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Die Corona-Pandemie hat auch vor den Exit-Märkten nicht haltgemacht. Doch hat die Krise nicht nur Branchen neuen Drive gegeben und sie in den Fokus gerückt – auch die Exits laufen auf Hochtouren.
VC Magazin: Welche Bilanz ziehen Sie nach gut anderthalb Jahren Corona für das M&A-Geschäft?
Hofmann: Unser Fokus liegt auf Technologie, digitalen Medien und Kommunikation – hier ist das M&A-Geschäft sehr gut gelaufen. Es hat sich gezeigt, wie resilient Techunternehmen gegenüber solchen Ereignissen sind und wie anpassungsfähig sie sich erweisen, um in diesem Umfeld zu agieren. Bei den Branchen sind Unternehmen mit digitaler Transformation sehr stark, ebenso Enterprise Software und Cybersecurity.
Ostertag: Der Markt wurde vor allem von Finanzinvestoren und Strategen in Gewinner und Verlierer dieser Krise aufgeteilt. Technologiegetriebene Start-ups, die die Digitalisierung voranbringen, sind auf der Gewinnerseite. Dazu gehören die Themen HR, Finanzdienstleistungen, IoT, Mobility – Bereiche, die die Digitalisierung in dieser Zeit auch stärker nachgefragt haben. Auch von der Kapitalseite her fließt immer mehr in diese Technologien; wir sehen mehr Private Equity-Gesellschaften in diesem Umfeld, die wir vor vier oder fünf Jahren in diesem Segment noch nicht wahrgenommen haben. Dadurch gehen auch die Bewertungen nach oben, speziell Software as a Service-Unternehmen sind im Schnitt so hoch bewertet wie noch nie im Markt. In Teilen haben diese Märkte im letzten Jahr ihr bestes Jahr gehabt.
VC Magazin: Erwarten Sie mit den zunehmenden Preissteigerungen auch eine Überhitzung des Markts in nächster Zeit?
Hofmann: Die Nachfrage ist stark, die Bewertungen sind hoch, aber die Investoren schauen sich die Investments auch sehr genau an – nur sehr gute Unternehmen bekommen hohe Bewertungen. Insofern mag es irgendwann eine Korrektur geben, aber nicht fundamental, da die Märkte reifer geworden sind und das Potenzial sehr gut einschätzen können.
Ostertag: Wenn man Corona mit den Krisen aus 2001 und 2007/08 vergleicht, leidet die Technologiebranche erstmals nicht. Wir sind hier in einem Sektor angekommen, der mittlerweile jede Privatperson, öffentliche Institutionen, alle Bereiche betrifft.
VC Magazin: Spiegelt sich das hohe Preisniveau auch in den Exits wider?
Ostertag: Auf jeden Fall, aber das hängt sehr vom Unternehmen ab. Gute Unternehmen werden sehr gute Bewertungen bekommen, denn hier ist die Nachfrage gestiegen. Die Private Equity-Investoren haben in den letzten 18 Monaten so viele neue Fonds aufgelegt wie wohl noch nie zuvor, und dieses Geld will auch investiert werden. Gerade Finanzinvestoren geben mittlerweile häufig mit die höchste Bewertung ab, sind agil und schnell – und das macht den Markt insgesamt sehr spannend.
VC Magazin: Und welche Exit-Kanäle funktionieren aktuell am besten?
Hofmann: Es gibt viel Interesse im Markt und große Exits an Strategen und Finanzinvestoren. Man muss aber berücksichtigen, dass Strategen sehr genaue Vorstellungen hinsichtlich des Profils ihrer Zielunternehmen haben – dies grenzt den Kreis relevanter Unternehmen ein. Auf der anderen Seite hat der Anteil an Rekapitalisierungen durch Finanzinvestoren stark zugenommen, da diese sehr wettbewerbsfähig geworden sind und die Qualität der Technologieunternehmen und deren Erfolg beim Exit sehen. Auch die Börse ist ein spannender Kanal, aber ein Börsengang ist kein kompletter Exit, sondern eine Weiterentwicklung des Unternehmens als unabhängige Einheit, bei der gewisse Teilveräußerungen möglich sind.
Ostertag: Bis auf eine Ausnahme: die SPAC-Deals, die extrem zugenommen hatten, aber in den USA schon wieder rückläufig sind. Das bleibt eine Option, aber eher für größere Unternehmen, ab 0,5 Mrd. bis 1 Mrd. EUR aufwärts. Die schnellen Entwicklungen im Technologiebereich üben auch Druck auf die Start-ups aus, sich weiterzuentwickeln – das beeinflusst den Markt und damit auch die Exits.
VC Magazin: Welche Besonderheiten haben Sie bei den Transaktionen während der Pandemie wahrgenommen?
Hofmann: Der zugrunde liegende Prozess und der Erfolg der Transaktionen hängen stark mit der Qualität der Unternehmen zusammen, aber die Art des Prozesses hat sich sehr verändert. Wir haben erstmals erlebt, dass sich Käufer und Verkäufer zum Teil erst beim Notartermin persönlich getroffen haben. Videokommunikation hat die Prozesse wesentlich effizienter gemacht, gerade auch auf transatlantischer Ebene ist das zum Normalfall geworden, sodass physische Meetings erst dann stattfinden, wenn man im Prozess schon sehr weit ist.
Ostertag: Mittlerweile ist auch die Warranty and Indemnity(W&I)-Versicherung extrem in den Vordergrund gerückt, sie wird bei mehr als 50% aller Transaktionen angewendet. Das beeinflusst die Due Diligence, die Verhandlungen, den Kaufvertrag, die Strukturierung.
Hofmann: Bei unseren letzten Transaktionen gab es immer eine W&I-Versicherung, was viele Konflikte in der Endverhandlung erspart.
VC Magazin: Wird dieser Trend der Videokommunikation bei Verhandlungen nach Corona beibehalten?
Hofmann: Bei manchen Ereignissen im Prozess ist Face to Face sehr wichtig, gerade um Vertrauen aufzubauen und sich gegenseitig kennenzulernen. Ein wichtiger Schritt ist zum Beispiel, dass ein möglicher Verkäufer seine Investmentbank persönlich kennenlernt. Insgesamt wird der Trend aber bleiben, weil es wesentlich effizienter ist.
Ostertag: Wir haben Prozesse, wo wir physische Meetings anbieten, aber das Interesse besteht nicht – vor allem, wenn internationale Player an Bord sind. Weniger hilfreich sind hybride Meetings, mit drei im Raum und zwei per Telefon. Aber reine Videocalls sind absolut sinnvoll und effizient, gerade in der ersten Prozessphase.
VC Magazin: Welche Empfehlungen geben Sie Unternehmern, die vor einem Exit stehen?
Ostertag: Durch die veränderten Prozesse sind Videomeetings, Digitalisierung und W&I-Versicherung wichtige Themen geworden. Die Unternehmer müssen sich darauf sehr gut vorbereiten. Reportings, Managementteam, Incentives müssen frühzeitig und sauber durchgegangen werden. Man sollte sich hier mit Anwälten und M&A-Beratern austauschen, damit man weiß, welche Aufgaben auf einen zukommen.
Hofmann: Meine Empfehlung für Stufe eins ist voller Fokus auf ein erfolgreiches, gut performendes, wachsendes operatives Geschäft, damit die Substanz des Unternehmens gut ist. Darüber hinaus sollten alle Regelungen, die nicht marktüblich sind, beendet werden. Man braucht eine Unternehmensführung, die so institutionell ist wie möglich. Wichtig ist zudem ein KPI-driven Management, das seine Finanzperformance kennt und die Daten versteht.
VC Magazin: Und worauf sollten Investoren aus Ihrer Sicht mehr achten?
Hofmann: Wir sehen Unterschiede in den Prozessen bei den Investoren. Sie sollten sich nicht auf günstige Transaktionen konzentrieren, vor allem nicht im Umfeld Digitalisierung, Technologie, Medien. Langfristig zählt, was Wert schafft; sie sollten deshalb mehr auf Qualität setzen statt auf günstigen Einkauf. Es bringt nichts, mit mäßigem Einsatz in zu vielen Themen drin zu sein.
Ostertag: Die Investoren sollten sich schnell Unterstützung holen von Industrie- und Technologieexperten, vor allem, wenn sie nicht so fest im Thema sind.
VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie für das M&A-Geschäft im zweiten Halbjahr und im nächsten Jahr?
Ostertag: Ich bin sehr optimistisch, denn es gibt weiterhin reichlich Geld am Markt und ausgezeichnete Bewertungen. Auf der Käuferseite herrscht in vielen Sektoren Konsolidierungsbedarf und Interesse an neuen Technologien. Vielleicht wird es perspektivisch Segmente geben, in denen die Bewertungen wieder etwas runtergehen, aber nicht extrem, sondern eher sukzessive. Alle schauen durch die steigende Inflation auf den Markt und überlegen, wie sich die Geldpolitik entwickelt. Aber selbst wenn bei Softwareunternehmen die Bewertung 10% nach unten geht, ist es immer noch ein extrem hohes Niveau. Der Exit-Markt ist wahrscheinlich einer der besten, die wir in den letzten 20 Jahren gesehen haben.
Hofmann: Wahrscheinlich sogar der beste. Die Nachfrage nach hochwertigen Unternehmen wird ungebrochen sein.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zu den Interviewpartnern: Ralf Philipp Hofmann und Julian Ostertag sind Co-Founder & Managing Partner der globalen Technologieinvestmentbank Drake Star Partners.