Bildnachweis: Wirtschaftsministerium NRW.
In diesen Tagen tritt Nordrhein-Westfalen ins Rampenlicht. Der Wähler hat gesprochen, eine neue Landesregierung wird in Kürze die Verantwortung übernehmen. Start-ups und Venture Capital werden dabei sicherlich weiterhin eine wichtige Rolle in der Landespolitik spielen.
Gemäß dem gerade veröffentlichten Report „startupdetector“ haben 2021 in NRW 571 Start-ups das Licht der Welt erblickt: Das sind satte 11% mehr als 2020. Erfreulich ist auch, dass NRW den Abstand zu den – gemäß dieser Statistik – beiden führenden Bundesländern verringern konnte. In NRW gibt es im Bundesvergleich besonders viele junge Gründerteams und besonders viele sehr frühe Finanzierungen – alles Zeichen eines jungen Start-up-Ökosystems. Auch der Startup Genome Report Rheinland 2020 sieht Entwicklungspotenzial: Es fehle den Start-ups in NRW an der „Global Connectiveness“. Außerdem würden die Start-ups hierzulande zu spät internationalisieren und es gebe noch zu wenige Start-ups mit „Think big-Ambitionen“. Die Autoren raten der Landesregierung, Unterstützung beim Hochskalieren von Start-ups zu unterbreiten, Uni-Spin-offs im Deeptechbereich stärker zu fördern und die Zahl der Start-ups insgesamt zu erhöhen.
Landesregierung bietet Support
In der Tat richten sich einige der in letzter Zeit ergriffenen Maßnahmen genau auf diese Defizite. So wurde 2018 das Gründerstipendium.NRW eingeführt. Danach erhalten innovative Gründerteams pro Person 1.000 EUR im Monat für ein Jahr. Nach knapp vier Jahren wurden auf diese Art und Weise fast 3.000 Gründerinnen und Gründer gefördert. Ein Teil dieses Erfolgs ist auf die Unterstützung der 74 Startercenter und insbesondere auf die inzwischen hervorragend etablierten DWNRW-Hubs W zurückzuführen. Auch am Hochschulsystem mit immerhin 68 Hochschulen und 38.000 MINT-Absolventinnen und -Absolventen in NRW hat die Landesregierung angesetzt: 2019 wurde die Fördermaßnahme Exzellenz Start-up Center gestartet. Für die sechs geförderten Center in Aachen, Köln, Bochum, Dortmund, Paderborn und Münster stehen so je rund 20 Mio. EUR zur Verfügung – das Zehnfache an Geld, das der Bund bei seinem jüngsten Wettbewerb Exist-Potenziale ausgelobt hat. Auch dort konnten die NRW Hochschulen mit 26 Förderungen besonders gut abschneiden. Erste Früchte dieser Erfolge konnten inzwischen eingefahren werden: Die Zahl der Uni-Spin-offs in NRW hat sich zwischen 2017 und 2020 auf 475 verdoppelt, 29 neue gründeraffine Lehrstühle wurden geschaffen.
Kapital nach wie vor Entwicklungshemmnis
Mit dem gerade frisch im Herbst 2021 aufgelegten Scale-up-Programm unterstützt die Landesregierung schließlich gezielt die weitere Entwicklung besonders wachstumsstarker Start-ups. Die erste Kohorte mit 13 Teams ist im März gestartet, allesamt fantastische Unternehmen, teils mit Unicorn-Potenzial. Die Finanzierung ist dagegen nach wie vor die Achillesferse des Start-up-Ökosystems. Gemäß startupdetector erhält in NRW nur jedes zweite Start-up eine Finanzierung, deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt, und laut EY Startup-Barometer floss im letzten Jahr zwar mehr als 500 Mio. EUR Venture Capital – aber in ganz Deutschland waren es eben 17 Mrd. EUR. Hier bedarf es noch eines langen Atems. Die NRW.Bank arbeitet bereits daran. Sie hat ihr Angebot für Start-up-Finanzierungen von 12 Mio. EUR anno 2012 auf inzwischen 77 Mio. EUR ausgeweitet. Mit dem im Juli 2021 neu geschaffenen NRW.Venture hat sie zudem das Beteiligungsgeschäft weiter professionalisiert. Im Fokus stehen für die NRW.Bank dabei zunehmend auch Business Angels mit ihrer hohen Bedeutung für die Frühstfinanzierung.
Fazit
Der Blick in die Zukunft gibt allen Anlass zum Optimismus: Mit einer starken Industrie und zahlreichen Hidden Champions sind die Kunden für B2B-Geschäftsmodelle quasi vor der Tür, die bevorstehende Energiewende bietet großartige Ansatzpunkte für aufstrebende Climatetech-Start-ups. Die Mieten sind erschwinglich und der Zugang zu Fachkräften zwar nicht einfach, aber machbar; vor allem sind diese dann deutlich loyaler, als man es an anderen Start-up-Hubs erlebt. Wie eine neue Landesregierung schließlich auch aussehen mag – die Stärkung des Start-up-Ökosystems wird in NRW auf der Agenda bleiben.
Über den Autor:
Dr. Johannes Velling ist Abteilungsleiter „Digitalisierung und Außenwirtschaft“ im Wirtschaftsministerium NRW, unter anderem zuständig für die Start-up-Politik des Landes. Vor dem Wechsel nach NRW 2018 entwickelte er mehr als zehn Jahre die BMWi-Start-up-Förderung.