einer Infektion müssen so nur die Mitarbeiter in Quarantäne, die auch tatsächlich Kontakt miteinander hatten.

Akzeptanz steigt mit neuen Lösungen

Desana, ein weiteres Proptech-Start-up, erlaubt die ganzheit­liche Implementierung des innovativen Dreifachspiels. Dazu ermög­licht es mithilfe einer App, überall on-demand Arbeitsplätze und Meetingräume zu buchen – über unterschiedliche Firmenbüros, Co-Working-Anbieter, Städte und Ländergren­zen hinweg. Die Abbuchung des dezentralen Arbeitens erfolgt hierbei in einem zentralen System, was den Aufwand für den Einkauf, aber auch die Arbeitnehmer stark reduziert. In einer immer globaleren – und demnächst wohl auch wieder mobileren – Welt werden so plötzlich alle Büroflächen für jeden nutzbar. Wer die Wahl hat, hat den Gral. Sowohl bei Desana als auch bei Thing-it gilt: Wenn organisatorischer Aufwand durch eine angenehme, flüssige User Experience ersetzt wird, fällt die Imple­mentierung neuer Lösungen wesentlich leichter, und die Akzeptanz zukunftsfähiger Arbeitsmodelle steigt enorm.

Fazit

Alle Player der in der Vergangenheit immer statisch agierenden Immobilienwirtschaft stehen, ausgelöst durch die Pandemie und weitere Megatrends, vor der Frage, ob sie sich einer bitter ­nötigen Digitalisierung und innovativen Modellen öffnen oder langsam dabei zusehen wollen, wie sie Marktanteile verlieren. Progres­sive Anbieter, Start-ups und damit auch Venture Capital-Inves­toren werden entsprechend von der unaufhaltsamen Transformation profitieren. Und das Thema der flexiblen Büronutzung ist bei Weitem nicht das Einzige, was die Immobilienbranche durchrüttelt wie nie zuvor: Stichworte EU-Taxonomie, SFDR, grüne Regierungsbeteiligung, Städtemobilität, serielle Sanierung, Cradle to Cradle, demografischer Wandel, Mietendeckel. Es bleibt spannend!

Nikolas Samios ist Managing Partner von PropTech1 Ventures, Deutschlands erstem auf europäische Proptech-Start-ups spezialisierten Venture Capital-Fonds, der führende Immobilienunternehmen und -unternehmer, Serial Entrepreneurs aus dem Digitalsektor sowie Wagniskapitalexperten vereint, um in Innovationen in der Immobilienwirtschaft zu investieren.