Bildnachweis: © Bundesverband Deutsche Startups.
Die Coronapandemie hat das Jahr bestimmt, der Beteiligungsmarkt hat sich aber nicht beeinflussen lassen – im Gegenteil. Das Rekordjahr für die Branche neigt sich dem Ende, 2022 steht kurz bevor. Der Advent ist eine willkommene Gelegenheit, inne zu halten zurück und nach vorn zu blicken. In der Reihe „Adventsgespräche“ ziehen Köpfe der deutschen Venture Capital- und Private Equity-Szene ein Fazit zu 2021 und schauen auf die kommenden zwölf Monate.
VC Magazin: Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende – wie fällt Ihr Rückblick auf die Gründerszene aus?
Stresing: Trotz insgesamt erschwerter Bedingungen durch die anhaltende Pandemielage war 2021 für das deutsche Startup-Ökosystem ein erfolgreiches Jahr, in dem es weiter wachsen und reifen konnte. Die große Dynamik zeigt sich u.a. an den Rekorden bei den Venture Capital-Investitionen und dem starken Anstieg an Unicorns in Deutschland. Schon heute arbeiten mehr als 415.000 Menschen in Deutschland in einem Startup oder Scaleup. Bezieht man die mittelbaren Beschäftigungseffekte mit ein, sind die Zahlen noch beeindruckender: Rund 1,6 Millionen Arbeitsplätze gibt es derzeit in Deutschland, die von Startups und Scaleups in Deutschland direkt geschaffen oder indirekt durch sie gesichert werden. Startups sind in Deutschland im Jahr 2021 daher nicht nur entscheidender Innovationstreiber, sondern auch ein wichtiger Motor für die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen.
VC Magazin: Corona hat die Start-up-Landschaft in Gewinner und Verlierer gespalten. Welchen Eindruck haben Sie hiervon nach anderthalb Jahren Pandemie?
Stresing: Ja, es stimmt: Die Betroffenheit der Auswirkungen der Pandemie hängt stark von der Branchenzugehörigkeit ab. Die Bereiche Travel-, Tourismus oder Event etwa sind besonders hart getroffen. Eine Spaltung der Startup-Landschaft beobachten wir aber nicht. Insgesamt sehen wir ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität der Gründer, um mit der Situation umzugehen. Sofern möglich werden Geschäftsmodelle angepasst oder neu ausgerichtet. Für die Stabilität und das weitere Wachstum des Startup-Ökosystems in der Pandemie ist es zudem sehr wichtig, dass Investoren weiter investieren und sich nicht zurückhalten. Die Rekordinvestitionen im laufenden Jahr zeigen, dass das nicht der Fall ist. Und sicher spielen auch die staatlichen, Startup spezifischen Corona-Hilfen, mit denen zwischenzeitlich mehr als 1.000 Unternehmen unterstützt worden sind, eine wichtige Rolle, damit möglichst wenig Startups Pandemie bedingt „durch den Rost fallen“.
VC Magazin: Lockdown, Eventverbot, Abstandsregeln – wie hat sich die Pandemie auf Ihre Verbandsarbeit ausgewirkt?
Stresing: Meetings und Veranstaltungen haben wir auch 2021 ganz überwiegend in den virtuellen Bereich verlegt. Das gilt auch für die German Startup Awards, die ursprünglich wieder im Tipi am Bundeskanzleramt mit 500 Gästen geplant waren. Insgesamt haben wir sehr situationsangepasst agiert, d.h. sofern es möglich und verantwortbar war fanden Präsenzformate im kleineren Rahmen statt; etwa die Roadshow „Politik im Biergarten“ in Hannover, München, Mannheim, Hamburg und Berlin oder das „Rising Stars“-Event für „neue“ Bundestagsabgeordnete Anfang November unter 2G-Bedingungen. Das tägliche Arbeiten des Teams findet ohnehin bereits seit März 2020 überwiegend vom Home Office aus statt. Für unsere Büroräume gilt seit Mitte November die 2G-Regel.
VC Magazin: Die Zahl der Unicorns und IPOs für Start-ups war in diesem Jahr höher denn je, Rekordwerte wurden ausgerufen. Welche Erwartungen haben Sie für den Markt im kommenden Jahr?
Stresing: Ich gehe davon aus, dass sich der beschriebene Trend auch in 2022 fortsetzt. Die erfreuliche Entwicklung ist Ausdruck des mittlerweile stark gereiften Startup-Ökosystems in Deutschland, zu dem eben auch großvolumige Finanzierungsrunden und Börsengänge gehören. Um diesen Trend zu verstetigen und weiter voranzutreiben ist entscheidend, dauerhaft einen geschlossenen Finanzierungskreislauf zu gewährleisten, der sich aus sich selbst befeuert. Daher wird es darum gehen, die Exit-Bedingungen in Deutschland attraktiver zu gestalten. Insofern begrüßen wir, dass die Ampel-Koalition sich auch dieses Thema mit dem Koalitionsvertrag selbst auf die Agenda für die neue Legislatur gesetzt hat. Auch von der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Startup-Strategie erwarten wir, dass sie die Rahmenbedingungen für Startups in Deutschland insgesamt weiter verbessert und den Startup-Standort nachhaltig stärkt.
Zum Interviewpartner:
Christoph Stresing ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutsche Start-ups.