ESG-Performance – unumgängliches Kriterium für Start-ups und Venture Capital-Investoren

ESG von der Pike auf integrieren für ein nachhaltiges Wachstum

Helena Hausen, Sandra Krusch, EY (v.l.n.r.)
Helena Hausen, Sandra Krusch, EY (v.l.n.r.)

Bildnachweis: © EY.

Wie erfolgreich ein Unternehmen wachsen wird, lässt sich heute längst nicht mehr nur an seinem Geschäftsmodell, seinen Finanzkennzahlen und dem Innovationsgrad seiner Produkte und Dienstleistungen ablesen: Die Wachstumsaussichten von Unternehmen hängen zunehmend davon ab, inwieweit sie ESG-Kriterien erfüllen. Das gilt nicht nur für multinationale Konzerne und etablierte Mittelständler, sondern auch für Scale-ups und Start-ups.

Unternehmen sehen sich mit immer höheren ­Anforderungen ihrer Kunden und Investoren sowie strikteren regulatorischen Vorgaben konfrontiert. Die Ansprüche an Unternehmen sind insbesondere im Zuge des Klimawandels und der damit verbundenen gesteigerten Forderungen hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft enorm gewachsen. Klima und Umwelt stehen ganz oben auf der politischen Agenda. So wird eine sozialverträgliche Produktion vom Kunden zunehmend eingefordert und durch Regularien wie zum Beispiel dem Liefer­kettengesetz ab 2023 zunächst für größere Unternehmen, aber zukünftig auch für kleinere Unternehmen zur Pflicht. Ein wei­teres prominentes Beispiel: Die EU-Taxonomie schreibt klare Klassifizierungskriterien für grüne Investments sowie ent­sprechende Berichtspflichten vor, um die ambitionierten Ziele des European Green Deal zu erreichen.

ESG in Start-ups frühzeitig etablieren und fördern, langfristig profitieren

Die Spielregeln des Markts ändern sich, und ihre Nichteinhaltung hat weitreichende Implikationen – Reputationsverlust ­einer Marke, höhere Finanzierungskosten, ein verhaltenes Inves­toreninteresse oder gar rechtliche Sanktionen. Für Investoren heißt das: Sie müssen beurteilen können, wie potenzielle ­Assets, aber auch die Unternehmen in ihrem bestehenden Portfolio bei ESG-Kriterien aktuell abschneiden und perspektivisch abschnei­den werden. Es wird beobachtet, dass das Bewusstsein von Inves­toren für ESG-Kriterien stark gestiegen ist und Investitions­entscheidungen zunehmend anhand eines multidimensionalen Kriterienkatalogs geprüft werden. Der EY Global Private Equity Survey 2022 zeigt etwa, dass ESG-Initiativen neben dem Talentmanagement sowie der Produkt- und Geschäftsstrategie zu den drei wichtigsten Aspekten zählen, die Private Equity-Firmen bei ihren Assets betrachten. Die Umfrage ergab, dass fast 40% der befragten Private Equity-Häuser planen, ESG-spezifische Produkte aufzubauen oder zu erweitern.

Fokus der Investoren auf ESG

Private Equity- als auch Venture Capital-Investoren haben die Bedeutung von ESG erkannt, und es gibt eine Vielzahl von Vorreitern, welche Nachhaltigkeits- und ESG-Kriterien evaluieren, vorantreiben und ihre Portfoliounternehmen dabei unterstützen, diese umzusetzen, aufzubauen oder zu messen. Gerade ­jedoch im Bereich von Start-ups ist und wird es immer wichtiger, solche Kriterien, Vorschriften und KPIs von Anfang an zu beachten und während des Wachstumsprozesses zu fördern: Denn oft wachsen Themen wie Corporate Governance- und Compliance-Systeme, IR-Abteilungen und Reportingprozesse nicht im gleichen Tempo wie die Anzahl der Produkte, Mitarbeiter oder die Marktkapitalisierung eines Start-ups. Die Priorität von Start-ups und Scale-ups liegt in der hektischen Anfangs­phase in der Regel eher auf der Weiterentwicklung des Produkts oder dem Aufbau einer funktionierenden Logistik. Das bedeutet jedoch nicht, dass Investoren dieselben Prioritäten setzen sollten, im Gegenteil – eine intransparente Lieferkette, mangelnde Diversität, ein emissionsintensives Produkt oder eine ­unsaubere Governance können für ein Unternehmen als auch Anleger mittelbar erhebliche Kosten und Renditeeinbußen bedeuten. Venture Capital-Investoren sollten sich darum von Anfang an darauf konzentrieren, Strategie, Prozesse und Portfolio ihrer Assets mit Blick auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien in die richtigen Bahnen zu lenken.

Risiken einschätzen, Potenziale erkennen und realisieren

Eine zentrale Herausforderung dabei: Investoren benötigen das Wissen, die operative Power und die richtigen Instrumente und KPIs, um Start-ups und Portfoliounternehmen effektiv zu unterstützen und die verschiedenen ESG-Dimensionen präzise zu messen. Investoren sind gut darin, Unternehmen anhand traditioneller Kriterien wie des Marktumfelds, des Produkts und der Deal-Konditionen zu bewerten. In Zukunft müssen sie jedoch entsprechende Fähigkeiten und Wissen rund um die ESG-Kri­terien aufbauen und ihre Screening-Kapazitäten wie auch Bewertungsmodelle weiterentwickeln, da dies den vollen Lebenszyklus eines Investments begleiten und beeinflussen wird. Ein weiterer Punkt ist die Beurteilung der ESG-Performance eines Portfoliounternehmens, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Risikominderung als auch der Wertschöpfung – denn die ESG-Performance zu analysieren hilft, Wachstumschancen und Werttrei­ber, zum Beispiel im Produktportfolio oder in den Produk­tionsverfahren des Zielunternehmens, zu erkennen und erfolgreich zu realisieren.

Die richtigen Fragen stellen und mit EY Antworten finden, um Teil der Lösung zu sein

Daher sollten sich Venture Capital-Investoren bei ihren Inves­titionsentscheidungen insbesondere von den folgenden Fragen leiten lassen: Inwieweit trägt das Geschäftsmodell des Unternehmens zur Lösung eines wesentlichen ESG-Problems oder Klimaziels in seiner Branche bei? Inwieweit ist die Lösung des Start-ups in der Lage, schnell und profitabel zu wachsen und gleichzeitig eine positive gesellschaftliche und/oder ökologische Veränderung zu bewirken? Und wie nachhaltig sind die Wachstumsaussichten angesichts relevanter Trends wie der Energiewende, der Elektromobilität oder der ­Kreislaufwirtschaft? EY hat einen Ansatz entwickelt, der Investoren ermöglicht, ­sowohl die Chancen als auch die Risiken im Bereich ESG zu bewerten – und zwar während des gesamten Investitionszyklus. Damit wird ein aktueller Paradigmenwechsel antizipiert: weg von der Bewertung anhand von Finanz-KPIs und den „üblichen“ Due Diligence-Parametern, hin zu einer ganzheitlichen Analyse, die auch die Performance in den verschiedenen ESG-Dimensionen umfasst. ESG ist keine Modeerscheinung oder ein spezieller Investmentansatz, sondern ein fundamentaler Aspekt, der ­großen Einfluss auf die Werthaltigkeit und das Wachstumspotenzial ­eines Unternehmens hat.

Fazit

Die Integration von ESG-Kriterien sollte aber auch abgesehen von der Bedeutung für rentable Investitionsentscheidungen voran­getrieben werden. Um den Weg in eine nachhaltige Zukunft zu sichern, reicht es nicht, wenn etablierte Unternehmen sich transformieren – junge, aufstrebende Unternehmen müssen Teil der Lösung sein und darum ab dem Tag der Gründung den Aspekt der Nachhaltigkeit mitdenken.

Über die Autorinnen:
Helena Hausen ist Senior Manager Strategy & Transactions mit Fokus auf den Private Equity-Sektor bei EY-Parthenon. Sie ist seit 2008 bei EY beschäftigt. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Be­reichen ESG und Nachhaltigkeit. Sie hat umfangreiche Erfahrung im PMO von verschiedenen Carve-out- und Integrationsprojekten sowie Working Capital und Prozessoptimierungsprogrammen.

Sandra Krusch ist EY Private Equity Leader für die Region Europe West. Sie ist seit über 20 Jahren bei EY und hat eine Vielzahl von Due Diligence-Projekten auf Käufer- wie Verkäuferseite für nationale und multinationale Private Equity-Mandanten begleitet. Insbesondere kon­zentriert sie sich auf Cross Border-Trans­aktionen.